Winner 10.10Gefragtes Gebrauchtboot eignet sich als agiler Familienflitzer

Alexander Worms

 · 04.04.2025

Dank kräftigem Segelplan ist die Winner auch bei wenig Wind agil. Bei mehr Druck fehlt es ihr allerdings an Wasserlinienlänge
Foto: YACHT/Philipp Hympendahl
Die Winner 10.10 ist vielseitig talentiert: Gut gebaut, ansehnlich, geräumig unter Deck und agil zu segeln, zeigt sie auch nach Jahren kaum Schwächen. Daher ist sie als Gebrauchtboot sehr gefragt

So ein Gebrauchtboot-Test braucht jede Menge Koordination. Der Eigner und sein Boot müssen bereit sein. Ein Fotograf, der auch filmen kann, muss zur Verfügung stehen, ein Kameraboot muss her, und nicht zuletzt sollte auch der Redakteur an Ort und Stelle sein. Umso lästiger, wenn dann das Wetter nicht mitspielt.

So wie beim Test der Winner 10.10. Denn es schien zwar die Sonne, aber leider bot das IJsselmeer vor Makkum vor allem die berüchtigte flutenfreudige IJsselmeerfliege, Wind jedoch nur in Maßen. Vier Knoten? Das ist zu wenig, mag man meinen. Nicht aber für die Winner. Mit etwas Leetrimm und maximalem Profil in den Tüchern fährt sie tatsächlich schon los. 2,8 Knoten zunächst, mit zunehmendem scheinbaren Wind später auch über drei. Sogar etwas Druck im Schiff ist spürbar. Das kann sich sehen lassen.


Gebrauchtboot-Steckbrief

  • Typ: Winner 10.10
  • Konstrukteur: Van de Stadt
  • Gebaut: 2005–2015
  • Stückzahl: 50 + 10
  • Neupreis: 129.990 € (inkl. 16 % MwSt.)
  • Gebrauchtpreis aktuell: ca. 75.000 Euro

Auch bei wenig Wind bereitet die Winner Segelspaß

Eigner Klaas Johannink zeigt sich zufrieden: „Genau deswegen habe ich die Winner gewählt: Ich wollte ein Schiff, das auch bei wenig Wind fährt. Das ist familienfreundlich. Denn nach oben gibt es eine Grenze wegen der Wellen. Ab 18 Knoten ist es für die Familie eigentlich schon zu unangenehm. Und wenn das Schiff dann erst bei 12 Knoten losfährt, dann ist der segelbare Bereich einfach zu kein“, erklärt der erfahrene Segler.

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Dass die Winner jedoch auch bei mehr als vier Knoten Wind funktioniert, stellte die Niederländerin beim Performance-Cruiser-­Vergleichstest der YACHT im Jahr 2008 unter Beweis. Sie war die Einzige der Probandinnen, die bei guten 4 Beaufort an der Kreuz der X-34 Paroli bieten konnte. Keine schlechte Referenz. Die Tester damals bescheinigten dem Van-de-Stadt-Design eine hohe Stei­fig­keit, wodurch sie aufrechter segelte als die Wettbewerberinnen. Die Folge: Höhe und Speed am Wind passten.

Downwind ließen die Konkurrentinnen die Winner jedoch stehen, zu schmal, zu wenig Wasserlinienlänge. Das bedeutet weniger theoretische Rumpfgeschwindigkeit. Die verkürzte Wasserlinienlänge ist ein Resultat des positiven Stevens, ein Merkmal des Hauses Van de Stadt und ein ansehnlich-klassisches obendrein.

Spiel mit den Trimmeinrichtungen sollte auf der Winner 10.10 beherrscht werden

Beim Test hat der Wind ein Erbarmen und bringt es schließlich auf acht bis zehn Knoten. Genug, um die Fliegen zu vertreiben und die Winner noch mehr in Gang zu bringen. Die Windkante lässt sich mithilfe der Fäden in der Fock und etwas Eingewöhnung an der Pinne – ein Rad gibt es nicht – gut finden. Besonders mitteilsam ist die Winner jedoch nicht, wer steuert, sollte das vorher schon mal gemacht haben und muss sich zumindest am Anfang einigermaßen auf das eigene Tun konzentrieren. Sie ist also kein echtes Einsteigerschiff. Denn obwohl bei der Bedienung des Segelplans keine Fragen aufkommen, muss der Steuermann, wenn es denn wirklich schnell vorangehen soll, wissen, was zu tun ist. Auch das Spiel mit den Trimmeinrichtungen sollte beherrscht werden.

Eigner Johannink hüpft während der Ausfahrt auch die ganze Zeit übers Schiff und schaut hier und zupft dort. Das ist erforderlich, um auch die letzten zehn Prozent Segelleistung abzurufen. Ist der Trimm nicht optimal, fährt die Winner noch gut los. Da sie aber auch gebraucht nicht unbedingt ein billiges Schiff ist, sollte der Eigner durchaus zumindest gelegentlich ein wenig Ehrgeiz entwickeln, das Potenzial, das er schließlich bezahlt hat, auch zu nutzen.

