Zugegeben – Giftgrün muss man als Rumpffarbe nicht unbedingt mögen. Nichtsdestotrotz scheint die ausgefallene Kolorierung anzukommen; immerhin sind die ersten vier Bestellungen für eine neue RM 1180 mit genau dieser Farbwahl eingegangen. Die gute Nachricht: Es geht auch anders, weil RM Yachts die Rümpfe traditionell aus Sperrholz baut und die Oberflächen erst nachträglich auflackiert. So hat der Kunde die freie Wahl, wie beim Kauf eines Autos. Machbar ist fast alles.
Seit 1989 fertigt RM Yachts Segelboote aus Sperrholz. Das haben die Franzosen zwar nicht exklusiv, aber dennoch gilt die Werft in Périgny bei La Rochelle weltweit als Protagonistin für diese ganz spezielle Art von Bootsbau. Die Decks mit ihren verwinkelten Strukturen lässt RM – ebenfalls aus Tradition – von externen Zulieferern herstellen, aus Kunststoff.
Auch für die neueste Modellgeneration, die mit der RM 1180 vorgestellt wurde, ändert sich am generellen Konzept und am Bauverfahren allgemein wenig. Nur werden jetzt die Seitenteile der Rümpfe bis zur Wasserlinie ebenfalls aus GFK gebaut. Der gesamte Unterwasserbereich sowie die inneren Rumpfstrukturen bestehen aber weiterhin aus Sperrholz.
Dieser außergewöhnliche Materialmix für die Herstellung des Rumpfs ist nötig geworden, weil RMs langjähriger Hauskonstrukteur Marc Lombard dem neuen Schiff eine ultramoderne, aber auch ziemlich aggressive Formensprache verliehen hat. Dieses Design lässt sich mit Sperrholz als Baumaterial technisch nicht mehr vernünftig umsetzen.
Vor allem zum Bug hin ist der Freibord zum Deck über einem Knick nochmals augenscheinlich stark eingezogen. Damit will Lombard die Front maximal voluminös gestalten und trotzdem die Decksfläche klein halten. Dies soll im Endeffekt Gewicht sparen und die Verbindung vom Rumpf zum Deck zusätzlich aussteifen. Davon vermag die Optik zu profitieren. In augenscheinlich starker Anlehnung an die jüngsten Entwürfe für die spektakulären Hochsee-Rennmaschinen der Imoca-Klasse sieht die RM 1180 deshalb einfach nur aufsehenerregend gut aus.
Die RM 1180 ist kein ausgewiesener Racer, sondern vielmehr ein Performance-Cruiser mit Schwerpunkt Tourensegeln. Dieser konzeptionelle Mix firmiert unter „Fast Cruising“. Das lässt sich so übersetzten: komfortables Reisen und Wohnen auf See im Fokus und dabei auf Sportlichkeit, Segelfreude und Leistungsvermögen nicht verzichten. Das ist weder neu noch besonders aufregend, wird aber bei RM wie gewohnt sehr gekonnt und kompromisslos umgesetzt.
Für den YACHT-Test herrschen in der Bucht von La Rochelle die herrlichsten Segelbedingungen. Wind zwischen 18 und 22 Knoten, dazu ein knackig-kurzes und anspruchsvolles Wellenbild. Gegenan schafft die RM 1180 locker 6,7 Knoten im Schnitt und läuft dabei mit einem Winkel von 40 Grad zum wahren Wind eine ausgezeichnete Höhe. Für Raumschots-Kurse wird ein großer Gennaker bis in den Masttopp hochgezogen. Bei 5 bis teilweise sogar 6 Beaufort geht es damit richtig sportlich zur Sache, die Tagesbestleistung beträgt im Surf 13,4 Knoten. Das Leistungspotenzial ist für eine Yacht dieser Ausrichtung schon recht beachtlich.
Hierbei darf nicht unerwähnt bleiben, dass das Testschiff, der Prototyp, mit einem Rigg aus Kohlefaser ausgestattet ist. Der Mast ist etwas höher als das Standard-Aluprofil und trägt dementsprechend etwas mehr Segelfläche. Weil die Ober- und Unterwanten getrennt stehen, kann die Genua dazwischen geschotet und vom Segelmacher auf eine Überlappung von maximal 110 Prozent geschneidert werden. Das Nachrüsten mit einer Selbstwendefock ist wegen der großen Panoramascheibe im Kajütaufbau vor dem Mast leider nicht möglich. Für lange Schläge auf hoher See wird das Schiff auf Wunsch mit einer Stagfock und zusätzlichen Backstagen ausgestattet.
Das Boot vom neuen RM-Chef hat zudem einen Festkiel und doppelte Ruderblätter, wie sie optional erhältlich sind. Im Standard baut die Werft allen Schiffen im aktuellen Programm Bi-Kiele unter, also zwei parallel stehende Flossen, dafür nur ein Ruderblatt. In dieser Ausführung können die Boote von RM problemlos trockenfallen. Das Ruderblatt ist dafür unten mit einer Standplatte versehen, damit es im Schlick nicht einsinkt. Mit einem Schwenkkiel als zusätzliche Variante sind auch flexible Tiefgänge möglich.
