Es war Skipper Alessio Cannoni, der 2019 beim Test der Contest 85 die Sache auf den Punkt brachte: „Wenn eine große Segelyacht nicht gut segelt, dann ist sie sinnlos. Dann kauft der Eigner besser eine Motoryacht.“ Entwaffnend simpel und gleichsam vollkommen richtig.
Das Segeln muss Spaß machen, sonst steht schnell eine Elling E 6 oder eine Vertreterin der englischen Serienwerften à la Fairline oder Princess auf der Wunschliste. Aber keine Sorge: Dieser Gedanke kommt bei der Contest erst gar nicht auf, wirklich überhaupt nicht. Denn die 55 macht richtig Spaß. Sie ist geradezu leichtfüßig, trotz 25 Tonnen Gewichts. Am Steuer lässt sie sich feinfühlig dirigieren, Böen können souverän ausgesteuert werden, die Windkante findet sich geradezu spielerisch. Das ist fein.
Der Ruderdruck ist optimal ausgetüftelt für ein Schiff dieser Auslegung: für selbststeuernde Segler ausreichend spürbar, für den Autopiloten weitgehend wegtrimmbar. Dabei helfen unter anderem die serienmäßigen Hydraulikkraftpakete für Achterstag und Kicker. Die Konstrukteure von Judel/Vrolijk und Co. haben mithin bei der Planung wirklich ganze Arbeit geleistet, die Werft hat ein steifes Schiff daraus entstehen lassen, das die Kraft aus dem Rigg gut ins Wasser bringt.
Wendewinkel und Amwind-Speed gehen mit unter 90 Grad und knapp 8 Knoten auf der Logge vollkommen in Ordnung. Dabei weht es zum Test mit böigen 4 bis 5 Beaufort. Hinzu kommt, dass das Süßwasser des IJsselmeers erstens weniger Auftrieb liefert, wodurch die benetzte Fläche größer wird, und zweitens nur gut vier Meter tief ist. Unter dem Kiel, der achteinhalb Tonnen wiegt, sind nur rund anderthalb Meter Platz. Auch das bremst ein wenig. Der Contest ist das scheinbar egal. Sie fährt los, besonders, als der Code Zero ausgerollt wird. In Böen um die 20 Knoten klettert die Logge auf 12 Knoten, bei etwa halbem Wind. Sicher, bei solchen Bedingungen segelt nahezu jedes Schiff gut.
Die Faszination liegt aber weniger in den reinen Zahlen als in der Direktheit und Präzision, mit der sich die Holländerin dirigieren lässt. Das Wasser kräuselt sich, die Bö kommt, das Schiff legt sich leicht auf die Seite, der Druck im Rad nimmt etwas zu, und ab geht die Post. Das erinnert an die Zeiten auf der BM-Jolle oder dem Valk. Nur dass hier 17 Meter Länge und fünf Meter Breite an Deck vor einem loslegen, was beeindruckt.
Das Gute an der Größe ist die Souveränität, mit der die Contest zu Werke geht. Auch als die Deckskante durchs Wasser zieht – was nicht leicht ist bei der enormen Höhe des Freibords –, bleibt alles unter Kontrolle; kein Sonnenschuss, der sich andeutet. Natürlich ist die Reffgrenze längst erreicht, wenn das Boot derart stark krängt. Ein paar Knopfdrücke später dankt die Große deshalb die nun reduzierte Segelfläche mit merklich weniger Lage, damit weniger Druck und schlussendlich mehr Speed.
Und während gegen Ende des Tests üblicherweise der Hafen unter Maschine angesteuert wird und der Tester sich unter Deck verkriecht, um alles und jedes zu vermessen, wird vor Medemblik zurück bis an den Hafen gekreuzt. Natürlich helfen dabei elektrische Genuawinschen oder die zentrale Großschot, deren eigene Winsch ebenfalls über einen Knopf verfügt. Aber das ist es nicht. Es ist vielmehr schlicht der Spaß, den die Contest am Ruder vermittelt. Das Paradoxon zwischen Komfort und Segelspaß scheint aufgelöst. Chapeau. Motoryacht? Nein, kein Gedanke.
Natürlich: Die Segeltragzahl von 4,4 ist nicht üppig, und wenn es mal mit 8 statt 18 Knoten weht, wird sich die Contest sicher schwerer tun; sie ist immerhin rund sieben Tonnen fülliger als die gleichgroße Solaris 55. Swan und Oyster in gleicher Größe haben allerdings ein ähnliches Gewicht.
