Saare 47Mittelcockpit-Yacht mit klassischen Linien im Test

Fridtjof Gunkel

 · 21.05.2025

Stilbildende Maßnahmen  Ein recht hoher Aufbau mit großen Scheiben, gemäßigtes Heck und eine große, gut geschützte Plicht
Foto: YACHT/Nils Günter
Zeitlose Linien, hohe Qualität und ein großer Individualisierungsgrad kennzeichnen die neue Mittelcockpit-Yacht Saare 47 aus Estland. Exklusiv im Test

Harmonische Linien statt Kanten und Fasen, schräge Rumpfabschlüsse statt vertikaler Steven, gemäßigte Breite statt brachialer Volumenmaximierung. Die Saare 47 beweist einen gewissen Sinn für traditionelle, oder sagen wir zeitlose Optik. Ohne dabei veraltet oder zu konservativ zu wirken. Ein weiteres Charakteristikum: In einem Bereich sind die Boote aus dem Baltikum gar mehr oder weniger allein im Markt unterwegs: Sie lassen sich in einem Maße individualisieren, den üblicherweise nur Semi-One-offs erreichen. Bieten die meisten Werften nur ein paar vorkonstruierte Varianten und verschiedene Hölzer für Möbel und Fußböden an, geht Saare die Extra-Seemeile.

Sonderwünsche werden bei der Saare 47 zu Optionen oder Standard

Versetzte Schränke, Tische nach eigener Gestaltung, ein schützendes Doghouse statt Sprayhood im Cockpit, dazu ein Targabügel für die Großschot oder ein Ölzeugschrank im Salon, für den die Navigationsecke umgestaltet wird und nach vorne weicht, sind nur wenige Beispiele für Sonderwünsche, die die Werft umsetzt. Händler Thomas Nielsen aus Eckernförde, der die Werft in Estland 2016 übernommen hat: „Die vielfältigen Kundenwünsche sind für uns alltäglich und oft übernehmen wir diese Dinge später auch als Optionen oder sogar im Standard.“

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Doghouse für hohe Breiten, Möbel nach eigenen Ideen, zwei Office-Arbeitsplätze, Ölzeugschrank – alles geht.”

Zweites zentrales Thema im Wortsinne ist auf der neuen Saare 47 das Mittelcockpit. Es liegt recht tief, ist durch eine feste Scheibe und hohe Sülls gut geschützt. Die Passage in und aus der Plicht erfordert einen großen Schritt, das Süll ist nicht nur hoch, sondern auch breit. Üppig dimensioniert sind ebenfalls die Duchten: 2,47 Meter lang und knapp fünfzig Zentimeter breit, das ist geradezu fürstlich und deutlich mehr als die Konkurrenz von Hallberg-Rassy, Contest oder Najad bietet.

Die Saare 47 bei YACHTtv

Großes Rad, viele elektronische Helfer

Der Rudergänger arbeitet am einzelnen Rad. Das durchmisst 100 Zentimeter und schränkt im Sitzen den Blick auf die Fäden der Genua etwas ein. Mit entsprechenden Ausschnitten in den Duchten und schmalerem Süll wäre ein größeres Rad und damit eine günstigere Sitzposition möglich, ein Sonderwunsch, siehe oben. Aber dann wäre der Weg vom Rad ins Cockpit beschwerlicher. Einfacher gestalten könnte man sich die Bedienung der Winschen, die auf dem Prototyp außerhalb des Cockpitsülls und somit sehr weit entfernt zum ergonomisch vertretbaren Kurbeln sitzen. Auf das Süll verlegt fiele die Bedienung leichter. Bei der Bootsgröße ist jedoch ohnehin eine Elektrifizierung der Trommeln angeraten. Die Werft bietet das an, geht aber noch einen Schritt weiter: Als Option sind Harkens Rewind-Winschen zu haben, die lassen sich dann sogar vom Rad aus per Knopfdruck nicht nur holen, sondern auch fieren.

Die Plicht ist durch hohe Sülls gut geschützt. Das kleine Rad erschwert den Blick nach vornFoto: YACHT/ Nico KraussDie Plicht ist durch hohe Sülls gut geschützt. Das kleine Rad erschwert den Blick nach vorn

Für Bedienkomfort stehen auch die ausfahrbaren Bug- und Heckstrahler von Sleipnir/Sidepower mit Proportionalsteuerung, mit denen sich das Schiff auch gegen Seitenwind nach Luv bewegen und halten lässt. Das komplette Docking-System kommt für 40 000 Euro an Bord, ein gutes Investment für den Bordfrieden einer kleinen Crew.

