Keine Kompromisse. Wieso sich mit dezidierten Gästekabinen abgeben, die kaum bis nicht bewohnt werden und dann ohnehin nur als schlechter nutzbarer Stauraum dienen? Weshalb sich über Fender, Rettungsinsel und Fahrräder an Deck ärgern, wenn sich diese auch in Backskisten unterbringen ließen? Warum an Deck kurbeln, klettern und kämpfen, wenn doch Assistenzsysteme den Job übernehmen können und ein schlaues Deckslayout die Bewegungsabläufe an Bord verbessert? Und schließlich: Wozu vor dem An- und Ablegen verkrampfen, wenn zwei Strahler Nerven und den innerehelichen Seelenfrieden zu schonen vermögen?
Dies dachte sich auch Thomas Nielsen, früher Weggefährte, langjähriger Importeur und heutiger Inhaber der fein-kleinen Saare- Werft von der Bootsbauerinsel Saaremaa in Estland. Die allzu logische Überlegung: Die typische Crew auf eignergeführten Fahrtenyachten, fast egal welcher Größe, besteht aus Mann und Frau – und kleinhand ist wie einhand. Ergo: Das Boot sollte sich mit wenig Kraftaufwand in jeder Situation möglichst von einer Person bedienen lassen. Und: Der Innenraum kann auf zwei Personen ausgelegt sein, statt mit vielen Kojen und wenig Stauraum die Bedürfnisse des Chartermarktes abzudecken.
Die Plattform für das Vorhaben war in Form der Saare 38 bereits vorhanden. Die grundsolide Konstruktion des Finnen Karl-Johan Stråhlmann baut Saare seit 2011, was ihr beileibe nicht zum Nachteil gereicht: das Erscheinungsbild zeitlos, die Segeleigenschaften hervorragend, der Stil unter Deck traditionell ohne Muff. Das Ganze im Geiste skandinavischer Bootsbau-Werte mit lamellierten Mahagoni-Umleimern und schönen Holzarbeiten. Auf dieser Grundlage entstand das konsequente Boot für die kleine Crew, das zugleich auch den Wünschen einer älteren Klientel besonders entgegenkommt.
Einfache Nutzung, das beginnt schon beim Betreten des Bootes – ein Vorgang, der in mediterranen Gefilden oft durch Heck an der Pier und Pasarella entschärft wird, aber in nordeuropäischen Gewässern mit dem Bug zum flachen Steg zum Balanceakt werden kann. Auf der Saare 38.2 sorgt eine robuste Bugplattform, die den Anker umschließt, für leichten Zugang. Eklatante Höhenunterschiede gleicht eine permanent angebrachte Klappleiter aus, ein auch in den Schären hochwillkommenes, fast zwingendes Komfortmerkmal.
An Bord läuft die Crew auch nicht gegen die Wanten, die stehen innen. Das ist eigentlich die Lösung, um überlappende Vorsegel mit vernünftigen Schotwinkeln zu ermöglichen. Anders auf der Saare: Um Schotwege zu verkürzen, ist eine kleine Genua vorgesehen, deren Schienen auf dem Kajütdach platziert sind und welche die Schoten direkt ohne Umlenker an Deck oder auf dem Süll zu den Schotwinschen führen. Es geht noch weiter: Auf der Saare 38.2 ist eine Selbstwendefock montiert, was seit der Existenz von Hanseyachts und den Adaptionen durch Werften wie Jeanneau und selbst der Katwerft Lagoon durchaus gängig, aber für die Zielsetzung dieses Bootes zwingend ist.
Weit nach vorn langende Handgriffe auf dem Kajütdach sichern den Gang nach vorn und retour. Das Cockpit wird mit einer festen Scheibe geschützt, an die eine Sprayhood anschließt. An der festen Scheibe sind seitlich wünschenswerte Griffe montiert. Das Cockpit wird von einem hohen Süll eingefasst, das sich jedoch gut übersteigen lässt, da es schmal ausgeführt ist.
