Neel 52Raumschiff auf drei Rümpfen im Test

Michael Good

 · 12.11.2024

Sportliche Haltung: Der Trimaran segelt am Wind mit etwas Krängung. Mit einer sehr kurzen Wasserlinie taucht der Rumpf in Luv deshalb fast immer aus
Foto: EYOTY/Ludovic Fruchaud
Mit dem neuen Neel 52 können die Trimaranbauer in Frankreich ihr außergewöhnliches Fahrtenkonzept weiter verfeinern. Das neue Schiff zeigt jetzt noch deutlichere Abgrenzungen zum Katamaran

Mehr Platz zum Wohnen auf und in drei Rümpfen, dazu die segeltechnischen Vorzüge eines Trimarans im Vergleich zum herkömmlichen Katamaran. Das sind Argumente, welche sich auch kombinieren lassen, so der ursprüngliche Leitgedanke von Eric Bruneel, Gründer, innovativer Kopf und zumindest teilweise Namensgeber hinter der Marke Neel Trimarans. Über die Jahre hat die Werft in La Rochelle ihr spezielles Konzept ausgebaut und mit einer intensiven Modellpflege kontinuierlich optimiert. Obendrein wurden auch immer wieder neue Produktionskapazitäten etabliert. Heute baut die Werft etwa 30 bis 35 Trimarane im Jahr und ist damit zu einer respektablen Konkurrenz für die etablierten Mehrrumpf-Marken geworden.

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Nach dem schnellen Erfolg hat Eric Bruneel sein Unternehmen nun in andere Hände übergeben und wirkt nur noch im Hintergrund als Berater. Der Neel 52 ist nun das erste, komplett neu entwickelte Schiff unter der geänderten Geschäftsleitung und kommt jetzt als Nachfolgemodell zum Neel 51, welcher 2018 für sein innovatives Konzept mit dem Titel als Europas Yacht des Jahres ausgezeichnet worden war. Der 51er, eine Konstruktion von Joubert/Nivelt, war der erste Trimaran seiner Art mit Innenausbau zum Wohnen auch in den Seitenrümpfen.

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Die Konstruktion vom neuen 52er kommt nun aus dem Studio von Marc Lombard Yacht Design. Die schlanken Seitenrümpfe sind etwas kürzer als der zen­tra­le Schiffskörper, verfügen aber über ein tiefes Unterwasserschiff mit ausgeprägtem Sprung. Die Designer wollen damit erreichen, dass der Trimaran bei neutraler Schwimmlage im Hafen stabil auf allen drei Rümpfen steht und nicht seitlich kippt, wie das bei Renn-Trimaranen oft zu sehen ist. Gleichzeitig soll die Wasserlinie so kurz wie möglich und damit die benetzte Oberfläche klein bleiben. Unter Segeln ist die Geometrie so ausgelegt, dass das Schiff am Wind immer leicht krängt und somit der Schwimmer in Luv dauerhaft auf dem Wasser kommt.

Raumschots segelt der Neel 52 lebhaft und dynamisch

Was sich schon bei anderen Tests mit den Schiffen von Neel gezeigt hat: Trimarane bewegen sich in den Wellen anders als Zweirumpfboote. Die sonst bei Katamaranen oft typische Schlingerbewegung ist weniger ausgeprägt und das Boot stampft auch weniger in der Welle. Dies liegt daran, dass der Auftriebs- und der Gewichtsschwerpunkt bei Booten mit drei Rümpfen dichter beisammenliegen als bei herkömmlichen Katamaranen. Je zentrierter die Schwerpunkte generell sind, desto ruhiger und ausgeglichener segelt das Boot und desto höher ist demnach auch der Komfort unterwegs.

Mit der großen Genua (115 Prozent Überlappung) und Lattengroß mit Square-­Top schafft der Neel 52 im Test bei Leichtwind von nur gerade drei Windstärken eine Geschwindigkeit über Grund von 6,4 Knoten. Allerdings bleibt der Wendewinkel von 120 Grad bei diesen Bedingungen eher ernüchternd. Man kann den Neel 52 zwar höher steuern, allerdings mit schmerzlichen Verlusten auf der Logge. Die Wenden muss man deshalb zügig durchsteuern, weil das Boot mit seinen drei Rümpfen beim Anluven ziemlich schnell aufstoppt. Lebhaft und dynamisch segelt der Trimaran dagegen auf den Kursen raumschots und vor allem mit dem zusätzlich erhältlichen Gennaker oder Code Zero. Trotz drei Rümpfen sieht die Konstruktion nur ein großes Ruderblatt am Mittelrumpf vor. Damit lässt sich das Boot aktiv und mit viel Gefühl steuern und zeigt sich zudem auch reaktionsschnell.

