Jan Jepsen
· 22.11.2022
Wer sich dem Thema Katamaran oder Trimaran nähern möchte, sollte das Internationale Multihull Meeting besuchen, bei dem sich die Szene Einsteigern öffnet und zu Bordbesuchen einlädt
Was sie eint, ist ihre spezifische Leidenschaft: Ihre Schiffe haben mindestens zwei, maximal drei Rümpfe – und was anderes kommt für sie kaum in Frage. Die nordeuropäischen Vertreter dieser Gruppe treffen sich regelmäßig beim IMM, dem International Multihull Meeting.
Es ist ein Treffen von Seglern für Segler und alle, die sich für Mehrrumpfboote interessieren. Ausrichter der Veranstaltung ist der Verein Multihull Deutschland. Das IMM bildet eine hervorragende Plattform für den Erfahrungsaustausch, wie es auf der Webseite heißt: „Neben dem gemeinsamen Segeln, sportlichen Regatten und einem weitreichenden Nebenprogramm für Familien und Besucher können die Boote der Teilnehmer besichtigt werden.“
Alle zwei Jahre kommen sie zusammen, zuletzt im schwedischen Karlstad. Wegen Corona ist das Treffen um ein Jahr nach hinten verrutscht. Entsprechend groß ist die Freude des Wiedersehens. 46 Schiffe, aus sieben Nationen mit 140 Teilnehmern sind in Bremerhaven angereist. Davon 28 Katamarane, 16 Trimarane und eine Spezialkonstruktion. Der Anteil der Selbstbauer und -ausbauer ist vergleichsweise groß in der Szene. Was die Vielfalt der Schiffe angeht, sind sie buchstäblich breit aufgestellt.
Erster Programmpunkt: eine Wurstfahrt ins Watt – eine Exkursion mit Überraschung. Nach der Kaiserschleuse gehen mehrheitlich die Segel hoch – trotz mäßiger Bedingungen. Wenig verwunderlich, dass ein paar Schiffe die Geschwaderfahrt schwänzen. Himmel und Nordsee sind nicht in Feierlaune und spontan ergraut. Der Strom drückt nach draußen, Wind und Welle von vorn. Muss man mögen. Für die ambitionierteren Segler allerdings ist der Abstecher eine gute Gelegenheit, eindrucksvoll mit dem Stigma aufzuräumen, Mehrrumpfer würden nicht richtig kreuzen. Das mag für überfrachtete Charterkats gelten.
Beim IMM würden wohl die meisten Eigner mehr oder weniger vehement widersprechen. Gut, der Wendewinkel der Schiffe sei vielleicht nicht die Welt, aber die fehlenden 10 oder 20 Grad beim Kreuzen würden am Ende locker über den Speed wettgemacht. Jan Wölpers macht es mit der „Mai Tai 2“ beeindruckend vor. Obwohl in dem Fahrwasser vor dem Bremerhavener Containerterminal nicht gekreuzt werden darf. So die Theorie. Wölpers segelt eine Athena 38 von Fountaine Pajot. Und zwar vorneweg. Der Laie staunt, der Fachmann wundert sich: Selbst die vier oder fünf Dragonfly-Trimarane tun sich schwer, die Französin einzuholen. Sie müssen sich eher mit der artverwandten „Raban“ messen (eine Contour 34) – ein kanadischer Trimaran, der nicht nur in Sachen Optik punktet – trotz oder wegen des Reffs im Groß. Manchmal ist weniger Segel mehr Speed und mäßigeres Einbremsen des Leeschwimmers unter Wasser.
Knapp zwei Stunden später rückt das Feld vor Anker und dann die Crews beim Trockenfallen noch enger zusammen. Es gibt Wurst und Bier für alle.
Tags drauf ist Open Ship angesagt. Als Teil der Mission der Multihuller sollen neue Mitglieder für ihren Verein rekrutiert, Vorurteile abgebaut und Interesse an den Mehrrumpfbooten geweckt werden. Ein Holländer nutzt die Gelegenheit, seinen rausgeputzten Kat zum Verkauf anzubieten, aber nur, weil er sich vergrößern will. Enja Nørttrup-Greve und Kent Johansen, ein dänisches Paar aus Kerteminde, präsentieren einen Kat namens „Njord“, der ursprünglich mal einer von Konstrukteurs-Legende James Wharram gewesen sein soll. Um das zu glauben und zu prüfen, müsste man an Bord allerdings Archäologie betreiben. Dem Besucher zeigt sich ein moderner Kat mit edlen Holzausbauten, die aus Restbeständen der Werft von X-Yachts stammen. Mehr Metamorphose eines Multihull geht kaum.