Dann mal los, Motor an. Der Gashebel sitzt oben an der Steuersäule, das ist bequem. Auf dem Podest, das Segelinstrumente und GPS- Plotter gut ables- und bedienbar trägt, finden sich zwei Joysticks; das Boot ist mit proportional gesteuerten Bug- und Heckstrahlrudern von Sidepower bestückt (Aufpreis), ausfahrbar, versteht sich, des Wasserwiderstandes beim Segeln wegen. Trotz Seitenwind lässt sich das Boot ohne weitere Maßnahmen oder Kontakt in Lee damit einfach aus der Box ziehen und auf engstem Kreis drehen; mit dem System wird jedes Hafenmanöver zur großen Gaudi. Die Strahler ließen sich auch fernbedienen, dann könnte man sie gar vom Steg aus ansteuern, während beispielsweise Leinen gelöst oder belegt werden.
Zu großer Agilität trägt auch der mit 40 PS bereits recht kräftig bestückte Volvo Penta bei. Ein 50 PS starkes Aggregat ist möglich. Egal welches Modell: Schub und Laufruhe sind in jedem Fall abermals ein Komfortgewinn.
Die Leichtigkeit des Bedienens setzt sich durchaus fort. Mit dem bewährten Seldén-Rollmast (Extra), der sich elektrifizieren ließe, wird das Tuch von achtern ausgerollt. Die optionalen Epex-Membransegel von Elvstrøm stehen sauber und, wie sich bei dem böigen Wind zeigt, auch profilhaltig, was ebenfalls den Komfort steigert: Später reffen, weniger Trimmarbeit helfen nicht nur der Segelleistung, sondern machen das Leben unterwegs leichter; ebenso wie die kaum dehnenden serienmäßigen Dyneema-Fallen nicht immer wieder neu durchgesetzt werden müssen. Alle Winschen lassen sich elektrisch über Knöpfe in Nähe der Trommeln oder am Rad platzierte bedienen. Wer gar auf auch rückwärts drehende Revo-Winschen setzt, könnte vom Rad die Segel fieren und wieder dichtholen, niemand bräuchte dazu seinen Platz zu verlassen.
Die Saare 38.2 segelt schnell, hoch und dabei steif. So richtig Freude macht das Boot am Rad: Es lässt sich einfach an die Windkante führen, bringt einen geringen, aber hilfreichen Ruderdruck mit, und es ist wenig Armbewegung für die Steuerkorrektur notwendig; mit eindreiviertel Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag wurde das hervorragende Kardansystem von Jefa angemessen konfiguriert. Das einzelne Rad durchmisst 120 Zentimeter, es erlaubt in Kombination mit den schräg endenden Duchten einfache Passage.
Mit dem optionalen 130er-Rad sitzt man vielleicht etwas weiter draußen, verringert sich jedoch den Durchgang nach achtern. Dort und in den Backskisten unter den Duchten gibt es reichlich Stauraum unterschiedlichen Formates. Die Heckduchten lassen einen schmalen Durchgang frei, der mit einem Steuermannssitz geschlossen wird. Eine moderne Heckplattform fehlt, aber dafür ist der Spiegel etwas eingezogen. Eine tiefe Badeleiter ist seitlich permanent griffbereit montiert.
Weiteren Stauraum gibt es vorn zwischen Bugkabine und Ankerkasten. Dort ist Platz für einen Code Zero oder einen flachen rollbaren Gennaker, beides Segel, welche die Garderobe aus Groß und Selbstwendefock sinnvoll für eine kleine Crew auf tieferen Kursen ergänzen.
Kurzum: Das Boot segelt nicht nur hervorragend, es lässt sich auch höchst einfach bedienen; mehr technischer Support für eine kleine Crew geht kaum. Ein guter Autopilot ist noch zwingend, der natürlich auf der Extraliste zu finden ist, es handelt sich um Raymarines Evolution mit Linearantrieb und zusätzlicher kabelloser Fernbedienung.