Ganz am Heck ist die RM 1180 stattliche 4,16 Meter breit, und dies bei einer maximalen Ausdehnung von 4,37 Meter. Im Grundriss ist die Konstruktion von Marc Lombard also beinahe keilförmig. Von Nachteil ist das eventuell im Hafen beim Anlegen rückwärts.
Unter Segeln dagegen wirkt die enorme Breite in Kombination mit dem flachen Unterwasserschiff mit spürbar viel Formstabilität. Das zeigt sich vor allem in den knackigen Böen, welche die RM 1180 auch unter voller Besegelung in Vortrieb und Geschwindigkeit umsetzt, statt sich auf die Seite zu legen. Das Boot segelt an der Kreuz sowie auch auf den Raumwindkursen mit Gennaker enorm steif und bleibt dank der bestens abgestimmten Steueranlage und den doppelten Ruderblättern dabei jederzeit bestens kontrollierbar, selbst bei viel Speed. Unter Segeln: große Klasse!
Für das Layout im Cockpit setzt RM weiterhin auf das markentypische Konzept. Heißt: Fallen und Trimmleinen sowie die Großschot laufen über den Kajütaufbau zurück auf die beiden Winschen am Niedergang. Für die Schoten von Genua und Gennaker stehen zurückversetzt nochmals zwei Winschen zur Verfügung. Sie sind auf separaten Podesten montiert und dort in guter Höhe effizient zu bedienen.
Mit einer kleinen Mannschaft von zwei oder drei Personen funktioniert diese Anordnung auch. Für reibungslose Abläufe in den Manövern sorgen zudem die qualitativ hochwertigen Decksbeschläge sowie die ausreichend groß gewählten Standard-Winschen von Lewmar.
Der Rudergänger ist in seinem Arbeitsbereich hinter dem Rad allerdings ziemlich isoliert und kann bis auf den Traveller und das Achterstag keine anderen wichtigen Komponenten betätigen. Dies nimmt dem Boot leider jegliche Einhandtauglichkeit. Ein German-Cupper-System mit einer doppelt geführten Großschot auf zwei zusätzliche Winschen auf dem Süll gibt es leider nur als Option gegen Aufpreis; für ein sportliches Schiff dieser Ausrichtung wäre eine derartige Anordnung bereits ab Werft wünschenswert. Auch sind die Steuersäulen recht weit achtern im Cockpit aufgebaut. Der Platz für den Rudergänger ist daher beschränkt, und er hat dauerhaft die Züge des doppelt geführten Achterstags im Rücken. Das kann auf Dauer nervig sein.
Anstelle von Backskisten stehen voluminöse Staufächer achtern zur Verfügung. Darin können auch die zusätzlichen Segel wie Gennaker oder Code Zero lagern. Für die Rettungsinsel ist ein separates, offenes Staufach im Heck vorgesehen; von dort aus kann das Rettungsfloß im Notfall schnell erreicht und problemlos zu Wasser gebracht werden. Wegen der enormen Breite achtern muss die Heckreling gemäß der CE-Norm geteilt sein. Der dafür angebaute Stahlrahmen bietet willkommene Festhaltemöglichkeiten beim Ein- und Aussteigen sowie beim Badengehen. Klappbare Heckplattformen sind bei RM dagegen ganz generell noch nie ein Thema gewesen. Beim neuen Schiff verhält sich das nicht anders.
Wer sich durch den schön breiten Niedergang unter Deck begibt, erlebt einen wahren Wow-Effekt. Geräumig, hell, gemütlich und mit dem Charme eines westfranzösischen Sommerhäuschens, so präsentiert sich der Innenausbau auf den ersten Blick. Die großen Fensterflächen im Aufbau und die Fenster im Rumpf bieten hier beste Aussicht im Stehen und im Sitzen.
Weil RM Yachts das komplette Interieur sowie die Innenschalen aus Sperrholz produziert, werden die Oberflächen wie Schottwände, Seiten- und Dachverkleidungen, die Türen zu den Kabinen sowie zum Bad grundsätzlich weiß lackiert; Alternativen dazu gibt es nicht. Anders bei den Arbeitsflächen von Pantry und Navigation, die beim Testschiff mattschwarz beschichtet sind.
Das sieht gut aus und sorgt unter Deck für attraktive Kontraste. Allerdings sind die schwarzen Oberflächen sehr empfindlich und bedürfen ständiger Pflege und Reinigung. Eine andere Farbwahl ist hier grundsätzlich möglich.
Alles, was unter Deck sicht- und greifbar ist, besteht entweder aus Holz, Stoff oder Stahl. Kunststoff innen ist bei RM generell ein Tabu. Und die Verarbeitung ist erstklassig, selbst bis ins kleinste Detail. Nur bei den Bodenbrettern gibt es für die Werft noch Nachholbedarf. Die versuchsweise aus Bambus-Sperrholz gefertigten Dielen beim Testboot haben sich in der Sommerwärme verzogen. Teilweise stehen die Ränder vor, und die Paneele knarzen unter Belastung. Das Problem ist erkannt.
