Der Besuch an Bord wird von vielen Emotionen begleitet. Freude an der schieren Schönheit, Ehrfurcht vor einer überragenden Bau-und Ausbauqualität, Respekt vor der aufregend komplexen und hochwertigen Bordtechnik sowie Begeisterung für die vielen kleinen Details, welche die Yacht zu dem machen, was sie ist: eine Swan.
Die finnische Yachtbaumanufaktur Nautor in italienischer Hand hat jetzt mit der Swan 55 eine moderne Nachfolgerin für die sehr erfolgreiche 54er herausgebracht. Damit ist die Swan-Reihe im „unteren“ Segment zwischen 48 und 58 Fuß wieder topaktuell, mit nicht weniger als vier Modellen, inklusive der neuen Swan 51, die erst unlängst auf der Messe in Cannes als Novum für 2024 angekündigt worden ist.
Die Konstruktion für das frische Schiff kommt natürlich wieder aus dem Büro des Argentiniers Germán Frers, der unter anderem auch für Hallberg-Rassy entwirft. Wie für die Schweden arbeitet Frers für die Finnen von Nautor Swan mit einem sehr starken Fokus auf Linientreue und Marken-Homogenität. Eine Swan ist eine Swan – unverkennbar.
Doppelte Ruderblätter sind ein Steckenpferd von Frers. Mittlerweile sind alle acht Modelle im aktuellen Swan-Programm von 48 bis 80 Fuß damit ausgestattet. Dazu sind die modernen, effizienten T-Kiele mit Bleibombe zum Standard innerhalb der Linie geworden. Im Fall der neuen 55er werden diese in drei Tiefgangsvarianten mit 2,50 Metern oder alternativ mit 2,10 beziehungsweise 3,40 Metern angeboten, natürlich mit entsprechenden Anpassungen der Ballastmenge. Und Nautor bietet das Boot auch mit einem hydraulischen Teleskopkiel an, ebenfalls mit Torpedo-Bombe. Wer den Kiel mit variablem Tiefgang möchte, muss aber einen mittleren sechsstelligen Preis zahlen. Das hat noch keiner der 15 bisherigen Eigner wahrgenommen.
Das Testboot ist die Baunummer eins, die unter dem Namen „Alegher“ im Mittelmeer kreuzt, mit dem tiefen Performance-Kiel und einem Drei-Saling-Kohlefaserrigg. Zu Beginn noch als Standard vorgesehen, ist der Aluminium-Mast mittlerweile nicht mehr für die Grundausstattung spezifiziert und somit auch nicht mehr erhältlich.
Ab Werft wird die Swan 55 jetzt in jedem Fall mit einem Carbonrigg (Mast und Großbaum) des französischen Herstellers Axxon Composites ausgerüstet. Dafür hat die Werft auch den Grundpreis um mehr als 200.000 Euro anheben müssen. 2,05 Millionen Euro stehen jetzt auf dem Preisschild, noch ohne die Mehrwertsteuer und ohne die Segel, was für Schiffe von diesem Kaliber durchaus üblich ist.
Der Segelplan sieht vor, die Yacht wahlweise mit einer überlappenden Genua und Holepunkten seitlich auf dem Kajütaufbau oder mit einer Selbstwendefock zu betreiben. Die Beschläge und Schienen werden von der Werft bereits im Standard und für beide Varianten angebaut. So ist es für lange Blauwasserpassagen auch möglich, eine zusätzliche Stagfock über die Selbstwendeschiene zu fahren, während die größere Genua vorn gerollt stehen bleibt.
