“Achtung, gleich kommt Wind“, sieht Werftchef Dennis Hennevanger voraus. Er muss es wissen: Die Gewässer vor IJmuiden sind sein Spielplatz. Hier kennt er sich aus wie kein Zweiter. Und tatsächlich: Einige Sekunden später dreht der Südost auf. 16, 18, 20 Knoten. Die Saffier SE 27 dankt es mit Vortrieb. Der 63- Quadratmeter-Gennaker zieht. Abfallen, auf die Welle, und ab geht der Expresszug. Die Logge beeilt sich, stolpert hoch, scheinbar mühelos bleibt sogar die 10 achteraus.
Zugegeben: Die Wellen helfen, aber dass die Saffier auch ohne deren Dazutun gleiten würde, steht außer Frage. Ein spiegelglatter Wasserabriss am Spiegel und nie das Gefühl, dass sie irgendwie klebt oder nicht will. Nein, jede Bö, jeder Fetzen Wind macht dem Schiff Beine. Dazu muss es steif und leicht zugleich sein.
Das erreicht die Werft durch den Bau in Vakuuminfusion mit einem Kern aus Divinycellschaum. Ein tiefer, schlanker L-Kiel tut sein Übriges. Er trägt den mit 47 Prozent sehr üppigen Ballast aus Blei ganz tief unten. Das senkt den Schwerpunkt, wodurch das Schiff in Böen kaum wegkrängt, sondern sein üppiges Rigg tapfer dem Wind entgegenstreckt.
Mit dem großen orangefarbenen Vorsegel muss der Steuermann allerdings rechtzeitig auf sich nähernde Windfelder reagieren und tüchtig abfallen, sonst zieht es die Saffier in den Wind. Das ist undramatisch, sie fängt sich auch wieder. Dennoch: Schöner ist die volle Kontrolle. Und schneller. Die Werft will darauf mit einer geänderten Geometrie am Ruderblatt reagieren. Das sollte Abhilfe schaffen. „Ich denke, wir werden dann auch gleich etwas weniger Vorbalancierung vorsehen. Dann hat sie etwas Druck auf dem Ruder“, erläutert Dennis Hennevanger. Das steht dem Schiff sicher gut zu Gesicht.
Denn am Wind lässt sich nahezu kein Druck spüren, das Ruder ist sehr neutral. Das ist in der Regel langsamer als ein leicht angestelltes, welches Auftrieb liefert, und obendrein für weniger geübte Segler mühselig, weil es viel Konzentration erfordert. Und wer will schon bei einem entspannten Ausflug am Sonntagnachmittag permanent die Fäden anvisieren, wenn es hoch an den Wind geht? Da wünscht man sich doch lieber eine gut zu findende Windkante. Die positive Botschaft: Auch wenn man einige Zehntelknoten verschenken würde, so reicht der Speed der Saffier sicher immer noch, um den meisten anderen Schiffen den Spiegel zu zeigen.
Bei den vorliegenden 16 bis 20 Knoten Wind erreicht sie eine Höhe von rund 35 Grad zum wahren Wind. Das ist enorm, aber auch fast zu erwarten für ein Schiff dieser Auslegung. Der gemessene Wert liegt leicht über dem, was die Polardiagramme sagen, allerdings strömt es vor IJmuiden immer aus allen möglichen Richtungen. Zudem stand eine leichte Dünung.
Eindeutig war die Geschwindigkeit. Sehr ordentliche 6,5 Knoten waren drin. Und das mit der Selbstwendefock. Ein 110-prozentiges Vorsegel gäbe es als Option für leichtwindige Binnengewässer. Vor IJmuiden reicht am Testtag der Selbstwender völlig.