Das jedoch merkt man am Testtag wegen des ausreichenden Windes nicht. Dank der elektrischen und hydraulischen Helferlein ist die Segelarbeit leicht zu handhaben und fix erledigt. So lädt das Schiff auch zu einem kurzen Spaßausflug nach Feierabend ein. Und wenn man danach nicht mehr den Heimweg antreten mag, bietet die Contest Komfort wie zu Hause.
Einige Beispiele: Stehhöhen von durchgängig über zwei Metern, das Bett in der Eignerkabine hat mit 1,80 mal 2,00 Meter Gardemaß, die Duschen sind mit 70 mal 80 Zentimetern ebenfalls so groß, dass eine Erfrischung ohne Komforteinbuße möglich ist. Klar, das erwartet man von einem solchen Schiff. Die konsequente Umsetzung und der Fokus auf echte Nutzbarkeit, ohne störende Ecken und Kanten, zeigen aber die Erfahrung der Werft mit den kleinen Dingen. Und die machen die Neue schlicht gut bewohnbar. Auch auf See: Handläufe, Leesegel, Griffe – alles da, aber dezent im Design versteckt.
Dabei gibt es in der Standardausführung sechs feste Kojen, zwei davon in einem Etagenbett. Die Optionen im Innenausbau sind zunächst überschaubar, jedoch ist die Werft bereit, Kundenwünsche wenn möglich umzusetzen. Und dann sind da noch die vielen Details, die erfreuen. Zunächst die Holzarbeiten: Keine einzige Schraube ist zu sehen im Interieur. Auch sind alle Handläufe und Umleimer einteilig ausgeführt, aufwändig, aber äußerst durabel. Die Maserung läuft durch, keine hektischen Brüche treten zutage. Alle Spaltmaße passen, alle Nähte fluchten. Sicher, man muss solcherlei Dinge zu schätzen wissen, um das etwas längere Preisschild an der Contest zu akzeptieren.
Weitere Beispiele? So viele nach außenbords führende Schläuche wie möglich sind auf ein Stehrohr im Maschinenraum geführt, das reduziert die Anzahl der erforderlichen Borddurchlässe. Die, die noch da sind, sind aus Messing und allesamt auf eine Zinkanode geerdet, sodass galvanischer Verschleiß ausgeschlossen ist.
Die Schall- und Vibrationsisolierung des Motorraums ist dermaßen gut, dass man die Maschine im Cockpit wirklich nicht wahrnimmt, weder in Form von Geräuschen noch von Vibrationen unter den Füßen. Hinter einem Küchenschrank verbirgt sich bestens zugänglich das Filtersystem für den Kraftstoff. So lässt sich schnell auf den – aufpreispflichtigen – zweiten Filter umschalten, wenn der erste verstopft sein sollte. Der Generator hat einen eigenen Filter. Natürlich sind alle mit einem Wasseralarm ausgestattet. Der Tank selbst verfügt über eine Pumpe an der tiefsten Stelle, um sich dort ansammelndes Wasser leicht entfernen zu können.
Derlei Details gibt es in Hülle und Fülle auf der Contest. Das macht sie zu einem leicht nutzbaren Blauwassercruiser, der obendrein mit guten Segeleigenschaften zu punkten weiß. Beste Bauqualität ist bei Contest eine Familienangelegenheit. Auch die dritte Generation mag sich diesbezüglich keine Blöße geben. Sicher, für den Preis der Contest erhält man vier Hanse 548 vom gleichen Konstrukteur. Aber das ist eben der feine Unterschied.
Rumpf und Deck Vakuuminfusion, Schaumkern, Massivlaminat über Kiel, GFK-Strongback, Schotten anlaminiert
Stand 08/2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
Contest Yachts BV in Medemblik, www.contestyachts.com. Der Vertrieb erfolgt über die Werft
Ein Blauwassercruiser par excellence, mit aufgeräumter Optik und erstaunlich agilen Segeleigenschaften. Dabei contesttypisch bestens verarbeitet und mit sinnvollen Details. Das alles macht das Schiff recht teuer
Der Artikel erschien zum ersten Mal in YACHT-Ausgabe 20/2020 und wurde für diese Onlineversion überarbeitet.