Das Steuercockpit ist seitlich angebaut und bietet großzügigen Platz für bis zu drei Personen, die sich bei ihrer Arbeit in den Manövern kaum in die Quere kommen. Alle Schoten, Fallen und Trimmleinen werden auch hier über das Kajütdach zurück in den Arbeitsbereich auf drei große und kräftige Winschen geführt, welche alle wahlweise auch elektrisch bedient werden können. Vom Ruderstand aus führen drei Stufen weiter auf die Flybridge mit der gemütlichen Sonnenlounge.

Enormes Platzangebot im Innenraum

Der Rundgang durch das Interieur wird auf dem großen Trimaran von Neel zur spannenden Erlebnis- und Entdeckungsreise. Im Salon überrascht das enorme Volumen des zur Verfügung stehenden Raums. Das Layout ist sehr speziell, weil kaum vergleichbar. Im Wesentlichen verteilen sich die einzelnen Wohn- und Funktionsbereiche auf einer durchgehenden Ebene, ähnlich einer Loftwohnung. Nur die geräumige Eignerkabine an Steuerbordseite ist räumlich komplett abgetrennt, bleibt aber trotzdem dank einer langen Fensterzeile mit dem Salon optisch gekoppelt. Vorhänge und Jalousien sorgen bei Bedarf für Privatsphäre.

Die sehr großzügig angelegte Kabine nimmt aber nur rund ein Viertel der Grundfläche ein. Das lässt genug Platz für eine ungewöhnlich große und fast rundum geschlossene Pantry sowie für eine üppige Sitzgruppe achtern. Die Navigation ist direkt an die Fensterfront des Salons gebaut. Wer hier arbeitet, genießt fast uneingeschränkte Sicht nach vorne, zu den Seiten sowie in die Segel und kann das Boot bei Schlechtwetter über die Fernsteuerung des Auto­piloten auch von innen dirigieren.

Auch für das Layout in den Seitenrümpfen kann der Kunde im Rahmen der Möglichkeiten zwischen zahlreichen Möglichkeiten wählen. Standard ist der Ausbau mit jeweils zwei Doppelkabinen und einer zentralen Nasszelle mit Duschbereich. Je nach Bedarf können die Kabinen aber auch als Büro, als Werkstatt oder als Hauswirtschaftsraum mit Waschmaschine ausgebaut werden. Zudem sind achtern Kabinen mit eigener Toilette für den oder die Skipper möglich. Im Mittelrumpf ist unter dem Salon, quasi im Untergeschoss, nochmals eine zentrale Doppelkabine vorgesehen. Allerdings bleibt es in diesem fensterlosen Raum dunkel und daher eher ungemütlich. Aber auch hier gibt es Möglichkeiten für eine alternative Nutzung, zum Beispiel als riesiger und begehbarer Stauraum.

Teuer im Vergleich

Eine Luke im Cockpitboden unter dem erhöhten Steuerstand gewährleistet den Zugang zum großen Technikraum im hinteren Teil des Mittelrumpfs. Hier gibt es Platz für alle technischen Einbauten wie Boiler, Wassermacher, Batterien. Mittendrin steht der wuchtige 110 PS starke Vierzylindermotor weitgehend frei und ist so für Inspektion und Reparaturen rundum sehr gut zugänglich. Im Unterschied zum Katamaran mit zwei getrennten Einbaumaschinen zeigt der Neel 52 mit nur einem Motor im zen­tra­len Rumpf deutliche Nachteile beim Manövrieren und Einparken im Hafen. Das Bugstrahlruder gehört deshalb zur unerlässlichen Grundausstattung und wird bereits im Standard ab Werft eingebaut. Ein zweiter Strahler im Heck erweist sich als wertvolle Hilfe beim seitlich Anlegen, ist aber nur als Option gegen entsprechende Aufpreise erhältlich.

Gut 1,5 Millionen Euro brutto muss ein Käufer für einen Neel 52 aufbringen können. Das ist viel Geld, auch im Vergleich zu den Wettbewerbern aus dem Lager der Serien-Katamarane in vergleichbarer Größe, welche mit Grundpreisen zwischen 1,1 und 1,3 Millionen Euro etwas günstiger sind. Allerdings müssen bei der Beurteilung der Kosten auch die solide Bauweise von allen Teilen im Vakuum-Infusionsverfahren sowie die hochwertige und umfangreiche Grundausstattung in die Kalkulation miteinbezogen werden.

