Banka “Libelle”Durch die Inseln der Philippinen mit traditionellem Auslegerkanu für unter 1.000 €

Egmont Friedl

 · 19.10.2025

Das Rahsegel ist untypisch für die lokalen Segelkanus. Die Ausleger sind klein und unterschneiden schnell.
Foto: Josie M. Salanatin
Zehn Meter lang mit Einbaudiesel, nach Kundenwunsch individuell in zwei Wochen gebaut - für unter 1.000 Euro. YACHT-Autor Egmont M. Friedl ließ sich auf den Philippinen einen Banka, ein Auslegerboot, fertigen und segelte damit von Strand zu Strand durch die Inselwelt.

Die Philippinen bestehen aus 7.645 Inseln, nur 880 davon sind bewohnt. Auf einem winzigen, vom Dschungel überwachsenen Eiland mit zwei Sandstränden und acht Einwohnern verbringe ich zusammen mit meiner Freundin Josie einen Monat im Sommer.

Mit einer Bolo, einer philippinischen Machete, steigen wir auf die Anhöhen. Josie ist ein Kind des Dschungels, sie kennt alle Pflanzen, Gefahren, Heilkräuter. Wir essen Guaven, wilde Mangos, Tamarinden, steigen auf der Luvseite der Insel durch schier undurchdringlichen Dschungel zu einer wilden Steilküste ab. Hier weht der Monsun ohne Unterlass, der Blick geht hinaus aufs Meer, und dem Segler in mir ist schnell klar: Um dieses Inselrevier zu bereisen, braucht man ein Boot, am besten ein eigenes! Die Idee war geboren.


Weitere besondere Boote:


Wer ein Custom-Design in Auftrag gibt, gehört in der Regel einem exklusiven Kreis gut betuchter Yacht- oder Superyachtsegler an – doch das muss nicht so sein! Und welcher Segler träumt nicht davon, ein Boot nach seinen Wünschen für sich bauen zu lassen? Als Josie und ich diesen Entschluss gefasst und einige Zeit später einen Bootsbauer auf der Insel Panay gefunden hatten, haben wir auf einer Seite meines Logbuchs die rudimentärsten Angaben zum Bau als „Vertrag“ festgehalten. Länge: zirka zehn Meter, Motor: Diesel, Bauzeit: zwei Wochen (! – ausgenommen Regentage), Bootstyp: Banka zum Segeln/Paraw. Bootsbauer Ariel, 40 Jahre alt, macht einen tüchtigen Eindruck, und was soll ich als europäischer Bootsbauer ihm groß Vorgaben machen, wie man hier ein Boot zu bauen hat. Hier, das ist nicht viel mehr als ein paar Bambushütten am Strand.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Auslegerboote auf den Philippinen werden Banka genannt

Vor einer dieser Hütten werden schnell ein paar Holzschemel aufgestellt, und unter den Blicken, die von stiller Beobachtung der Älteren bis zu staunenden, großen Kinderaugen reichen, setzen Ariel, Josie und ich die Unterschriften unter unseren Vertrag. Baubeginn: morgen früh! Der Preis für unser fertiges zehn Meter langes Banka mit Motor und Mast beträgt umgerechnet knapp unter 1.000 Euro.

yacht/1yac-2025-22-104-1116_9112bcec3e5fceb173f1b3edb03bd2aa

Stell dir vor, wir werden unser eigenes Boot haben, gar nicht mal so klein, mit den Auslegern bestimmt über fünf Meter breit, wir können segeln, wann und wohin wir wollen, und einen Motor haben wir auch. Lass uns noch ein paar Solarzellen und eine Batterie installieren, dann können wir sogar einen kleinen Kühlschrank unter Deck stellen. So ein Boot haben die Philippinen noch nicht gesehen!

Die Auslegerboote gibt es bis zu einer Länge von 30 Metern, und selbst bei dieser stattlichen Größe werden die Bambus-Ausleger nur mit Leinen fixiert.

Die Auslegerboote auf den Philippinen werden Banka genannt. Sie können von 2 bis 3 Metern Länge bis zu stattlichen Größen von 30 Metern reichen. Bei einem Banka unserer Größe ist ein Benzin- oder Dieselmotor eingebaut, an den ohne Getriebe direkt die Propellerwelle ansetzt, die einen entsprechend kleinen Propeller an ihrem Ende hat. Bevor man den Motor per um das Schwungrad gelegter Leine anwirft, was nicht nur Kraft, sondern mehr noch Geschick erfordert, muss man den Bug auf freies Wasser richten, da das Boot sofort losrauscht, sobald der Motor zündet. Auskuppeln nicht möglich!