Code Zero oder Reacher können als drittes Vorsegel am Bugspriet angeschlagen und aufgerollt gesetzt bleiben, so wie es auf vielen modernen Hochsee-Rennyachten heute üblich ist. Sämtliche Leinen, alle Fallen, Schoten und Trimmleinen werden in Kanälen unter Deck zurück ins Cockpit seitlich auf die Süllränder geführt. Das Layout lässt hier viel Platz zwischen den Stopperbatterien und den zwei mächtigen Schotwinschen, die in Reihe hintereinander und mit Abständen angeordnet sind. Für das Handling ist das von Vorteil, weil alle Leinen auf jeder Seite wahlweise von beiden Winschen bedient werden können.
Nachteilig ist die Anordnung allenfalls für den Steuermann, der von seiner Position hinter dem Rad nur die hintere Winsch einigermaßen gut erreichen kann. Das heißt: Die Mannschaft muss in den Manövern mitarbeiten. Dabei helfen die vier großen 70er-Winschen (Harken Performa), die alle bereits im Standard elektrisch betrieben sind und optional auch vom Rudergänger per Knopfdruck direkt auf den Steuersäulen aktiviert werden können.
Für den Probeschlag mit der YACHT steht vor Scarlino in der Toskana leider nur ein sehr kurzes Zeitfenster mit einigermaßen brauchbaren Bedingungen zur Verfügung. Bei Winden zwischen 12 und 15 Knoten kreuzt die Swan 55 mit 7,6 Knoten Speed. Überraschend ist die gute Höhe, die das Boot laufen kann. Die Wendewinkel liegen bei nur rund 75 Grad, was in den Leistungsbereich von echten Rennyachten passt. Die Luvgeschwindigkeit (VMG), also die theoretische Geschwindigkeit, die das Boot gegen den Wind gutmacht, liegt berechnet bei über 6 Knoten. Das ist nicht nur für den Erfolg auf der Regattabahn entscheidend, sondern auch zum Tourensegeln vorteilhaft.
Der Steuermann hat dabei leichtes Spiel. Die immerhin über 22 Tonnen schwere Yacht reagiert sehr unmittelbar und enorm lebhaft auf die Ruderausschläge und lässt sich so kontrolliert optimal an der Windkante steuern. Allerdings ist nur wenig Ruderdruck spürbar. Die kaum vorhandene Rückmeldung empfinden ambitionierte Steuerleute vielleicht als eher unangenehm, der Umstand ist für Schiffe mit doppelten Ruderblättern aber normal.
Die durch die Achterpiek sehr gut erreichbare Steueranlage kommt von Jefa und funktioniert über zwei getrennte Kettenzüge auf die Quadranten der Ruderwellen. Diese sind dann wiederum mit einer trimmbaren Schubstange miteinander verbunden, sodass die Anstellwinkel der Ruderblätter leicht justiert werden können. Die aufwändig installierte und dazu sehr hochwertige Steueranlage ist vollständig redundant. Zudem greift der Autopilot direkt auf einen der Quadranten an, was für zusätzliche Sicherheit im Fall eines Defekts sorgt. Eine Notpinne an Bord ist also obsolet.
Spektakulär und auf dem Markt einzigartig ist die Badeplattform der Swan 55. Die Klappe öffnet nicht nur das Heck, sondern auch den hinteren Teil des Achterdecks. Ausgefahren und über eine aufwändige Mimik ausgeklappt, entfaltet sich so eine Art Lounge-Bereich, den man mit zusätzlichen Polstern auch als Sonnenliege direkt über dem Wasser nutzen kann.
Die Idee stammt offenbar von Werftbesitzer Leonardo Ferragamo. Die Badeplattform im XXL-Format ist allerdings nur eine Option. Standard ist die herkömmliche Heckplattform mit elektro-hydraulischen Antrieben zum Ausklappen. Im Heckstauraum und dank der doppelten Ruderblätter kann ein aufgeblasenes Schlauch-Dingi von 2,5 Meter Länge inklusive Motor quer gestaut werden.
