Andreas Fritsch
· 21.03.2024
Kat-Eigner leben in einem ständigen Widerspruch: Sie verfügen über so viel Raum auf ihren Booten, dass es manchem Monohull-Eigner vor Neid das Wasser in die Augen treibt. Aber wenn sie ihn voll ausnutzen, bezahlen sie einen hohen Preis: Denn Katamarane sind viel sensibler gegen Überladung als Einrumpfyachten. Die Folge ist logisch: Zweirumpfer segeln häufig überladen durch die Gegend und sind damit langsam. Hinzu kommt, dass viele Kunden mehr Wert auf Wohnkomfort legen als auf Segelleistungen. So wurden die Boote über die Jahre schwerer – und die Riggs nicht viel größer.
Das sind Trends in der Kat-Szene, die für Jan Wölper, den Eigner eines Athena 38, inakzeptabel sind. Für den Hamburger Rechtsanwalt gehören gute Segelleistungen genauso zum Mehrrumpfkonzept wie der viele Platz. „Ich weiß, wie verlockend der ganze Stauraum ist. Deshalb haben wir es uns zur Regel gemacht, unseren Kat jeden Herbst komplett leerzuräumen. So bleibt das Boot leicht.“
Wölper hat aber auch einen Ruf zu wahren: Er ist Vorsitzender des Vereins Multihull Deutschland und segelt seit 40 Jahren auf allen möglichen Kats, erst beim Vater, dann auf eigenen Booten und natürlich auf Multis von befreundeten Club-Mitgliedern. Für den Klassenboss muss ein Zweibein beides können: gut segeln und Wohnkomfort bieten.
Wölper suchte vor einigen Jahren für sich selbst ein solches Boot, das aber nicht gleich in die astronomischen Preisregionen eines Outremers oder Catanas vorstoßen sollte. So landete er beim Athena 38 von Fountaine Pajot, einem der Erfolgsmodelle der Werft, das zwölf Jahre lang von 1994 an rund 240-mal verkauft wurde. „Der Athena stammte noch aus einer Generation, als sehr auf das Gewicht geachtet wurde: Das Bimini ist nur ein Alu-Gestell mit Tuch, kein schweres GFK-Formteil wie heute. Es gab noch keine Flybridge, und die Rümpfe waren noch nicht so hochbordig und schlanker“, so Wölper. Das Boot mit dem optisch gelungenen Deckshaus, großem Cockpit und vergleichsweise schlanken Rümpfen macht tatsächlich auch heute noch eine gute Figur.
„Der Athena 38 erwarb sich in der Multihull-Szene den Ruf, zwar ein Standard-Großserienboot zu sein, aber trotzdem noch gut zu segeln“, erzählt der Eigner. So kam Wölper auf den Franzosen; es dauerte aber, bis er fündig wurde, für rund 160.000 Euro – ein stolzer Preis für ein 16 Jahre altes Schiff. 1995 kostete das Boot ab Werft segelfertig umgerechnet etwas über 183.000 Euro. Vor allem Ex-Charterboote gibt es im Mittelmeer zwar locker 20- bis 40.000 Euro günstiger, aber der Hamburger und seine Frau Diemut scheuten umständliche und aufwändige Besichtigungen im Ausland. „Und die Boote dort leiden stärker unter der Sonne und der langen Saison, die Kats im Norden sind besser erhalten“, so sein Fazit. Nur sei es eben nicht ganz einfach, hier überhaupt etwas zu finden.
Der Start mit dem neuen Boot hielt nach dem Kauf ein paar Rückschläge parat. So gab es Probleme mit der Wasserversorgung. Es stellte sich heraus, dass die Tanks aus Aluminium waren und sich viel Oxid in ihnen gebildet hatte, berichtet der Eigner; das verstopfte Leitungen und Pumpen und ist wohl auch nicht gerade gesundheitsfördernd. Da blieb nur die Totaloperation: Tank raus und gegen eine Edelstahl-Maßanfertigung ersetzen – ein für Bastler selbst durchführbarer Job. Käufer sollten fragen, ob der Voreigner schon getauscht hat und gegebenenfalls einen Nachlass verlangen.
