Motten-RefitGünstig Foilen? Hightech im Selbstbau – das geht!

Max Gasser

 · 22.10.2024

Foilende Motten sind schnell und spektakulär, aber trotz ihrer Größe längst nicht günstig
Foto: YACHT/Ben Scheurer
Foilen ist in Segel-Deutschland in aller Munde, nicht erst seit dem eigenen SailGP- und America’s Cup-Team. Auch zahlreiche Amateure heben in ihrer Freizeit ab. Die Motten-Klasse ist dabei seit Jahrzehnten Vorreiter, aber die Boote sind extrem teuer. Viel lässt sich sparen, wenn man selbst Hand anlegt

Seit ihrem Aufkommen in den 1930er Jahren hat sich die Motten-Klasse zu einer der spektakulärsten und technologisch innovativsten Segelboote überhaupt entwickelt. Ursprünglich aus der gleichen Konstruktionsregel wie die später olympische Europe konzipiert, ist die Motte heute eine Hochgeschwindigkeitsrennmaschine, die mit Hydrofoils über das Wasser schwebt. Am Steuer der flinken Falter sind häufig nicht nur Athleten, sondern auch Tüftler und Visionäre, die ständig an den Grenzen der Physik rütteln.

Doch gerade dieser enorm schnelle technologische Fortschritt und die zunehmende Professionalisierung scheint der Klasse an anderer Stelle immer mehr zuzusetzen. Die nur 3,35 Meter langen Jollen kosten vollausgerüstet heutzutage gerne über 45.000 Euro. Nachwuchs für die Klasse ist daher, trotz der großen Faszination des Fliegens und für Geschwindigkeiten jenseits der 30 Knoten, rar.

„Ich kenne viele Leute, die echt Bock auf die Klasse hätten, aber sagen, dass die Boote viel zu teuer sind“, sagt Merlin Moser, neuer Präsident des Deutschen Moth Verbands (DMV). Selbst hat er bereits drei der filigranen Falter konstruiert und gebaut. Angefangen hat das bereits zum Ende der Schulzeit des heutigen Ingenieurs, als das Budget für ein gutes Boot noch zu knapp war. Erfahrung oder sogar eine Ausbildung im Bootsbau hatte er damals nicht. „Ich hatte mal eine alte Jolle von dem Freund meiner Tante geschenkt bekommen, an der ich ein bisschen selbst laminieren konnte“, so Moser. Die Bereitschaft zum Basteln setzte sich daraufhin an zwei gebraucht gekauften Fluggeräten weiter fort, bis es schließlich zum Eigenbau kam. Der 28-Jährige ist überzeugt: „Wer in diese Richtung Low-Budget irgendwas macht, muss auch selbst Hand anlegen!”

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Viele Segler trauen sich das nicht sofort zu. Selbstbauer Merlin Moser motiviert allerdings genau dazu: „Ich glaube, hauptsächlich braucht man etwas Geschick und sehr viel Durchhaltevermögen. Die Informationen, um ein solches Projekt umzusetzen, gibt es in Büchern im Internet. Andere Bastler helfen ebenfalls.“ Und das meist problemlos und gerne – Hilfsbereitschaft zeichne die Klasse aus. Und zwar ganz egal, ob es um Wissen, Material oder Werkzeug geht. Egal, ob Segler mit Olympia-Erfahrung oder blutiger Anfänger.

Finanziell wirklich interessant werde es ohnehin eher, wenn man auf einen vollständigen Neubau verzichten und stattdessen ein bestehendes Boot aufbereiten würde. Denn unterhalb der Top-Designs hat der Gebrauchtbootmarkt einige Schnapper zu bieten, wenn man aufmerksam nach ihnen sucht und zum richtigen Zeitpunkt die Chance ergreift.

Selbstversuch Motten-Refit: Kann man mit niedrigem Budget konkurrenzfähig sein?

Der rohe Rumpf einer Maguire Exocet Motte erreicht an einem sonnigen Dienstag im Juni 2023 sein Ziel am Ratzeburger See. Ohne Lack und stattdessen in Camouflage-Optik von Carbon und Spachtel, gleicht der schmale Schwimmkörper mehr einer der gleichnamigen Raketen als einem Boot. Die Rumpfnummer 4515, mutmaßlich 2018 gebaut, war bei einem Sturm in Hong Kong durch den Hafen geflogen. Sie ging dann als Versicherungs-Schaden zurück zum Hersteller, wo das Boot wieder aufbereitet wurde. Werftchef Simon Maguire verkaufte das Boot an einen der verbliebenen Tüftler. Dieser setzte sein Projekt allerdings nie um, der Rumpf blieb stattdessen unangetastet für zwei Jahre in der Garage.

