Heiße Segelaction, kaum Kentergefahr: Die VX One verbindet die Dynamik einer Skiff-Jolle mit der Sicherheit eines Kielbootes. Das 2011 vom US-Amerikaner Brian Bennett entworfene Sportboot richtet sich an ambitionierte Freizeitsegler ebenso wie an Regattaprofis. Jetzt mit internationalem Status.
Seit ihrem Debüt hat die Kieljolle VX One mit modernem, flachem Rumpf und markanten Chines vor allem durch ihr Leistungspotenzial auf sich aufmerksam gemacht. Die VX One wird von Ovington und Mackay Boats gebaut, zwei Werften mit viel Erfahrung im olympischen Hochleistungssegment.
Die VX One ist komplett aus Epoxid-Glasfaser mit Airex-Schaumkern gefertigt und hat an besonders belasteten Partien Kohlefaserverstärkungen. Das erklärt das äußerst geringe Gewicht von nur 260 Kilogramm bei 5,79 Meter Länge, darin schon eingerechnet der 80 Kilogramm schwere Kiel mit Bleibombe. Dieser wird mittels einer Bodenplatte und vier Schrauben in abgesenkter Stellung fixiert und ist über eine Talje am Großfall mit wenigen Handgriffen geliftet. So lässt sich die Kieljolle auch problemlos slippen.
Großbaum, Bugspriet und Mast sind aus Carbon und kommen von Southern Spars, der Mast ist mit einem Salingspaar und ohne Achterstag versteift. Die Oberwanten lassen sich per Hand verstellen, sodass auch während des Segelns auf veränderte Windbedingungen reagiert werden kann. Die Trimmeinrichtungen beinhalten alles, was gebraucht wird: Die Großschot ist achtern an einer verstellbaren Hahnepot befestigt und läuft unter dem Baum zur Mitte, wie beim 49er. Sie kann so vom Steuermann oder Vorschoter bedient werden, ohne dass ein Fußblock am Cockpitboden stört.
Ein Gnav, ein Baumniederdrücker, hält den vorderen Bereich frei, sodass auch weniger agile Segler leicht den Seitenwechsel vollziehen können. Die Fock ist selbstwendend ausgeführt, der Gennaker wird über ein Ein-Leinen-System gesetzt und geborgen, bei dem der Gennakerbaum nicht extra bedient werden muss, sondern automatisch ein- und ausfährt. Die VX One ist als strikte Einheitsklasse konzipiert, ein Gewichtslimit für die Crew gibt es aber nicht. Das ideale Gesamtgewicht liegt zwischen 180 und 220 Kilogramm, es kann also mit drei leichteren Personen oder zwei Schwergewichten gesegelt werden. Der Segelmacher ist frei wählbar.
Bei Böen bis 6 Beaufort zeigte sich, dass die Hamburger Außenalster für dieses Boot viel zu klein ist – jedenfalls, wenn man Gleitfahrten unter Gennaker mit zwölf Knoten und mehr genießen will; viel zu schnell ist da das andere Ufer erreicht. Die breite, flache Form des Rumpfes achtern mit ausgeprägten Chines verleiht dem Boot raumschots viel Stabilität und ermöglicht zugleich ein schnelles Angleiten.
Zwar wirkt der 26-Quadratmeter-Gennaker zunächst nicht sehr groß, gerade in starken Böen jedoch ist er mehr als ausreichend und zieht das Boot mühelos hinter sich her. Bei konstanten Starkwindbedingungen, nicht nur in Böen in der Hamburger Innenstadt, soll die VX One auch bis zu 20 Knoten erreicht haben. Zwischenzeitlich wurde auch mit einem großen Masttop-Gennaker gesegelt, dieser wurde aber nun mit dem internationalen Status gestrichen.
Hoch am Wind muss sich die Crew zwischen einem Modus mit viel Höhe und relativ dichten Segeln und einem tieferen Kurs entscheiden. Auf der nie sehr welligen Alster schien der Kneif-Modus mit rund sechs Knoten Speed der bessere, die VX One soll jedoch auch an der Kreuz gleiten können. Dabei kann die Crew alles geben und ausreiten oder es sich mit einer Pobacke über der Kante bequem machen – der Kiel hilft bei stärkeren Lagen zurück in die Senkrechte.