Der Komfortgedanke setzt sich unter Deck fort. Statt einer Kabine ist an Steuerbord im Heck ein riesiger Stau- und Technikraum untergebracht, der sich von oben und von vorn durchs Bad erreichen lässt. Die an den Niedergang grenzende üppige Nasszelle ist mit einem abgeteilten Duschbereich versehen. Vom Toilettenraum befreit, wuchsen Stauraum und Kojenmaße im Vorschiff. Die Koje ist satte 1,90 Meter breit und auf Wunsch obendrein mit einer nachweislich hervorragenden Matratze aus dem Hause Flexima ausgestattet, die durch einen Topper noch bequemer wurde. Trotz angepeilter Crewstärke von eben nur zwei Personen gibt es eine kleinere Achterkabine an Backbord, falls doch einmal Gäste mitkommen sollten. Ansonsten steht dort weiterer Stauplatz bereit. Auch lassen sich die Salonkojen gut nutzen.
Die Gestaltung des Innenraums ist gewohnt, nicht gewöhnlich. Die Holzarbeiten gefallen durchweg. Es kommt klassisches Mahagoni oder trendige hellere Eiche zum Einsatz. Zu finden sind diverse Dinge, die nicht mehr selbstverständlich sind: gute Permanentbelüftung, robuste Handläufe an der Salondecke, zu öffnende Aufbaufenster, Seewasserpumpe. Zentrale Waschbecken ermöglichen Ablauf bei jeder Krängung und Arbeitsteilung in der Pantry. Die Tanks liegen zentral, sind groß (Wasser 240 Liter, Diesel 200 Liter) und lassen sich in der Kapazität noch ergänzen (je 100 Liter). Die Bilge verfügt über einen Brunnen. An der Ausformung hängt ein Bleikiel. Die nicht rostende, schockabsorbierende und im Profil schmalere Flosse leistet sich heute kaum noch eine Serienwerft.
Erwähnenswert ist weiter die extrem umfangreiche Grundausstattung. Zwar liegt der Basispreis bei immerhin 468.945 Euro ohne Segel. Aber da ist neben den erwähnten und weiteren Qualitätsmerkmalen von der Dieselheizung bis zur Sprayhood, von Lot und Logge bis zum Unterwasseranstrich, vom synthetischen Stabdeck bis zur ausgeformten Scheuerleiste ein Großteil dessen dabei, was gewollt und wichtig ist. Hinzu kommen die hohe Individualisierbarkeit, zeitlose Linien und das Gefühl, etwas Besonderes zu segeln.
Die rund 25 Jahre alte Werft Saare Yachts baute bis 2007 im Auftrag für Finngulf und entwickelte dann mit dem Konstrukteur Karl-Johan Stråhlmann eine eigene Linie aus schnellen, qualitativ hochwertigen Fahrtenyachten. Neben der Saare 38 fertigen die Esten eine 41 mit Achter- oder Mittelcockpit sowie den Semi-One-off Saare 46. Die Werft produziert auf Saaremaa, der größten Insel des Landes, die eine lange Geschichte und große Dichte an nautischen Gewerken vorweisen kann. Seit 2016 ist Thomas Nielsen, mit seiner Firma Yachtsport Eckernförde Deutschland-Importeur der Marke, auch ihr Eigentümer.
Sandwichlaminat mit Schaumkern, hergestellt im Vakuum-Injektionsverfahren. Deck-Rumpf-Verbindung laminiert
Stand 11/2023, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
Saare Yachts, Estland
Yachtsport Eckernförde, yse.de/saare-yachts
Konsequent auf zwei Personen ausgerichtet, gut aufgeteilt und ausgestattet, reichlich Stauraum, dazu steif und schnell: Die Saare 38.2 ist ein ideales Boot für Paare, die viel und gern unterwegs sind
Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 2/2019 und wurde für diese Online-Version aktualisiert.