Ein paar Schiffe weiter lädt Frank Schernikau auf seine schnittige Contour 34 SC ein. Sein Trimaran ist einer von nur zwei dieser in Deutschland beheimateten Schiffe, die zwischen 1997 und dem Jahr 2000 in Kanada gebaut wurden. Unter Deck ist das Schiff sehr luftig im Neuenglandstil gehalten. Viel Weiß mit Teak kombiniert. „Der Trimaran wurde 2000 als Neuyacht nach UK importiert“, erzählte der Eigner. „Dort wurde er von der Mooring im Solent gestohlen und als Fluchtfahrzeug quer über den Kanal nach Frankreich verwendet.“ Mittlerweile dient die „Raban“ der Familie Schernikau als Expressschiff für ausgedehnte Urlaubsreisen. Im letzten Jahr direkt aus der Elbe raus nach Norwegen.
Nachmittags schlägt dann die Stunde der Selbstbauer auf dem IMM. Die Stadt Bremerhaven hat dafür eigens moderne Büroräume am Hafen zur Verfügung gestellt. Es werden Vorträge gehalten. Und Gründe wie Gebotstafeln ausgehängt: „Warum Katamaran?“ lautet die Überschrift auf dem Plakat. Die alte Glaubensfrage soll endgültig von Multi-Missionaren geklärt werden.
Unter „Warum Trimaran?“ ist lediglich ein, wenn auch überzeugender Punkt auf dem Plakat gelistet: „Überragendes Geschwindigkeitspotenzial!“ Von wenig Platz unter Deck und hohem Preis kein Wort.
Leider ist das Interesse der Unbekehrten nur mäßig. Die meisten Besucher wollen nur gucken und Fotos machen. Und von den Teilnehmern des Multi-Meetings muss niemand mehr missioniert werden. Karl Kramer, einer der Eignerbrüder des Kats „Düppelmors II“, beginnt seinen Vortrag über den Selbstbau mit dem Mut machenden Spruch:
Habe keine Angst, etwas Neues auszuprobieren. Bedenke, die Arche wurde von einem Amateur gebaut, die ,Titanic‘ von Profis!“
In nur 19 Monaten Bauphase habe man – strikt durchgetaktet – nur zwei Wochen Urlaub gemacht und sich an einen strengen Tagesrhythmus mit neun Akkubohrern gehalten, wie Berndt Kramer, der Bruder, zuvor schon verraten hatte. Vergleichsweise schnell musste es gehen. Denn: „Was nützt es, wenn das Boot fertig und die Familie hinterher kaputt ist.“ Das Projekt ist in einer Dokumentation auf Youtube zu sehen.
Intakte Familie ist ein Stichwort für den nächsten Referenten: Tobias Lütke ist ehemaliger Waldorf-Lehrer und wirkt tiefenentspannt. Beinah buddhistisch. Er baut seit drei Jahren an einem 14 Meter langen Kat und rekonstruiert damit gleichsam ein Stück seiner eigenen Vergangenheit.
Der Bausatz für das Großprojekt stammt vom australischen Konstrukteur Schionning und soll 2024 erstmals ins Wasser. Lütke will back to the roots beziehungsweise Rümpfen, sagt er. In den siebziger Jahren sei er mit seinen Eltern und zwei Geschwistern als erste deutsche Familie auf einem Trimaran drei Jahre um die Welt gesegelt. Ohne es an die große Glocke zu hängen oder kommerziell zu vermarkten.
„Jedenfalls … diese drei Jahre Passatsegeln haben mich nachhaltig geprägt“, sagt Lütke sentimental. Sie sind sozusagen die eigene Grundierung. Er will zurück aufs Wasser, auf seinem selbst gebauten Schiff leben und dann mal sehen. Klingt gut und vielversprechend.
Jedenfalls: Fast ist man nach einem Wochenende im Kreise der Multihuller geneigt, das Lager zu wechseln oder es zumindest mal auszuprobieren.