Ergonomie mit Fragezeichen

Pinnentypisch schwierig ist die Sitzposition. Im Cockpit gibt es zwar sehr viel Platz, aber die Sicht nach vorn ist eingeschränkt. Auf dem Süll sitzt es sich ein wenig verkrampft, da die Neigung dort zu groß ist. Man hängt irgendwie seltsam gequetscht und zu nahe am Relingsdraht. Dafür hat der Steuermann dort alles im Griff: die Pinne am Ausleger, den Traveller und sogar die Vorschot, wenn sie um die Leewinsch nach Luv geführt wird. Auch die Großschot samt Feinverstellung liegt voll im Zugriff des Steuermanns. So lassen sich Böen sehr feinfühlig parieren. Die kräftige Talje im Achterstag hilft, wenn die Schoten nicht mehr ausreichen. Kurzum: Layout und Equipment sind gemacht für zügiges Segeln.

Dass der Rumpf mit den Kräften aus dem Rigg sinnvoll, sprich verwindungsfrei umgeht und sie in Vortrieb statt in Verformung umsetzt, dafür sorgt ein verzinkter Stahlrahmen, der großflächig in den Rumpf einlaminiert ist. Da Stahl gut große Kräfte aufnehmen kann, ohne dafür viel Bauhöhe zu benötigen, ist die Bilge nur sechs Zentimeter tief. Das ist einerseits gut, weil das viel Stehhöhe im Inneren bedeutet, 1,90 Meter sind es achtern im Salon. Andererseits lässt sich so nichts in der Bilge stauen, und eindringendes Wasser verteilt sich leicht im Schiff.

Worauf achten?

Der Stahlrahmen hat also Vor- und Nach­teile. Eines ist jedoch klar: Er muss sehr gut geschützt werden. Beginnt er zu rosten, ist guter Rat sehr teuer. Beim Kauf also unbedingt den Bereich rund um die Erhebungen in der Bilge kontrollieren. Haarrisse? Rost­spuren? Dann lieber auf die nächste Winner 10.10 am Markt warten oder einen erfahrenen Gutachter zu Rate ziehen.

Ein weiterer Punkt, nach dem man schauen sollte, ist das kleine Schott unter dem Vorschiff. Durch eventuelle Leckage im Ankerkasten kann vor das Schott Wasser eindringen. Dieser Raum ist eigentlich abgeschlossen. Zeigen sich Verfärbungen am Schott, muss ein Inspektionsdeckel eingebaut werden. Durch ihn kann die Feuchtigkeit abtrocknen. Natürlich vorher die Leckage im Ankerkasten finden und abdichten.

Die Winner ist aus Laminat mit Schaumsandwich gebaut, oberhalb der Wasserlinie. Das macht das Schiff leicht und sorgt für ­gute Isolierung. In Bereichen, wo Beschläge montiert werden, hat die Werft statt des Schaums Aluminiumplatten verbaut. Sie sorgen für extra Festigkeit. An sich eine gute Sache, allerdings bedeuten Edelstahlschrauben in Aluminium immer wieder Ärger, wenn man sie mal herausdrehen muss. Dazu benötigt man häufig besonderes Werkzeug. Notfalls die Schraube ausbohren, absägen und den Beschlag versetzen. Die Platten sind dafür ausreichend groß ausgelegt.

Einige wenige Modelle sind anstelle der Antirutschstruktur auf Eignerwunsch mit TBS-Decksbelag versehen worden. Dazu wurde nach dem Laminieren die Waffelstruktur weggeschliffen und das hellgraue Material verklebt. Natürlich hat es bessere Antirutscheigenschaften, aber es kann sich lösen. Der Austausch ist arbeitsintensiv und mithin teuer. Pflegeleichter ist sicher die originale Waffelstruktur.

Ansonsten sind bei der Winner 10.10 keine besonderen Punkte bekannt, auf die man achten muss. Die Motoren waren immer von Yanmar und haben eine Zweikreiskühlung – das spricht bei regelmäßiger Wartung für ein langes Leben.

Angenehm wohnen

Unter Deck wartet moderne Gemütlichkeit: helles Holz, gute Verarbeitung und eine passende Ergonomie. Die Kojenmaße sind sehr groß, die Kojen über zwei Meter lang und 1,60 Meter breit. Allein das innere Bett achtern reicht bis unter das Cockpit. Dadurch ist es nur 40 Zentimeter hoch. Eigner Johannink verkriecht sich nach eigenem Bekunden gerne in diese Ecke. Dass dabei keine Platzangst auftritt, dafür sorgt die zum Salon hin offene Achterkammer. Erst nach dem Face­lift zur 10.20 wurde eine Tür angeboten. Da das Vorschiff und der dortige WC-Raum jedoch separierbar sind, ist die Tür achtern tatsächlich entbehrlich.