Der Rumpf ist schmal und extrem schnittig und hat zu beiden Seiten Ausleger, genannt Katig, aus je einem langen Bambusrohr. Die Ausleger sind mit über offenem Feuer gebogenen Querholmen, genannt Tarik, verbunden, die ebenfalls aus Bambus bestehen. Die gesamte Konstruktion der Ausleger wird mit starken Laschings aus dicker Angelschnur zusammengehalten und mit dem Mittelrumpf verbunden. Das wird selbst bei den größten Banka so gemacht.

Segel aus Haushalts- oder Planenstoffen

Mein erstes Custom-Boot ist also ein Trimaran, und es ist überhaupt mein erstes Mehrrumpfboot in meiner Seglerkarriere mit bisher 14 eigenen Booten und Yachten, die ich für Reisen und Fahrten auf der halben Welt besessen habe. Viele Segler wechseln ja mit fortschreitendem Alter von Mono- auf Multihull, vor allem wegen des Komforts. Von Komfort kann bei unserem Boot allerdings nicht die Rede sein.

Früher fuhren die Banka natürlich unter Segel, hießen je nach Typ und Örtlichkeit Paraw, Vinta, Bigiw oder Balangay. Heute gibt es nur noch die Paraw für Touristen-Ausflüge auf der Insel Boracay und jährlich eine Paraw-Regatta in Iloilo. Diese Paraws (gesprochen „Parau“) sind beeindruckende, motorlose Boote. Der hohe Mittelrumpf ist etwa elf Meter lang und nur unglaubliche 40 Zentimeter schmal. Er schneidet wie eine Klinge durchs Wasser, fungiert gleichzeitig als Schwert und reagiert sehr sensibel auf den Längstrimm des Bootes. Die Querholme sind gewaltig und bestehen bei den Paraws aus Hartholz. Etwa 6,5 Meter ragen sie zu beiden Seiten und tragen je ein riesiges Bambusrohr als Schwimmer. Die Breite einer Paraw ist mit über zwölf Metern größer als ihre Länge! Das gilt bei Mehrrumpfbooten als extreme Plattform.

Die Besegelung einer Paraw besteht aus einem Groß an einer Steilgaffel und einem stark ansteigenden Baum in der Form eines Krebsscherensegels sowie einer kleinen Fock. Die Segel haben keinen richtigen Schnitt und sind aus Haushalts- oder Planenstoffen gefertigt. Umso beeindruckender ist es, die Crews einer Paraw zu beobachten. Es sind zwei oder drei Jungs, die jahrelang jeden Tag von der Hauptinsel Panay zur kleinen Touristeninsel Boracay segeln, dort ihr Geld verdienen und abends wieder zurückfahren. Die Paraws sind auf Halbwindkurs extrem schnell, wären für Josie und mich aber zu groß und zu schwer, vor allem um das Boot auf den Strand ziehen zu können.

Das Boot ist höchst simpel gebaut und fast nicht ausgestattet. Batterie, Solarzellen und einen Kühlschrank leisten wir uns als einzigen Komfort.

Wir sind in einer Bambushütte ein paar Fußminuten am Strand entlang untergekommen und haben das unbeschreibliche Vergnügen, jeden Tag zu Ariel und den anderen am Bauplatz zu laufen und die Entstehung unseres Bootes zu verfolgen.

Und eine halbe Kokosnussschale mit Kupfernägeln

Am ersten Tag wird der Kiel aus einem einzigen ausgehauenen Stück Lawaan, auch philippinisches Mahagoni genannt, aufgepallt. An seinen Enden sind Steven und Achtersteven mit einer Hakenschäftung samt Keilschloss verbunden. Sie bestehen aus Molave, einem sehr beständigen heimischen Tropenholz. Am zweiten Tag sind drei Hauptspanten aufgestellt und an einer Schnur ausgerichtet.

Die Balkweger bestehen aus geschäfteten Leisten, ebenfalls aus Lawaan. Hier arbeiten sie sehr fachmännisch, und ich bewundere die Geschicklichkeit von Ariel und seinem Bruder unter den örtlichen Umständen. Sie müssen mit den einfachsten Handwerkzeugen auskommen, wie es bei uns undenkbar wäre. Kein Arbeitstisch, nichts zum Einspannen, nur eine Handsäge, zwei Stemmeisen, ein Hammer, eine Zwinge, ein Metermaß, ein Bleistift und eine halbe Kokosnussschale mit Kupfernägeln. Aber ein, zwei Spachtel sind auch noch vorhanden, denn heutzutage werden sogar hier alle Verbindungen zusätzlich mit Epoxid verklebt. Am dritten Tag sind bereits alle Spanten mit Schlitz-Zapfen-Verbindungen in den Kiel eingesetzt und in die Balkweger eingelassen.