Hohe Stabilität und Kontrollierbarkeit auch in ungemütlichen Bedingungen

Weitere Annehmlichkeiten: Die aus dem Rumpf geformte Scheuerleiste schützt das Boot wirkungsvoll an Pfählen. In die breite Bugplattform ist eine Leiter integriert. Das geschlossene Heck ist mit mehreren Stufen ausgestattet, eine Badeplattform lässt sich darunter elektrisch ausfahren und ist sogar im Standard enthalten. Die Bade- bzw. Rettungsleiter ist seitlich am Heck angebracht und lässt sich auch ohne Badeplattform nutzen, ein Sicherheitsfeature. Ebenso wie Kollisionsschotten in Vor- und Achterschiff, der Orca kann kommen. Hinter dem Bugschott steht eine Segellast bereit, aus der sich ganz komfortabel Code Zero oder Gennaker direkt setzen lassen.

Und auf gehts. Zum herbstlichen Test empfängt uns die Eckernförder Bucht mit östlichen böigen Winden und einer fiesen Welle, die sich noch kürzer und unangenehmer geriert als es für die Ostsee bei mehr Brise typisch ist. Steil, hoch, kurz- zum Verzweifeln. Wobei die Bedingungen tauglich sind, um der Saare eine hohe Stabilität und Kontrollierbarkeit zu attestieren. Bei bis zu knapp 20 Knoten wahrem Wind lässt sich Vollzeug noch tragen, auch wenn dies nicht mehr effektiv ist. Die Geschwindigkeit kommt auf diesem Kopfsteinpflaster noch auf bis zu 6,5 Knoten und dabei fährt das Boot noch eine sehr gute Höhe von um die 40 Grad heraus. Hilfreich sind dabei Elvströms Xylo-Segel in modernster Filament-Technologie. Ein zweiter Testtag (an dem auch das Aufmacherfoto entstand) förderte aufgrund des sehr schwachen und obendrein kräftig drehenden Windes keine belastbaren Resultate.

Die Saare 47 zeigt sich als moderat-performantes Fahrtenboot

Was sich unabhängig vom Wind zeigte: Harkens Eingang-Winsch Unipower für die Großschot legt sich etwas grobmotorig und sehr schnell ins Zeug, daran muss man sich erst gewöhnen, eine andere Lösung wäre in diesem Bereich wünschenswert. Nach der wellenbedingt zähen Kreuz dann die Erlösung: Auf 60 Grad abgefallen hämmert das Schiff los, erreicht spielerisch Topwerte von 8 Knoten plus, übersteigt dabei auch schon mal die Rumpfgeschwindigkeit und das ebenfalls unter voller Kontrolle sowie mit trockenem Deck.

Auch in der Theorie steht die Saare für gute Leistung: 39 Prozent Ballastanteil in einem reinen Bleikiel bei 2,20 Meter Tiefgang bedeuten trotz der geringeren Breite des Bootes viel Stabilität. Die Segeltragezahl von 4,5 kündet von einem moderat-performanten Fahrtenboot und damit steht sie in der Reihe ihrer ebenfalls fähigen Schwestern. Ein kleiner Wermutstropfen: Die Kraftübertragung vom Mittelcockpit um viele Ecken und auf langer Strecke bis zum Quadranten erfolgt per Kardanwelle, das ist eine aufwendige und spielfreie Lösung, die sich jedoch als etwas schwergängig erweist.

Unter Motor zeigt die Saare 47 keine großen Auffälligkeiten, hervorzuheben ist die gute Schallisolierung. Für den Motor sind 110 statt 75 PS eine Option, ein Stromer von Oceanvolt ist ebenfalls möglich. Ordern lässt auch ein 24-Volt-Bordnetz mit Lithium-Akkus, großem Inverter und potentem Ladegerät, was in Summe komfortables elektrisches Kochen an Bord ermöglicht. Weitere Optionen beziehen sich auf die Pantry selbst: Die kann an Steuerbord neben dem Niedergang untergebracht werden. Der Platz lässt sich alternativ für ein Boat-Office-Büro, eine Stockbettkabine oder einen Hauswirtschaftsraum nutzen. Die Pantry wandert dann teils in den Durchgang zur Achterkabine. Die großzügige Navigationsecke entfällt dann – oder wird in den Salon gebaut, siehe wieder Semi-One-off.