Der Salon ist groß und gemütlich, der Tisch riesig. Die Pantry funktioniert gut. Ein schönes Detail und typisch Winner: Eine Öffnung führt in einen Mülleimer, der in der Backskiste steht. So werden Gerüche von dort aus dem Salon ferngehalten. Die Nasszelle ist klein, aber ausreichend, eine Dusche ist zwar vorgesehen, gehörte aber nicht zum Standard.

Große Nachfrage

Die Winner ist ein sportliches Familienschiff. Damit sind schnelle und angenehme Passagen möglich, was im Urlaub den Aktionsradius erhöht. Die Bauqualität ist hoch, die Details gefallen. Der Komfort an Bord passt, auch wegen der wirklich großen Kojen. Das in Summe macht sie gebraucht zu einem gefragten Schiff. Exemplare am Markt sind oft binnen weniger Wochen verkauft. Zögern bei technisch einwandfreien Modellen sollte man daher nicht.

Alternativen sind die X-34, die allerdings im Schnitt teurer ist, oder die Dufour 34 Performance. Auch die First 36.7 oder sogar eine etwas ältere 40.7 sind zum Preis einer Winner 10.10 zu bekommen, dann zwar mit mehr Wohnraum, aber auch in schlechterem Zustand. Soll es eine Winner sein, unbedingt in den Niederlanden suchen, denn dort erfreut sie sich einer großen Beliebtheit. Zu Recht.

Messwerte der Winner 10.10

Windgeschwindigkeit: 8–10 kn (3 Bft.); Wellenhöhe: Dünung ca. 0,1 Meter; * Mit Gennaker

Die Winner 10.10 im Detail

Schlank und zeitlos schick. Ein echter Van-de-Stadt-Entwurf. Das Rigg ist eher niedrig für die sportliche Auslegung | Zeichnung: A. HoppenhausSchlank und zeitlos schick. Ein echter Van-de-Stadt-Entwurf. Das Rigg ist eher niedrig für die sportliche Auslegung | Zeichnung: A. Hoppenhaus

Technische Daten der Winner 10.10

  • Konstrukteur: Van de Stadt
  • CE-Entwurfskategorie: A
  • Rumpflänge: 10,14 m
  • Breite: 3,25 m
  • Tiefgang/alternativ: 1,80/1,40 m
  • Gewicht: 4,3 t
  • Ballast/-anteil: 1,6 t/37 %
  • Großsegel: 32,00 m2
  • Rollgenua (100 %): 22,00 m2
  • Maschine (Yanmar): 16 kW/21 PS

Rumpf- und Decks­bauweise

GFK-Schaumsandwich im Handauflageverfahren, unter der Wasserlinie Volllaminat, Stahlrahmen einlaminiert

Preis und Werft

  • Grundpreis ab Werft (2008): 129.990 €
  • Gebaut: 2005–2011/2015
  • Gebrauchtpreise: ca.75.000 €
  • Stückzahl 10.10/10.20: 50/10

Stand 03/2024

Werft

Nach der Insolvenz 2016 hat der deutsche Händler Nordic Yachting die Markenrechte übernommen

YACHT-Bewertung

Sportlich? Durchaus. Und dabei sehr steif. Damit und dank des großen Cockpits auch unter Segeln familienfreundlich. Unter Deck gemütlich und wohnlich mit großen Kojen. Zeitlose ­Optik, gute Bauqualität

Konstruktion und Konzept

  • + Großes achtern geschlossenes Cockpit
  • + Stahlverstärkter Strongback
  • - Offene Achterkabine

Segelleistung und Trimm

  • + Unglaublich handlich
  • + Sehr schnell bei wenig Wind

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Sehr große Kojen
  • - Achterkabine innen niedrig
  • - Sehr flache Bilge

Ausrüstung und Technik

  • + Feinverstellung Großschot Serie
  • + Mülleimer in Backskiste
  • +/- Pinnensteuerung

Modellhistorie und Markt

Der Markt ist überhitzt. Je nach Baujahr und Zustand kostet die 10.10 zwischen 68.000 und 90.000 Euro. Sie wurde 50-mal gebaut, einige wenige ­haben einen TBS-Decksbelag erhalten. Die 10.20 hatte ab 2011 außenstehende Wanten und damit einen 70 Zentimeter höheren Mast sowie eine Tür vor der Achterkammer. So wurde das Schiff zehnmal gebaut. Angebotene Schiffe sind meist schnell verkauft.

Die Winner 10.10 im Video

Der Artikel erschien erstmals in YACHT 21/2021 und wurde für die Online-Version aktualisiert.


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