Mit einem Komplettpaket aus Boot, Rigg und Segeln liegt die VX One im Bereich hochwertiger Sportboote, je nach Ausstattung und Anbieter heute bei knapp 50.000 Euro, vor zehn Jahren zum Testzeitpunkt waren es noch inklusive Trailer rund 30.000 Euro. Die Preise für die wenigen auffindbaren Gebrauchtboote liegen zwischen 25.000 und 35.000 Euro, je nach Alter und Ausstattung.
Die VX One zeichnet sich durch einen breiten Einsatzbereich aus. Die Kombination aus Leistung, vergleichsweise einfachem Handling und robustem Bau macht die VX One für Umsteiger aus Jollenklassen attraktiv, die mehr Stabilität, aber kein „kleines Fahrtenboot“ suchen.
Wegen der erhöhten Kentersicherheit und der Möglichkeit, auch mit geringem körperlichem Einsatz segeln zu können, also nicht zwingend ausreiten zu müssen, eignet sich die VX One auch für den kurzen Trip am Wochenende mit Familie oder Freunden.
Noch ein Wort zur Kentersicherheit: Die Kieljolle kann kentern. Ein Video aus dem Jahr 2013 zeigt jedoch, dass sie sich dabei, unter Vollspeed mit Gennaker, nur etwa 90 Grad auf die Seite legt. Obwohl niemand oben auf der Kante sitzt. Nach kurzer Zeit richtet sich das Boot im Video wieder auf, ohne aktives Zutun der Crew. “Auch 180 Grad Kenterungen sind möglich. Aber nur, wenn man alle seine seglerischen Instinkte ignoriert”, sagt Iris Kamml, Vorsitzende der deutschen Klassenvereinigung. Soll heißen: Bei einsetzender Lage die Schot nicht fiert und sich nicht auf die hohe Kante begibt. Dann mehr das Boot kieloben eine stabile Schwimmlage ein, aus der es jedoch wie jede Jolle mittels Grewgewicht am Kiel zu bringen und aufzurichten sei.
Angesprochen werden aber vor allem Segler, die eine moderne, strikte Einheitsklasse suchen, in der der Fokus klar auf seglerischem Können und Taktik liegt, in der also echte Vergleichbarkeit gegeben ist.
Ein Trapez gibt es laut Klassenregeln nicht. Jedoch kann der Mast mit Trapezvorbereitung geordert werden. Denn zum Spaß wird sehr wohl trapezt, so Iris Kamml. “Das macht einfach noch einmal mehr Spaß, sogar zu zweit. Wenn wir Regatten segeln, fragen wir vorher jeden Teilnehmer, ob er mit oder ohne Trapez segeln möchte. Wenn alle mit möchten, segeln wir mit, wenn auch nur einer ohne möchte, segeln alle ohne.” Mit drei Personen als Crew und Trapez sollen dann bei Starkwind auch bis zu zehn Knoten Speed an der Kreuz möglich sein. Bei internationalen Regatten wird ohne Trapez gesegelt.
Der Einheitsklassencharakter und die Verbreitung auf mittlerweile fast jedem Kontinent haben dazu geführt, dass die VX One vom Welt-Segelverband World Sailing im Dezember 2025 als internationale Klasse anerkannt wurde. Diese Einstufung setzt eine aktive Klassenvereinigung, formale Klassenregeln und nachweislich starke Regattaaktivität auf mehreren Kontinenten voraus.
Mit dem internationalen Status ist die VX One nun berechtigt, von World Sailing sanktionierte Weltmeisterschaften auszurichten und offiziell ernannte Wettfahrtleiter und Offizielle einzusetzen. Die Klassenvereinigung bereitet bereits die erste Weltmeisterschaft vor, die für Anfang 2027 geplant ist, mögliche Austragungsorte werden derzeit geprüft.
Weltweit wurden bisher rund 400 Boote gebaut. Die meisten, rund 250, segeln in den USA, erst 18 in Deutschland. Zu Regatten treffen sich hierzulande regelmäßig etwa zehn Crews.
Die deutsche Klassenvereinigung bietet Interessierten Probesegeln an.