Kaufobjekte mit einer derartigen Historie sind in der Regel zwar immer etwas risikoreich, allerdings meist eine große Chance, um für vergleichsweise günstiges Geld mit etwas Arbeit an das gewünschte Ziel zu gelangen. Die 4515 ging nach kleineren Verhandlungen für rund 4.500 Euro über den Tresen. Im Paket inkludiert: Rigg samt Segel, zwei Bugspriets, eine unfertige Ruderaufhängung (Gantry) und Slipwagen. Auch wenn sich ein Großteil der zusätzlichen Teile später als nicht optimal herausstellen sollten, können diese problemlos einzeln wieder verkauft werden.

Auch im weiteren Verlauf der Shopping-Tour auf dem Gebrauchtboot-Markt erwies es sich als äußerst, nützlich ganze Pakete zu schnüren. Verkäufer sind häufig gewillt, deutliche Rabatte zu gewähren, um die Teile unkompliziert loszuwerden, außerdem werden in der Regel Versandkosten gespart. Wenig später gingen also Haupt- und Ruderfoil sowie ein geknickter Baum und eine Gantry aus Österreich auf die Reise: 2.600 Euro. Zum Vergleich: Ein einziges Foil gewisser Hersteller kann selbst gebraucht bis zu 4.000 Euro kosten.

Auf Schnäppchenjagd nach Hightech-Teilen

Um die Hauptbestandteile einer Motte zu komplettieren, ging es schließlich auf die Suche nach den passenden Wingbars, die Ausleger, auf denen man sitzt und ausreitet, sowie den dazugehörigen Trampolinen. Leichter gesagt als getan, denn die auf der 4515 verbaute Konstruktion wurde nur kurze Zeit produziert, entsprechend rar sind die Teile auf dem Markt. Zumindest das Gestänge ließ sich jedoch von einem erfahrenen deutschen Motten-Segler erwerben. Der Preis wurde mit 400 Euro allerdings erst so richtig unschlagbar, als Werftchef Simon Maguire kostenlos Trampoline aus England versendete, als er vom Projekt hörte.

Einfach Teile kaufen und zusammenstecken funktioniert bei Motten in aller Regel nicht. Stets müssen die Komponenten nochmals eingepasst, verstärkt oder leicht modifiziert werden. Teilweise aufgrund von Ungenauigkeiten, Modellevolutionen oder auch als Vorsichts- oder Optimierungsmaßnahme. Nur wenige Segler können es sich allerdings leisten, alle Arbeiten an Profis abzugeben. ­­­­­Einzelne auch etwas größere Arbeiten können und müssen selbst übernommen werden, um den Kostenrahmen nicht zu sprengen.

Eher Rakete als Boot: So erreichte die Motte ihr neues Heimatrevier am Ratzeburger See
Refit-Arbeiten im Detail zum Durchklicken

Kieler Bootswerft unterstützt Motten-Refit

So auch bei den Arbeiten an der 4515, die später auf den Namen “Schnegge” getauft werden sollte. Neben der großflächigen Verstärkung des Rumpfs am Ansatz der hinteren Ausleger, musste unter anderem ein Teil zur Flughöhenkontrolle stark modifiziert werden. Der Neubau des Teils hätte in diesem Fall wohl ähnliches Ausmaß gehabt. Genaueres zu den Bauschritten ist in den Bilderstrecken in diesem Artikel zu finden.

Neben anderen erfahreneren Mottenseglern und -selbstbauern war auch der junge Kieler Bootsbaubetrieb Bottsand Bootsbau eine wichtige Stütze des Projekts. Für zwei Wochen konnte so in einem nahezu perfekten Werkstattumfeld mit der Hilfe von Profis am Rumpf gearbeitet werden. Zuvor musste eine nicht mit Strom und Wärme versorgte Winterlager-Halle als Werkstatt dienen, Laminierarbeiten mussten daher im Winter andernorts erledigt werden. Lackieren wäre schlichtweg nicht möglich gewesen.