Die Qualität des Innenausbaus von Nautor Swan gilt nicht nur unter Branchenkennern schon als legendär. Nebst einer erstklassigen handwerklichen Verarbeitung in allen Bereichen sind es vor allem auch zahllose kleine Details, die begeistern. So sind die Bordinstallationen (Wasserversorgung, Elektrik, Lüftung) wahre Leckerbissen für jeden Technik-Fan, und sie können Standards neu definieren – selbst in der gehobenen Luxusklasse.
Auch die Beschläge der Türen, Stauräume und in den Nasszellen wurden besser und hochwertiger ausgewählt als auf vielen anderen Schiffen. Und die Polster der Sitzflächen sind mit verschiedenen Schaumstärken ergonomisch auf optimalen Komfort abgestimmt. Das sind nur Beispiele für die außergewöhnlich exklusive Beschaffenheit des Innenausbaus und für den großen Aufwand, den die Werft dafür betreibt. Mehr noch, alle Kojen sind selbstredend mit Leesegeln ausgestattet, die Stauräume maximal gut belüftet und wo möglich als Schubladen sehr gut zugänglich. Zudem liegen bei sämtlichen Bordventilen zur Sicherheit Stopfen aus Weichholz für den Fall eines Wassereinbruchs bereit.
Wie bei Nautor Swan üblich, kann der Kunde im Bereich der Möglichkeiten seinen Innenausbau selbst konfigurieren. So lässt sich der Wohnbereich achtern auf der Backbordseite zum Beispiel als Skipperkabine mit eigener Toilette und separatem Zugang aus dem Cockpit, als Werkstatt oder einfach als begehbarer Stauraum ausbauen, je nach Wunsch des Eigners.
Auch im Vorschiff ist Varianz geboten. Weil das Rigg auf der Swan 55 und damit das Hauptschott weiter achtern im Boot stehen, plant die Werft zusätzlich und hinter der geräumigen Master-Doppelkabine im Vorschiff eine zweite Kammer für Gäste ein. Das entspricht dem Ausbaustandard und ist in der Form eine Exklusivität innerhalb der Längenklasse.
Diese Kabine kann ebenfalls unterschiedlich genutzt werden, beispielsweise als Büro oder als TV-Raum, und sie ließe sich auf Wunsch mit der Eignerkabine räumlich und funktional koppeln.
In Kombination sämtlicher Möglichkeiten bietet Nautor für die Swan 55 insgesamt über hundert verschiedene Ausbauvarianten an. Der Individualität sind also kaum Grenzen gesetzt. Natürlich gibt es das Gute nicht umsonst. Der Grundpreis von knapp 2,5 Millionen Euro brutto für ein Schiff von 16,60 Meter Rumpflänge ist eine klare Ansage oder vielmehr ein Bekenntnis der Werft zur Tatsache, dass auch die neue Swan 55 in ihrem Marktsegment kaum vergleichbare Konkurrenz zu befürchten hat.
GFK-Sandwich mit Schaumkern und Vinylesterharz. Rumpf laminiert mit Vakuum-Harzinfusion, das Deck in Handauflage. Hauptschott aus GFK-Sandwich, wasserdichte Schotten vorn und achtern
Standard: Mast mit drei Salingen und Großbaum aus Kohlefaser von Axxon Composites mit Wanten aus Rod. Baumkicker, Unterliekstrecker und Backstag-Verstellung mit Hydraulik
Ab Werft eingebaut wird der 4JH110-Vierzylindermotor von Yanmar, standardmäßig mit Wellenantrieb. Auf Wunsch kann auch ein Saildrive gewählt werden
Stand 4/23. Wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
2/2 Jahre
Oy Nautor AB, Nautor Swan; 68600 Pietarsaari (Finnland); www.nautorswan.com
Nautor Swan Germany, Hamburg; www.nautorswan.com
Die Swan 55 kombiniert schieren Luxus mit starken Segelleistungen, einer herausragenden Bau- und Ausbauqualität und hoher Individualität. Eine Yacht, die ihresgleichen sucht