Nur wenige Monate nach dem Kauf dann der GAU: Ein Teil im Rigg versagte, der Mast kam von oben. Ersatz wurde nicht vom Originalausstatter Z-Spars geordert, sondern von Seldén. Der Eigner ergriff die Chance beim Schopf und merzte zugleich eine Schwachstelle des Kats aus: „Das Boot krankte, wie aber eigentlich fast alle vergleichbaren Kats aus Großserien, an relativ viel Vorstagsdurchhang an der Kreuz. Das kann ohne weiteres fünf Grad Höhe kosten!“ Um das zu verbessern, rüstete der Hamburger sein Boot gleich mit Backstagen aus, da er auch gern mal schnell unterwegs ist, etwa bei den Regatten im Rahmen der europäischen Multihull-Treffen.
Bei einem davon, beim IMM 2017 in Kerteminde, steigen wir an Bord der „Mai Tai 2“ und segeln die Fun-Regatta mit. Nach dem Start zieht Wölper den 80 Quadratmeter-Gennaker des Kats, und das Boot beschleunigt spielend bei etwa 15 Knoten Wind mit einigen 20er-Böen auf bis zu 9,5 Knoten; ein paarmal blitzt auch die 10 vor dem Komma. „Bei 5 bis 6 Beaufort sind halbwinds auch mal 10 bis 12 Knoten drin“, versichert Wölper. Nachdem das bunte Tuch wieder unten ist, pendelt sich der Athena um die 7 bis 8 Knoten bei etwa 50 Grad ein – respektable Werte für ein komplett ausgerüstetes Fahrtenboot mit fünf Personen samt Gepäck an Bord. Das Boot hat der Eigner mit zwei Faltpropellern ausgerüstet, für einen Kat ein Muss, wie er findet. „Das bringt fast einen Knoten Speed. Die beste Investition bisher!“
Am etwas klein geratenen Rad fühlt sich das Ganze katüblich neutral an, viel Rückmeldung vom Ruder ist eben nicht die Sache von Multihulls. Unterm geschlossenen Bimini sitzen größere Segler zwar etwas dicht am Tuchdach, aber es kann bei gutem Wetter für den Steuermann geöffnet werden. Dafür ist der Steuerstand sehr kompakt. Wölper hat ein iPad mit Halterung als Plotterersatz neben das Rad montiert, mit dem er sehr zufrieden ist.
Alle Winschen und Klemmen sind branchenüblich auf dem Cockpitdach positioniert – und, so der Eigner, ebenfalls wie üblich etwas unterdimensioniert, zumindest wenn er mit seiner Frau allein unterwegs ist. Pfiffig gestaltet ist der Cockpittisch: Er hat an einer Seite einen Ausschnitt und kann gedreht werden. So kommt man gut vorbei, und die Schotwinsch ist für die Crew ohne große Kletterei zu erreichen.
Ins Auge fällt am Steuer ein Griff, der vom Bimini-Gestell baumelt und ein Seil über Umlenkrollen nach achtern führt. Den fragenden Blick quittiert der Eigner mit einer grinsenden Erklärung: „Ich segele das Boot mit Männercrews manchmal auch recht sportlich. Das ist unsere Lebensversicherung!“ Er hat eine Seilverbindung zu den Klemmen des Großschot-Travellers geriggt, die es erlaubt, bei einer plötzlichen Hammerbö mit einem Zug beide zu öffnen und so in Sekundenschnelle die Power vom Groß zu nehmen. Ob das dann das Endstück der Travellerschiene überlebt, ist fraglich; aber besser eine ausgerissene Leiste als ein gekenterter Kat. Gebraucht hat er den Griff aber noch nie.
An Deck finden sich weitere solche individuellen Lösungen. Wölper hat feste Barberholer-Kauschen für die Genuaschot geriggt. „Die kurze Schiene für die Holepunkte ist ein Witz, die funktioniert mal gerade am Wind.“ Für tiefere Kurse haben sie deshalb die Tauwerk-Lösung eingerichtet.