Das Boot fährt an der Reffgrenze, gut zum Testen. Dabei zeigt sich die beschriebene Neutralität auch bei viel Druck im Rigg. Der lässt sich durch diverse Trimmmöglichkeiten jedoch ganz gut auf ein erträgliches Maß reduzieren. Unterliekstrecker, ein kräftiges Achterstag, ein Kicker: alles da. Auch der Traveller wäre vorhanden, allerdings muss für seine Nutzung zuerst ein Teil der Kissen achtern entfernt werden. Das ist ein wenig unpraktisch, und es geht auch ohne Überlauf in Lee ganz gut.
Etwas schwer tut sich der Tester mit 1,75 Meter Körpergröße mit einer bequemen Sitzposition. Hinter dem Rad ist der Abstand zur Bank in Lee rund 20 Zentimeter zu groß für unverkrampftes Sitzen samt Abstützung. Auf dem Süll ist durchaus auch ein feines Plätzchen.
Dort sind die Kontrolle und der Zugriff auf die Bedienelemente maximal gut. Einzig die Abstützung auf der Steuersäule ist knifflig, da diese sehr glatt ist. Und die Folgen eines abrutschenden Fußes sind eher dramatisch. Hier hilft aber schon ein Antirutschstreifen beidseits der Jefa-Säule, und schon ist für guten Halt gesorgt. Hinter dem Steuer, entscheidet Werftchef Hennevanger noch während des Tests, wird eine Fußstütze kommen, sodass auch kleinere Menschen entspannt segeln können. Kurze Entscheidungswege – einer der Vorteile einer kleinen und obendrein feinen Werft.
Das Schöne an einem Schiff wie der Saffier ist, dass sie up- wie downwind Spaß macht. Auf dem Weg nach oben lässt sie sich genau an der Kante entlangzirkeln, in Zukunft, mit anderer Blattgeometrie, sogar noch leichter. Und die Luvgeschwindigkeit (VMG) ist wegen der guten Höhe recht üppig. Zurück in die Richtung, in die der Wind weht, geht es dank großer Segel ebenfalls ziemlich fix. Das macht jedoch noch mehr Spaß.
Abfallen, Gennaker hoch, anluven und Wellen suchen – dank der Kontrolle, die das einzelne Rad vermittelt, eine Wonne. Dabei lässt sich sogar die Schot auf eine der beiden optionalen E-Winschen legen. Da beide Trommeln von beiden Seiten aus bedienbar sind, können Crew oder Steuermann das große Segel ohne Mühe von Luv aus nachjustieren. Dabei können die Harken-Winschen sowohl fieren als auch dichtholen. Leichter geht es nicht.
Und so ist er auf einmal da, der perfekte Moment. Das Boot läuft entspannt mit 8 bis 9 Knoten dahin, die Sonne scheint, und eine Bö kommt. Abfallen, Welle genau getroffen, und ab geht die Turbopost. Knapp 12 Knoten gibt die Logge an, und das für eine ganze Weile. Das ist leicht abrufbar und auch für weniger geübte Steuerleute zu erzielen. So geht Daysailer. Prima!
Tags zuvor wehte es noch deutlich heftiger. Da haben die Werftjungs ihr neues Baby ausgeführt und rund 20 Knoten erreicht, sagen sie. Fast mag man es glauben. Die wackeligen Handyvideos belegen das ebenfalls. Das ist beeindruckend.
Segeln also kann sie. An Deck bewegt es sich gut, die Bänke sind zwar mit 1,60 Metern nicht eben lang, zwei Erwachsene können da aber problemlos nebeneinander sitzen. Und hinter dem Steuermann erstreckt sich eine üppige Liegefläche. Die hat an den Seiten ein kleines Süll und ist somit einigermaßen sicher zum Liegen bei Fahrt.
Etwas schade ist jedoch, dass eine Badeleiter nur gegen Aufpreis zur Saffier gehört. Ein ausgesprochenes Tagesboot, das auch zum Baden genutzt werden wird, sollte mehr auf Lager haben als die lächerliche Stoffleiter in der Dose zum Erfüllen der CE-Norm.