Diese werden jetzt an den Enden mit Seilen nach oben gespannt, sodass wir zum ersten Mal den ausgeprägten Sprung unseres Bootes bewundern können. Am vierten Tag regnet es tropisch, weshalb nicht gearbeitet werden kann und alles vollständig nass wird. Während ein europäischer Bootsbauer darüber die völlige Krise bekommen würde, kümmert das durchnässte Holz hier niemanden. Bereits am fünften Tag werden die ersten Sperrholzplatten, fünf Millimeter stark, an die Rumpfseiten genagelt.

Rituelles Opfer eines Huhns zur Taufe eines Banka

Als wir nach einem Heimaturlaub nach Panay zurückkommen, ist unser Boot so gut wie fertig. Wir installieren Solarzellen, Batterie und einen kleinen Kühlschrank, kaufen einen geschweißten Stockanker, wie er hier ausschließlich verwendet wird. Vor allem aber riggen wir mein mitgebrachtes Rahsegel mit Fall und Brassen an unserem Bambusmast. Ein philippinischer Künstler malt gekonnt den Namen unseres stolzen Bootes an die Rumpfseiten: „Libelle“. Leichtgewichtig, schwebend, flink und farbenprächtig sind Attribute, wie wir sie unserem Boot wünschen.

Vor dem Stapellauf steht aber noch die philippinische Art einer Bootstaufe bevor. Da muss der moderne Mensch durch. Denn zur Taufe eines Bootes wird ein weißes Huhn rituell geopfert, und die wichtigsten Stellen des Bootes werden mit seinem Blut vor Unheil bewahrt. Ich erkläre mich unter der Bedingung einverstanden, dass das Huhn nachher auch verspeist wird.

Nach der archaischen Tat mit gemurmelten Beschwörungsformeln klebt Blut vor allem an Motor, Kiel und Vorsteven. Dann schieben wir das Boot bei starkem Wind in die See. „Libelle“ stampft und fliegt über hohe Wellen. Ariel ist noch nicht ganz zufrieden. Zurück am Strand biegt er die schnell ausgebaute Propellerwelle zwischen zwei Felsen zurecht, um eine Unwucht zu entfernen, und drückt die Propeller-blätter in eine etwas geringere Steigung. Das Verrückte ist, dass nach diesen Einstellungen, bei denen jeder Mechaniker entweder die Hände über dem Kopf zusammenschlagen oder einen Lachanfall bekommen würde, tatsächlich eine Verbesserung eingetreten ist. Dann bereitet Ariel unser Taufopfer in einer Sauce mit Zwiebeln und viel Zitronengras zu. Es schmeckt vorzüglich.

Von den lokalen Fischern lernen

Wir setzen uns in den Windschatten am Strand, blicken auf das stürmische Meer, im Kopf eine Mischung aus freudiger Erwartung und mahnender Vorsicht. Die Philippinen sind kein einfaches Revier! Am nächsten Tag packen wir unsere Ausrüstung an Bord: Zelt, eine Matte aus Bananenblättern, etwas Proviant, Kochutensilien und meine Wingfoil-Ausrüstung. Wir schieben „Libelle“ ins Wasser, ziehen sie am zuvor ausgebrachten Anker in tieferes Wasser.

Über das vorgelagerte Korallenriff geht es an der tiefsten Stelle hinaus in die Wellen. Ich drehe ab vor den Wind und an der Küste entlang. Nach dem Kap von Caticlan sind wir in ruhigerem Wasser. Wir kommen an einen schönen, breiten Strand, wo wir bleiben wollen. Wieder muss man erst eine Passage über das Riff finden, dann den Anker übers Heck auswerfen, den Motor stoppen und mit der Bugleine an Land springen, wo man an einer Palme festmachen kann.

Wir sind glücklich, unsere erste kurze Fahrt gemeistert und einen guten Platz gefunden zu haben. Mit langen Leinen und einer starken Talje ziehen wir „Libelle“ ganz auf den Strand. Abends liegen wir im Zelt und blicken hinaus aufs Meer und zur Westküste von Boracay hinüber. Man könnte meinen, dass man nach über 40 Jahren Segelerfahrung, Zigtausenden Meilen einhand und in kleinen Booten, drei Atlantiküberquerungen und einigen Extremreisen mit allen Wassern gewaschen wäre. Doch dem ist nicht so! Ich muss viel Neues lernen, und gerade das ist das Wichtige, das Schöne, das Herausfordernde. Von den Fischern hier kann man sich viel abschauen, und je mehr man versucht, es ihnen gleichzutun, desto mehr ist zu erkennen, wie viel Härte und Geschicklichkeit ihnen in ihren kleinen Bankas abverlangt wird.