Auf dem Vorschiff sind ebenfalls clevere Ideen umgesetzt. Über der Fallwinsch am Mast liegt beim Segeln ein mit Kunststoff ummanteltes Tau, das zum Mastfuß und unter das Salondach gespannt wird. Wofür das ist, erklärt der Eigner bei der nächsten Wende: Die Schot bleibt bei Manövern gern an der Winsch hängen, was nerviges Nach-vorn-Laufen und Klarieren erforderlich macht. Das Tau verhindert dies zuverlässig.
Nachdem die Regatta beendet ist und der Athena 38 deutlich größere Boote im Heckwasser gelassen hat, geht es zurück in den Hafen. Wie zufrieden ist der Hamburger mit Bauqualität und Innenausbau?
„Ich war überrascht, wie gut das Boot nach 16 Jahren noch aussah“, erzählt er. Die Holzteile seien kaum kratzeranfällig, nirgends gibt es Risse oder Blasen in Gelcoat oder Laminat. Als er ein paar neue Elektro-Geräte verkabelte, erwies sich die vorhandene Verlegung als sauber, sehr übersichtlich, gut zugänglich, und es waren sogar noch Leerrohre eingebaut, die er nutzen konnte. „Da war ich von meinem alten Kat anderes gewohnt. Den haben wir nach dem Kauf erst einmal auf einen vernünftigen Standard bringen müssen.“
Für einen 38er erscheint der Raum in Cockpit und Salon tatsächlich sehr üppig, trotz der 16 Jahre, die das Boot auf dem Buckel hat. Zeitgemäß: Die L-förmige Pantry und die organisch geformte Sitzecke wirken modern, über das umlaufende Fenster kommt viel Licht herein. „Die Küche ist super, der Kühlschrank riesig“, lobt Jan Wölper. „Der ist eine Maßanfertigung für die Rundung der Kabine.“ Die Sitzgruppe sei dagegen gemütlich, aber unpraktisch, weil auf der Ducht wegen der starken Rundung niemand schlafen könne. Er plane aber, mit einem absenkbaren Tisch das Problem zu lösen. Seines Wissens habe ein italienischer Innendesigner am Boot mitgearbeitet. Solche Hilfestellung geht im Bootsbau auch mal nach hinten los, doch Linien, Farben und Formen stimmen.
Unter Deck überzeugt der Athena 38 ebenfalls. Hier ist dem Baujahr entsprechend noch relativ viel dunkles Holz verbaut, doch es ist gut durch verkleidete weiße Flächen abgesetzt. Allerdings sind viele Stauräume offen, was günstig für die Lüftung ist, aber optisch nicht jedem gefällt. Ungewöhnlich: Die Stauräume vor den Vorschiffskojen sind nur durch einen Klettvorhang von den Kojen getrennt. Das bringt zwar Licht, aber auch Feuchtigkeit, zumindest wenn man den Raum zum Stauen von Tauwerk, Fendern oder Ähnlichem nutzt. Die beiden zentralen Bäder sind durch die Fluchtluken angenehm hell und können perfekt belüftet werden, da Erstere zu öffnen sind. Auf manchen Kats, etwa Lagoons, werden sie nur noch als feste Fenster eingebaut.
Einziger Kritikpunkt des Eigners am Rumpf sind die Kielhacken des Schiffs. Sie wurden unter den fertigen Rumpf geklebt, um ihn bei einer Grundberührung zu schützen. Das Problem: In ihnen steht hörbar Wasser. „Das Boot hatte keinen Schaden an den Kielen; wir wissen nicht, wie das Wasser reingekommen ist. Da es aber auch keine Ablass-Schrauben oder Inspektionsluken gibt, bekommen wir es eben auch nicht heraus.“ In einem der kommenden Winter wolle man sich das näher ansehen. Unterm Strich hinterlässt der Athena einen positiven Eindruck. Er scheint durabel verarbeitet, segelt vergleichsweise gut und hat genau das große Platzangebot, das manchen Monohull-Segler letztlich zu den Mehrrumpfern konvertieren lässt.
Sandwich-Laminat mit PVC-Schaum als Kern
Stand 03/2024
Gut segelnder Kat mit viel Wohnkomfort für die Größe und solider Bauqualität
Der Artikel erschien erstmals in YACHT 01/2018 und wurde für die Online-Version aktualisiert.