Die Werft in La Rochelle baut sämtliche Teile ihrer Trimarane als Sandwich­kons­truk­tionen im aufwendigen, aber gewicht­sparenden Vakuum-Infusionsverfahren. Seit der Markteinführung des Neel 43 (Test 18/2021) hat die Werft nun auch bezüglich der verwendeten Materialien umgestellt und setzt auf ökologisch nachhaltige Alternativen. Wo immer möglich, werden die Komponenten für alle Boote der Marke jetzt mit Flachs- statt mit Glasfasern aufgebaut und als Kernmaterial werden natürlicher Kork oder Schaumplatten aus recyceltem PET eingelegt. Alle drei Rümpfe verfügen jeweils über eine Crashbox im Bug und sind zudem mehrfach abgeschottet. Ein Trimaran von Neel soll unter allen Umständen und immer unsinkbar bleiben, so die Markenphilosophie. Die Angst vor einem Ruderbruch oder einer Orca-Attacke sollte sich so mindern lassen.

Auch nach bald 15 Jahren Marktpräsenz scheint die Marke Neel die Nische der reinen Fahrtenschiffe auf drei Rümpfen weiterhin exklusiv für sich zu beanspruchen. Wer sich für die Klasse von großen Mehrrumpfbooten um 50 Fuß Länge interessiert, muss auf jeden Fall auch die Alternative auf drei Rümpfen prüfen. Der Vergleich ist spannend und lohnt sich.

Die Messwerte zum Test des Neel 52

Bild 1

Der Neel 52 im Detail

 | Zeichnung: YACHT/N. Campe | Zeichnung: YACHT/N. Campe

Technische Daten des Neel 52

  • Konstrukteur: Marc Lombard
  • CE-Entwurfskategorie: A
  • Rumpflänge: 15,98 m
  • Wasserlinienlänge: 15,98 m
  • Breite: 8,80 m
  • Tiefgang: 1,90 m
  • Masthöhe über WL: 24,1 m
  • Theor. Rumpfgeschw.: 9,7 kn
  • Gewicht: 13,5 t
  • Großsegel: 95,0 m2
  • Stagfock: 32,0 m2
  • Rollgenua: 71,0 m2
  • Gennaker: 180,0 m2
  • Maschine (Yanmar): 81 kW/110 PS
  • Kraftstofftank: 780 l
  • Frischwassertank: 500 l
  • Fäkalientanks: 3 x 50 l

Rumpf- und Decks­bauweise

Sandwichkonstruktionen mit GFK und Flachsfasern sowie einem PET-Schaumkern. Alle Teile von Rumpf und Deck werden per Vakuum-­Infusion aufgebaut

Rigg in zwei Größen

Standard ist das Aluminiumrigg mit Edelstahlwanten. Das Performance-Rigg sieht einen 70 Zentimeter höheren Kohlefasermast mit Textilwanten vor. Im Paket mit hochwertigen Segeln kostet das Leistungsupgrade rund 167.000 Euro (brutto) zusätzlich

Motorisierung

Der Vierzylinder-Einbaudiesel von Yanmar mit Saildrive-Antrieb ist im Mittelrumpf eingebaut. Ebenfalls schon im Standard ist ein Bugstrahlruder (24 V) vorgesehen

Ausstattung und Preise

  • Grundpreis ab Werft: 1.527.600 €
  • Preis segelfertig: 1.527.600 €
  • Komfortpreis: 1.583.400 €
  • Garantie/gegen Osmose: 2/2 Jahre

Stand 2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!

Werft und Vertrieb des Neel 52

Werft

Neel Trimarans, 17000 La Rochelle Cedex (Frankreich), www.neel-trimarans.com

Vertrieb

YACHT-Bewertung des Neel 52

Mit dem Neel 52 kann man auf langen Schlägen schnell vorankommen und gleichzeitig komfortabel wohnen. Das Boot ist sehr wandelbar, speziell für den Ausbau in den Rümpfen

Konstruktion und Konzept

Alleinstellung auf dem Markt

Durchdachtes Gesamtkonzept

Gehobener Preis

Segelleistung und Trimm

Einfaches Handling

Gutes Steuergefühl

Wenig Höhe am Wind

Wohnen und Ausbauqualität

Viele Kabinen, hoher Komfort

Eingeschränkte Belüftung

Wenige Festhaltemöglichkeiten

Ausrüstung und Technik

Bugstrahlruder im Standard

Hochwertige Ausstattung

Begehbarer Technikraum

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