Der Dreikabiner mit zwei identisch groß ausgebauten Achterkabinen entspricht bei der RM 1180 dem Standard ab Werft. Damit kommt man nun doch vom Weg ab, die Boote grundsätzlich mit einem begehbaren Stau- und Technikraum zu gestalten und dafür auf eine zweite Achterkammer zu verzichten. Der Werkraum wird als Option jedoch weiterhin angeboten und könnte auf Wunsch sogar nachträglich eingebaut werden. In jedem Fall bleibt es bei nur einer Nasszelle im Schiff. Der Toilettenraum fällt relativ klein aus und verfügt über keinen abgetrennten Duschbereich, was bei vergleichbar großen Fahrtenschiffen bereits zum unbedingten Ausbaustandard gehört.
Wichtiger für RM scheint dafür eine große Navigation mit einer ergonomischen Sitzfläche und einem ausgedehnten Kartentisch zu sein. Hier kann man unterwegs effizient und sicher arbeiten. Und durch das große Panoramafenster vor dem Mast ist es sogar möglich, von der Navigation nach vorn in Fahrtrichtung zu spähen, wenn man dazu kurz aufsteht. Auch die Pantry ist mit ihrer U-Form auf See gut benutzbar. Die hohen, umlaufenden Schlingerleisten sorgen für Halt, und geht die See höher, kann man sich prima verkeilen. Zudem gefällt die Küche mit den vielen, großen und vorbildlich unterteilten Staufächern und großen Arbeitsflächen.
Die Doppelkojen im Vorschiff und achtern sind mit einer Breite von jeweils über 1,50 Meter bei den Schultern für zwei Personen groß genug. Auch im Fußraum ist viel Platz vorhanden. Und in allen drei Kabinen steht reichlich Stauraum bereit, in Form von Schränken oder als offene Schwalbennester für kleinere Dinge.
Die zwei sehr kleinen Luken im Kajütdach sind für eine gute Ventilation im Salon nicht ausreichend. Auf Wunsch lassen sich zusätzlich zu öffnende, aber ebenfalls sehr kleine Fenster seitlich nachrüsten, zum Beispiel über der Pantry. Diese Extras werden allerdings nicht wirklich entscheidend zu guter Belüftung beitragen. Wesentlich besser dagegen kann die Luft in den Kabinen zirkulieren, wo mehr und größere Luken eingelassen sind.
Die Marke RM ist nicht bekannt für eine ausgesprochen günstige Preispolitik. Dennoch: Im Vergleich mit der Konkurrenz erscheint der Grundpreis für eine neue RM 1180 recht fair und wettbewerbsfähig kalkuliert. Wenn man zudem die hochwertige Grundausstattung sowie die exklusive Holzbauweise berücksichtigt, könnte man das Angebot als durchaus attraktiv bezeichnen. Allerdings müssen Interessierte wissen, dass sie bis zur segelfertigen Ausstattung zusätzlich investieren müssen.
Dass bei der RM-Modellgeneration die Rümpfe zumindest teilweise aus GFK gebaut werden, wirft Fragen auf. Warum stellt die Werft nicht gleich die ganzen Kaskos im Glasfaserverbund her und spart damit Kosten? Wieso setzt sie stattdessen weiterhin auf die aufwändige, technisch anspruchsvolle und kostspielige Bauweise aus Sperrholz?
Als Antworten darauf führt RM Yachts die Einzigartigkeit ihres Konzepts an, die bekannte Eigenständigkeit der Marke sowie die Nachhaltigkeit und die bessere Ökobilanz dieser Art des Yachtbaus. Insbesondere der Umweltaspekt liefert Argumente für die Kaufentscheidung und lässt sich ausgezeichnet vermarkten – heute mehr denn je.
Nur die seitlichen Flanken des Rumpfes bestehen beim neuen Boot von RM Yachts aus GFK; das besondere Design lässt der Werft in der Produktion keine andere Wahl. Der Rest, das gesamte Unterwasserschiff sowie die komplette Bodengruppe sind weiterhin aus Sperrholz gebaut. Dafür werden die CNC-gefrästen Paneele über einem Mallengerüst wie ein Puzzle zusammengesteckt und mit einer Lage Glasfaser überzogen. „Klar wäre es einfacher, den ganzen Rumpf aus GFK zu bauen“, sagt RM-Projektleiter Maxime Védrenne. „Aber dann wäre das Boot ja keine RM mehr.“
Rumpf: Seitenteile GKF-Sandwich. Unterwasser und Struktur: Sperrholz. GFK-Deck gebaut in Vakuum-Infusion
Stand 12/2023, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
RM Yachts/Fora Marine; 17180 Périgny (Frankreich); www.rm-yachts.com
Attraktive Kombination für Eigner mit gehobenen Ansprüchen an das Touren- wie ans sportliche Segeln. Die Bauweise mit einer Synthese von Sperrholz und GFK ist einzigartig, das Konzept auch
Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 20/2019 und wurde für diese Online-Version aktualisiert.