Mit kleinem Boot auf eigene Faust unterwegs

Die nächsten Tage motoren wir immer wieder gegen den Wind hinaus, drehen „Libelle“ dann vor den Wind, stoppen den Motor und testen unser Rahsegel. Auch das ist etwas ganz anderes: Man kann nicht in den Wind drehen oder den Druck aus dem Segel nehmen. Der Wind drückt ins Segel, und das schnittige Boot saust sofort los. Die Bambusausleger haben allerdings nicht so viel Auftrieb, dass sie eine Kenterung wirklich vermeiden können. Sie tauchen schnell ein und unter, und bei einer plötzlichen Böe ist Vorsicht angebracht. Deshalb habe ich ein kleines Holzstück als Knebel so in das Fall eingesetzt, dass ich es mit einem Zug an Reißleine und Knebel blitzschnell loswerfen kann, worauf die obere Rahe bis knapp über Deck herunterrauscht.

Ein herrlicher Vorteil eines Rahsegels ist jedoch, dass es keine Patenthalsen gibt. Man kann unbesorgt und ohne zur Seite zu gieren platt vor dem Laken segeln. Wenn ich die Rahen brasse, soll heißen, die Schoten dichthole, können wir bis auf Halbwindkurs anluven. Unser Boot ist aber auch für die Philippinen sehr ungewöhnlich. Paraws haben niemals einen Motor und Bankas haben niemals Segel. Wir sind da so eine Mischung aus beidem. Das bedingt auch, dass wir ein Ruder in der Art der Paraws haben, das jedoch kleiner ausgefallen ist, weil unter dem Ruder noch die Propellerwelle nach achtern ragt. Unsere „Libelle“ reagiert auf Ruderausschläge mit der Trägheit eines Öltankers, was sehr gewöhnungsbedürftig ist.

Heiß ist es Tag wie Nacht, Moskitos stören. Die Nacht im Zelt ist tropisch. Aber am nächsten Morgen freust du dich, sitzt mit einer Tasse Kaffee zusammen am Strand. „Libelle“ schwimmt vor uns, und das Gefühl sagt: Bereit für die nächste Überfahrt!

Wir segeln zur großen Insel Tablas, verbringen wieder wunderbare Tage an den Stränden. Auf den Philippinen unternimmt niemand eine Reise mit einem kleinen Boot. Es gibt Fähren und es gibt Islandhopping in den touristischen Gebieten, aber mit einem kleinen Boot auf eigene Faust unterwegs zu sein, das kennt man hier nicht. Die Fischer fahren immer nur in ihrem Gebiet auf die See. Und noch etwas: Eine Frau an Bord, die zudem steuert, das gibt es hier schon zweimal nicht!

Motor des Banka ist auf das Wesentliche reduziert

Auf der Insel Sicogon packen wir morgens unser Zelt und die Ausrüstung in wasserdichte Säcke, tragen sie im hüfthohen, über 30 Grad warmen Wasser an Bord und klettern über die Bambusausleger auf unsere „Libelle“. An Leinen drehen wir das Boot herum, sodass wir mit dem Bug zum Anker zeigen. Ich knie an Deck, schiebe die Luke zum Motor auf, drehe ihn von Hand etwas über den Totpunkt, stelle die Angelschnur zum Gashebel ein, lege die Leine um das Schwungrad, richte mich auf, gehe etwas in die Knie, blicke zu Josie, die am Bug bereit ist, den Anker aufzuholen. Dann ziehe ich mit dem ganzen Körper die Leine nach oben. Man muss alles richtig machen, sonst dreht der Motor in die falsche Richtung, das kann der nämlich auch!

Der per Hand zu startende Motor ist auf das Wesentliche reduziert. Getriebe, Auspuff, Wellenlager, Filter gibt es nicht. Aber er funktioniert immer.

Es gibt keinen Dieselfilter, keinen Ölfilter, keine Lichtmaschine, null Elektrik, der Motor ist luftgekühlt und hat auch keinen Auspuff, nur den Krümmer. Weiter gibt es kein Getriebe, keine Stopfbuchse und kein Wellenlager, auch keine Wellendichtung, nur ein langes Stück Rohr, in dem die Welle läuft. Und schon knattert er los. Josie holt den Anker auf. Der Stockanker funktioniert umwerfend gut, findet immer Halt, in Felsen wie in Sand. Schnell nehme ich das Gas zurück, und wir verlassen den herrlichen Sandstrand. Und so ziehen wir von Insel zu Insel, ein Traum!

​Technische Daten des Banka “Libelle”

  • Rumpflänge: 9,80 m
  • Breite Mittelrumpf: 0,98 m
  • Breite mit Auslegern: 5,60 m
  • Länge der Ausleger: 9,00 m
  • Tiefgang: 0,30 m
  • Gewicht: 0,5 t
  • Großsegel: 15 m²
  • Segeltragezahl: 4,9
  • Maschine: 18 PS

Meistgelesen in der Rubrik Yachten