Stichwort Aufpreis: Wer den Spaß mit dem Gennaker haben möchte, der ordert sicherlich den Carbonbugspriet samt Blöcken und zwei zusätzlichen Winschen sowie das Segel selbst. Dafür wechseln dann weitere Euro den Besitzer. Auch das Holzoptikdeck von Esthec ist nicht Standard; den Preis dafür nennt die Werft auf Anfrage. Gleiches gilt für einen Trailer. Der ist nahezu Pflicht, denn mit einem Gesamtgewicht inklusive Hänger von rund 2500 Kilogramm lässt sich die Saffier gut hinter einem potenten Fahrzeug in den Urlaub zerren.
Ein scheinbar mutiger Schritt ist es, die Saffier serienmäßig mit einem E-Antrieb anzubieten. Den Diesel gibt es gegen Aufpreis, was für einige Kunden durchaus ein Bruch mit gewohnten Gepflogenheiten sein könnte. Aber: Erstens ist die Zielgruppe für die SE-Linie ohnehin eher innovativ und fährt oftmals auch privat bereits elektrisch Auto, der Schritt zum E-Antrieb an Bord ist also logisch. Und zweitens passt der Antrieb genau zum Konzept: simpel zu bedienen, nahezu wartungs- und somit sorgenfrei und von der Reichweite ausreichend – denn schließlich will man mit der Saffier segeln, weil sie genau dafür gemacht ist. Und das geht nötigenfalls auch bis vor den Hafen.
Ein nahezu perfektes Boot also? Vielleicht. Denn unter Deck sind die Kompromisse versteckt. Ja, ein WC ist vorhanden, darauf sitzen kann man jedoch nur beengt. Ja, es sind vier Kojen eingebaut, die sind aber schmal und ziemlich hart. Die Polster sind eher dünn und darum fest, da für die hübschen Linien Innenraumhöhe geopfert wurde. Das ist für einen Daysailer verständlich. Wer Schlafraum sucht, für den ist die eher komfortorientierte SC-Linie der Werft vorgesehen.
Auch die fehlende Belüftung in der Kabine wird verkraften, wer nur gelegentlich an Bord nächtigt. Eine Luke im Vordeck ist auf Wunsch natürlich möglich. Unter Deck wurden mithin die Zugeständnisse an einen sportlichen Daysailer versteckt.
Und genau diese Konsequenz ist es, die das Boot so gut macht. In der Logik der Werft, SC-Linie für komfortables, SE-Linie für eher performantes Segeln, ist das alles schlüssig. So bleibt sie leicht und damit agil und eine Wonne zu segeln. Die Kabine dient als Stauraum, zum Umkleiden nach dem Baden und wenn die Blase mal drückt.
Schlafen? Lieber im Ferienhaus oder im Hotel. Und wenn es einmal in der Saison unbedingt sein muss, bei der Ausfahrt mit dem Segelverein oder Ähnlichem, dann ist es immerhin möglich.
Tatsächlich wird die Saffier SE 27 nicht unter 100000 Euro den Besitzer wechseln. Dann aber mit feinem Tuch und allem Komfort, den man sich für einen Daysailer wünscht. Der Preis wird niemanden abhalten, denn entweder ist das Schiffchen feines Beiwerk zu einem viel teureren Feriendomizil oder Ablösung für eine größere und teurere Yacht oder Tender einer Superyacht.
Das Rad kostet übrigens ebenfalls einen Aufpreis. Erwartungsgemäß werden es viele Kunden ordern. Doch auch eine Pinne stünde dem Schiff sicher gut zu Gesicht, denn sie erhöht die gefühlte Agilität noch weiter. Und genau die sucht man bei einem Daysailer.
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Ein Roadster fürs Wasser: handlich, schnell, knackig, dabei nicht zickig oder kompliziert. Da möchte man auch abends mal eben eine Runde drehen. Ob man auch an Bord schlafen möchte, ist Geschmackssache
Der Artikel erschien erstmals in YACHT 10/2020 und wurde für die Online-Version aktualisiert.