Die großen Aufbaufenster schaufeln viel Luft in den Salon, der sich komplett anders ausbauen lässtFoto: YACHT/ Nico KraussDie großen Aufbaufenster schaufeln viel Luft in den Salon, der sich komplett anders ausbauen lässt

Großzügiger und heller Innenraum in ordentlicher Qualität

Neben dem großzügigen Salon, der durch die hohen und somit großen Aufbauscheiben (die sich leider nicht öffnen lassen) sowie drei Decksluken sehr hell wirkt, ist die ähnlich voluminöse Achterkabine hervorzuheben. Sie bietet neben einem 1,60 Meter breiten rechteckigen Bett üppigen Stauraum im Durchgang sowie in weiteren Schränken und Schapps und sie verfügt über ein komfortables Bad mit separater Dusche, die einen Fußraum von satten 84 mal 78 Zentimeter bereitstellt. Im Bad ist sogar noch Platz für eine Waschmaschine. Der besagte Durchgang ist komfortabel gestaltet mit einer Stehhöhe von knapp zwei Meter und guter Breite; hier macht sich das voluminöse Cockpitsüll positiv bemerkbar.

Im Vorschiff ist eine zweite Nasszelle eingebaut und auch hier gibt es reichlich Stauraum in Schränken, Schapps und Schubladen. Die Koje ist sogar breiter als die achtern: 2,05 Meter lassen sich in Schulterhöhe messen. Der gesamte Innenraum wird in rötlich-braunem Khaya-Mahagoni oder in der moderneren hellen Eiche ausgebaut (Testschiff). Die Lackierung ist seidenmatt, die Kanten formverleimt, die Passungen und Stöße sauber, die Spaltmaße klein ausgeführt. Lediglich der Fußboden bot durch große und heterogene Spalten Verbesserungspotenzial. Wobei die Werft viel Aufwand auch hinter dem Sichtbaren betreibt.Türen und Schranktüren werden als gewichtssparende Sandwichkonstruktion mit Wabenkern gefertigt. Schotten und die Deck-Rumpf-Verbindung sind umlaufend überlaminiert. Die GFK-Bodengruppe aus hohen Stringen und Bodenwrangen wird über Industriekleber und viele Laminatlagen mit dem Rumpf verbunden. Rumpf und Deck entstehen als Sandwich mit Schaumkern unter Verwendung des höherwertigen Vinylesterharzes im Vakuum-Infusionsverfahren, das für gute Laminate ohne Lufteinschlüsse und mit wünschenswertem Harzanteil steht.

Insgesamt: ein gutes Mittelcockpit-Boot mit wenigen Minuspunkten. Die Saare 47 vereint Gutes aus früheren und aktuellen Zeiten und sie besticht durch ihren ausgeprägten Individualisierungsgrad.

Messwerte Saare 47

Bild 1

Technische Daten Saare 47

yacht/image_1b53a2a951b4fa67bf9b4937a5d89501Foto: YACHT/Nils Campe
  • Konstrukteur: Karl-Johan Strahlmann
  • CE-Entwurfskategorie: A
  • Rumpflänge: 14,28 m
  • Gesamtlänge: 15,13 m
  • Wasserlinienlänge: 12,55 m
  • Breite: 4,20 m
  • Tiefgang/alternativ: 2,20/2,00 m
  • Masthöhe über Wasserlänge: 21,55 m
  • Theoretische Rumpfgeschwindigkeit: 8,6 kn
  • Gewicht: 13,0 t
  • Ballast/-anteil: 5,05 t/39 %
  • Großsegel: 59,00 m2
  • Rollgenua (103 %): 51,00 m2
  • Maschine (Volvo Penta): 55 kW/75 PS
  • Kraftstofftank: 400 l
  • Frischwassertank: 500 l
  • Fäkalientanks: 106/80 l
  • Batterien: 4 x 165 AH + 1 x 90 AH

Rumpf- u. Decks­bauweise

Vakuum-Infusion mit Divinycell- Schaumkern und Vinylesterharz. Deck-Rumpfverbindung laminiert

Ausstattung und Preise

Grundpreis ab Werft: 984.203 €

  • Standardausrüstung inklusive: Motor, Schoten, Reling, Positions­laternen, Batterie, Kom­pass, Polster, Pantry/Kocher, Lenzpumpe, WC, Anker/Kette, Fender/FestmacherFeuerlöscher, E-Kühlfach, Fäkalientank mit Absaugung, Antifouling-Anstrich
  • Gegen Aufpreis: Segel (Groß und Genua) 23.263 €, Segelkleid 2.265 €, segelklare Übergabe 6.250 €

