Man kann sich kleinere Herausforderungen aussuchen. Aber es gibt auch kleinere Werften. Streng genommen sind alle Hersteller von Jollen kleiner als RS Sailing. Warum als Weltmarktführer also nicht einen anderen Weltmarktführer angreifen – und nebenher noch ein bisschen die Welt retten?
Das in etwa ist es, was die Briten mit der RS 21 vorhaben – einer Konstruktion ausschließlich zum Schnell- und Wettsegeln. Sie ist mutig, wenn nicht gar frech gegen das seit Jahren meistverkaufte Sportboot positioniert: die J/70 von J/Boats. Keine andere Yachtwerft hat seit 2012 nur annähernd so viele Boote eines Typs produziert.
Die RS 21 soll daran anknüpfen. Wie die J/70 ist sie als Einheitsklasse fürs Club- und Liga-Segeln konzipiert. Doch sie kommt recht spät. Denn die meisten nationalen und internationalen Serien werden auf der zwei Fuß längeren Erzrivalin ausgetragen, die sich in einem ohnehin schon recht gut besetzten Marktsegment längst als De-facto-Standard etabliert hat.
„Wir wissen, dass es nicht leicht wird“, sagt Michiel Geerling, bei RS Sailing zuständig für die Entwicklung des Europamarktes. „Deshalb haben wir lange und hart gearbeitet, um eine echte Alternative zu bieten.“ Tatsächlich ist die RS 21 keine bloße Kopie. Im Gegenteil: Sie positioniert sich zwar vom Grundkonzept her nahe genug an der J/70, um in deren Revier zu wildern, bleibt dabei aber erfreulich eigenständig und erfrischend innovativ.
Das beginnt schon beim Bau, der in höherem Maß Umweltaspekte berücksichtigt, als das bei jeder anderen Großserienwerft derzeit der Fall ist. Der 6,34 Meter lange, im Vorschiff nicht eingedeckte Rumpf entsteht als GFK-Sandwich im Vakuum-Infusionsverfahren – wie viele moderne Sportboote heute. Doch damit enden die Üblichkeiten.
Denn RS Sailing verwendet ein Vinylesterharz mit hohem Bio-Anteil, das partiell aus Abfallprodukten der Landwirtschaft gewonnen wird. Der innenliegende Schaumkern besteht aus recycelten PET-Kunststoffflaschen. Und auch die Folie, die zum Verdichten des Laminats unter Vakuum dient, ist wiederverwendbar.
Selbst bei der Auslieferung achten die Briten auf die Umwelt: Statt die RS 21 in Plastik zu hüllen, wird sie von einem Baumwolltuch geschützt; Beschläge und Ausrüstung reisen in Kartons zum Kunden. „Wir wissen, dass nicht alles, was wir machen, perfekt ist“, sagt Michiel Geerling. „Aber wir versuchen, uns ständig weiterzuentwickeln.“
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Folglich kam für das nur 650 Kilogramm verdrängende Boot auch kein Verbrennungsmotor in Frage. Wer einen Hilfsantrieb benötigt, erhält gegen Aufpreis einen Torqeedo Travel 1003 samt 530 Ampere Lithium-Ionen-Akku. Dessen Leistung entspricht in etwa einem 3-PS-Außenborder.
Der Clou: Statt am Heck zu hängen, sitzt das Aggregat in der Mitte der Plicht in einem Schacht, wo es zum Segeln und für den Trailertransport komplett aufholbar ist. Die Batterie steht für optimalen Gewichtstrimm weiter vorn im Rumpf; der Fahrhebel samt Restreichweiten-Anzeige versteckt sich in einem Rezess der Trimmkonsole im Cockpit – gut geschützt vor Leinen und unbeabsichtigten Fußtritten.
Bei Volllast loggten wir mit dem E-Motor im Test knapp 5 Knoten Fahrt; so kommt man dann allerdings nur etwa 3 Seemeilen weit. Bei 3 Knoten soll der Torqeedo dagegen Schub für rund 10 Meilen liefern. Damit lässt sich die RS 21 auf Binnenrevieren ohne Ausnahmegenehmigung betreiben.