Anders in einem beheizten und in diesem Fall auch professionell ausgestatteten Gebäude. Auch darüber sollte man sich vor derartigen Projekten im Klaren sein. Die Arbeiten im in der Halle der Werft aufgebauten Lackierzelt beendeten den kargen Anblick der Refit-Motte und verhalfen zu neuem Glanz. Dafür musste der Rumpf zunächst gespachelt und geschliffen werden. Generelles Ziel ist es eine möglichst glatte Oberfläche bei möglichst geringem Gewicht zu erzeugen.

Lackierung verhilft Motte zu neuem Glanz

Vor der ersten Lackschicht: Noch lässt sich das Endergebnis nicht erahnen
Foto: YACHT/M. Gasser

Dafür wurden daraufhin zwei Lagen von Internationals Epoxid-Polyamidprimer Interprotect mit der Rolle aufgetragen. Da auch dieser Arbeitsschritt auf die Gewährleistung einer glatten Oberfläche abzielt, wurde ein Großteil dieser Grundierung daraufhin wieder abgetragen. Erneutes Spachteln kleinerer Stellen und Pinholes machte den Rumpf dann bereit für die nächste Lackschicht.

Und damit war erstmals eine Pistole vonnöten, um Awlgrips Quick Build, laut Hersteller ein Hochleistungsyachtprimer-System, aufzubringen. Um die Verarbeitung beim Finish zu erleichtern, wurden beide Lagen in einem Grauton gesprüht, der sich damit vom Endlack in weiß abhebt.

Erneut war intensives, aber vorsichtiges Schleifen gefordert, um das Gewicht niedrig und die Oberfläche optimal zu gestalten. Schlussendlich konnte dann gefinished werden. Nichts geringeres als Awlgrip HDT (High Definition Technology) sollte die Oberfläche der Refit-Motte zum Glänzen bringen. Das Highend-Produkt überzeugt darüber hinaus auch mit einer enormen Härte und Kratzfestigkeit und vergleichsweise guter Reparierbarkeit.

Fazit: Hat sich das Low-Budget-Projekt gelohnt?

Nach schlappen zwei Wochen in der Werft musste das Fluggerät nun also “nur noch” zusammengesteckt werden. Nicht nur war das aufgrund einiger Kleinigkeiten leichter gesagt als getan, sondern auch an einigen neuen Teilen war vorab kein Vorbeikommen. Sowohl Blöcke samt Spezialteilen von Bootshersteller Maguire, als auch das Tauwerk wurden also frisch bestellt. Ein nicht zu unterschätzender Kostenpunkt, denn die Lasten auf die meist dennoch sehr kleinen Teile sind enorm. Und auch hier kommen zahlreiche Arbeitsstunden hinzu, die man anfangs gerne unterschätzt. Lange Lieferzeiten beispielsweise aus dem Vereinigten Königreich erschweren die Arbeit zudem, bis das Segel und die Foils sich den Anforderungen entsprechend trimmen lassen.

Frisch von der Lackierung: Bugspriet und Ruderaufhängung sind schon montiert, die vorderen Wingbars probeweise gesteckt
Foto: YACHT/M.Gasser
Der Rigging-Prozess zum Durchklicken

Dann aber kam schließlich der große Tag und völlig losgelöst hob sich der elegante Falter nur wenige Meter hinter der Hafenausfahrt aus dem Wasser in die Luft, seinem natürlichen Habitat. Erst in den folgenden Wochen und Monaten entfaltete die Refit-Motte jedoch kontinuierlich ihr volles Potential, denn mit den Erkenntnissen vom Wasser lässt es sich deutlich besser optimieren.

Unterm Strich stehen damit rund 11.000 Euro und 400-500 Arbeitsstunden für eine Motte, die auf dem Gebrauchtmarkt aktuell für knapp 15.000 Euro gehandelt werden würde. Denn in Maßen ist das ursprünglich aus dem Jahr 2013 stammende Exocet-Design noch immer konkurrenzfähig. Das stellte zuletzt unter anderem Laser-Weltmeister und begeisterter Motten-Segler Philipp Buhl durch einen Sieg mit einem sehr ähnlichen Boot bei einer der größten deutschen Motten-Regatten unter Beweis. Unterhalb der Elite von SailGP-, America’s Cup und anderen Top-Seglern steht ohnehin zunächst das eigene Bootshandling in den anspruchsvollen Manövern an erster Stelle, um schnell über den Kurs zu kommen. Alle Nachwuchssegler mit Foiling-Interesse dürfte das motivieren, sich vielleicht doch für die anspruchsvolle Konstruktionsklasse zu entscheiden.

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