Preis segelfertig: 1.015.981 €

Garantie/gegen Osmose: 2/5 Jahre

Aufpreis für Komfort-Ausstattung

  • Leinenverstellbare Holepunkte: inklusive
  • Traveller mit Leinenführung: 3.912 €
  • Elektrische Ankerwinsch: inklusive
  • Rohrkicker: inklusive
  • Achterstagspanner: inklusive
  • Springklampen: inklusive
  • Sprayhood: inklusive
  • Teak im Cockpit: inklusive
  • UKW-Funkgerät: 2.224 €
  • Logge und Echolot: inklusive
  • Windmessanlage: inklusive
  • Autopilot: 11.719 €
  • Ladegerät: inklusive
  • Landanschluss mit FI-Schalter: inklusive
  • 230-Volt-Steckdosen: inklusive
  • 12-Volt-Steckdosen: inklusive
  • Heizung: 9.335 €
  • Druckwassersystem: inklusive
  • Warmwasser-Boiler: inklusive
  • Dusche WC-Raum: inklusive
  • Cockpitdusche: 765 €

Komfortpreis : 1.043.936 €

Im Preis enthalten: Flexi Teek auf dem Aufbau, Seitendecks, Plicht und Badeplattform, el. Fallwinsch steuerbords, elektrische Fallen- und Großschotwinsch, feste Cockpitscheibe, Scheuerleiste

Stand 2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!

Komfortable Winden

Optional sind die Vorschotwinschen elektrifiziert. Mit Rewind- Winschen von Harken lassen sich Fallen und Schoten auf Knopfdruck auch vom Rad aus dichtholen und fieren

Bessere Batterien

Das Innovation-Paket enthält LiFe-Akkus (24 V) mit 2 x 200 Ah, einen Inverter/Charger mit 120 A und einen Induktionsherd

Viele Funktionen

Neben dem Niedergang an Steuerbord kann der Kunde die Pantry, einen Büroraum, eine dritte Kabine oder einen Werkraum platzieren

Mehr Reichweite

Zusätzliche 250 Liter große Tanks für Wasser und Diesel sind für je 3.868 Euro zu haben

Alternativer Antrieb

Ein 25 kW starker Elektro-Antrieb von Oceanvolt mit 34,8 kWh großer Batteriebank und 18 kW-Generator ist statt des Verbrenners lieferbar

Werft und Vertrieb

YACHT-Bewertung Saare 47

Variabler Ausbau und Details nach Kundenwünschen, gute Segeleigenschaften, qualitativ hochwertige Holz- und GFK-Arbeiten. Die Saare 47 ist ein gutes Boot mit wenig Konkurrenz, das den kleinen Markt der Mittelcockpit-Yachten reicher werden lässt

Konstruktion und Konzept

Große Individualisierbarkeit
Zeitlose Linien
Hochwertige Bauweise
Segellast vorhanden

Segelleistung und Trimm

Segelt hoch, steif und schnell
Gute Kontrolle bei viel Lage
Fäden sitzend schlecht zu sehen
Radanlage etwas schwergängig

Wohnen und Ausbauqualität

Ausgezeichnete Holzarbeiten
Sehr gute Komfortmaße
Viele Staumöglichkeiten
Großes Cockpit
Boden mit großen Spaltmaßen

Ausrüstung und Technik

Saubere Installationen
Sehr gut ausgestattet
Großschotwinsch zu schnell

Die Konkurrenz der Saare 47

Hallberg-Rassy 44

Hallberg-Rassy 400 (Ort: Ellös, Schweden, Datum: 12.-14.07.2021, Redakteur: Jochen Rieker)Foto: YACHT/B. Scheurer

Etwas kleinere moderne Mittelcockpityacht mit breitem Heck, Doppelruder und festem Spriet. Steif, schnell, hochwertig

  • Rumpflänge 13,68 m
  • Breite 4,20 m
  • Gewicht 13,3 t
  • ab 781.682 Euro

YACHT-Test: Heft 03/2017

Najad 451 CC

Najad 450cc

Test in Henan/Ellös
mit M. GoodFoto: YACHT/N. Krauss

Überarbeitetes älteres und kleineres Boot, auch als Achtercockpityacht zu haben. Sehr gut gebaut und ausgestattet

  • Rumpflänge 13,50 m
  • Breite 4,03 m
  • Gewicht 14,0 t
  • ab 682.499 Euro

YACHT-Test: Heft 03/2017 (Najad 450 cc)


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