Auch für den Transport auf der Straße hat RS Sailing eine smarte Lösung entwickelt. Rumpf und Deck sind so konstruiert, dass sie sich nach der Demontage weniger Teile ineinander stapeln lassen. Das erscheint insbesondere für die Veranstalter von Liga-Events und größeren Clubregatten interessant, weil ein Mittelklasse-Pkw so problemlos zwei RS 21 an den Haken nehmen kann. Auch das letztlich ein Beitrag zum Umweltschutz, dem nicht nur vom Welt-Seglerverband große Bedeutung beigemessen wird, sondern auch von immer mehr Vereinen und Aktiven.
Wie die Bilder belegen, erinnert das Boot ansonsten mitnichten an alternative Lebensformen. Dankenswerterweise hat die Werft ihren Öko-Anspruch sehr ansehnlich verpackt. Die RS 21 wirkt mit ihrem vorn tief gezogenen Decks-Chine und dem negativen Steven topmodern, ja geradezu radikal. Dabei soll sie das eigentlich gar nicht sein.
„Sie ist kein reinrassiges Sportboot für top-ausgebildete Kadersegler“, betont Michiel Geerling. Vielmehr soll sie auch für den Schulungsbetrieb und für Fun-Regatten eingesetzt werden können. Daher ist sie relativ gutmütig ausgelegt. Zum einen verfügt sie über viel Formstabilität und aufrichtendes Moment (Ballastanteil: 47 Prozent); zum anderen sind ihre Anhänge moderat geformt, mit einem nicht zu extremen Streckungsverhältnis, sodass sie schon bei langsamer Fahrt gute Kontrollierbarkeit vermitteln.
Man würde ihr freilich grob unrecht tun, bezeichnete man sie als Schaf im Wolfspelz. So weit reicht die Verbindlichkeit des Designs wahrlich nicht. Das erahnt schon, wer die Klaviaturen an Streckern studiert, die hinter dem Mastfuß und beidseits der Trimmkonsole im Cockpit bereitstehen. Sie ermöglichen vielfältige Feinjustierungen. Außer dem Gängigen wie Achterstag, Baumniederholer sowie Vor- und Unterliekstrecker fürs Groß lässt sich an der RS 21 auch die Vorliekspannung der Fock über Fall und Cunningham einstellen.
Die endlos gefahrene Großschot besitzt sogar zwei Fußblöcke – einer vor, der andere achtern des Podests, in dem der Torqeedo-Motor steckt. So können Trimmer und Rudergänger etwa in einer Halse gemeinsam das Segel dichtnehmen und wieder fieren, was schnellere Manöver ermöglicht, während die Funktionen sonst getrennt ausgeübt werden. Beim Test erwies sich die Leinenführung allerdings als teils schwergängig. Insbesondere die dreifach umgelenkten Gennakerschoten waren unter Druck nur mit viel Kraft zu holen.
Die RS 21 stand uns zwei Tage lang im Schärenrevier vor Orust in Westschweden zur Verfügung – bei leichten bis mittleren Bedingungen. Dabei zeigte sie vor allem an der Kreuz bestechende Segeleigenschaften.
Selbst bei 12 bis 15, in Böen bis 18 Knoten Wind konnte sie problemlos Vollzeug tragen, lag leicht und dennoch mitteilsam auf dem Ruder. In der One-Design-Ausführung mit Mylar-Segeln erreichte sie im Mittel 6,0 Knoten bei etwas über 80 Grad Wendewinkel – ein sehr guter Wert.
Auch raumschots unter 40 Quadratmeter großem Topp-Gennaker erwies sie sich als flink: 12 Knoten in der Spitze und 9 bis 10 Knoten über weite Strecken bei allürenfreien Manieren – das passt. Zwar ließ sie etwas Explosivität und Leichtigkeit vermissen. In einer Einheitsklasse aber spielt das nur eine untergeordnete Rolle, weil alle Crews mit identischem Material unterwegs sind.
Reicht das, um die allgegenwärtige J/70 vom Thron zu holen? In der Summe ihrer Eigenschaften hat die RS 21 durchaus Chancen, zumal sie gut zehn Prozent günstiger ist.
Durchdachter One-Design-Ansatz
Innovative Details
Agil, schnell, recht steif
Leinenführung schwergängig
Gut gelöster E-Antrieb (Option)
Einfache Beschläge/Leinen
GFK-Sandwich mit Anteilen von Recycling-Material im Schaumkern.
RS Sailing Deutschland, E-Mail: info@rssailing.de
Der Test erschien zum ersten Mal 2019 und wurde für diese Onlineversion überarbeitet.