Modern, kühl, ja, beinahe steril – diese Adjektive kommen einem unwillkürlich in den Sinn, nachdem man den Niedergang hinabgestiegen ist und einen ersten Blick aufs Interieur der „Pachmo“ geworfen hat. Aufgeräumt und auffällig hell ist es hier im großzügigen Salon der nicht mehr ganz jungen Hanse 545. Sie stammt aus dem Jahr 2010 und ist zuletzt einem ungewöhnlich umfangreichen Refit unterzogen worden. Ob der gelungen ist, wird jeder anders bewerten.
So oder so ist das Ergebnis bemerkenswert. „Ich verbringe sehr viel Zeit an Bord, da wollte ich es hier auf dem Boot möglichst wie zu Hause haben“, erklärt Eigner Christoph Ganswindt, weshalb er sich zu der sehr aufwendigen Neugestaltung des Innenlebens seiner Yacht entschlossen hatte. Derweil versucht der Autor nach dem ersten Eindruck unter Deck das Ergebnis noch für sich einzuordnen. Weiß. Viel Weiß an der Decke, den Rumpfseiten und den Schotts. Und Licht. Viel Licht. „Ich habe tatsächlich ein Faible für Beleuchtung“, gibt Ganswindt unumwunden zu. LEDs überall. Dimmbar, direkt, indirekt, kühl, warm, blendfrei. Be-,besser Ausleuchtung ist zentrales Thema unter Deck.
Muss es auch sein, denn Tageslicht hat es schwer, seinen Weg ins Innere der Hanse zu finden. Rumpffenster waren vor 15 Jahren zwar schon üblich. Sie fielen aber noch nicht so groß aus, wie das heutzutage häufig der Fall ist. Der Kajütaufbau ist zudem niedrig, die Linien an Deck sind dadurch zwar sehr gefällig, was einen reibungslosen Übergang zum schieren Vordeck ermöglicht. Der Nachteil daran: Es gibt kaum Platz für Fenster im Aufbau. Bleiben nur die Luken im Deck. Und das künstliche Licht.
Viel Weiß, viel Licht und dazu ein hellgrauer Boden. Klingt eher nicht nach heimeligem Yachtsalon. Beim Kaffee aber entdeckt man mehr. Etwa die dezenten Holzelemente rund um und unterhalb der üppigen Sitzgelegenheiten. Die wiederum sind ausgestattet mit einer bequemen Stoffpolsterung und Lederapplikationen – zugegeben ebenfalls in Grautönen gehalten. Und doch, das perfekt abgestimmte Licht sorgt für Glanz und Wärme. Hell und kühl und doch nicht ungemütlich. Diese Ambivalenz hat der Eigner bewusst so gewollt.
Und in welch einem Kontrast steht das neue Interieur zum originalen Ausbau der Hanse! Ganswindt hatte sich seinerzeit für Mahagoni-Einbauten in dunkelroter Färbung entschieden. „Wir haben das Schiff 2010 neu gekauft und sind damit auf dem IJsselmeer und der Nordsee unterwegs gewesen. Dann sind wir aus beruflichen Gründen für acht Jahre nach Hongkong gegangen. Das Schiff lag in der Zeit in Thailand. Das ist ein wunderschönes Revier. Aber es hat einen Nachteil: Die Luftfeuchtigkeit und der hohe Salzgehalt in der Luft.“
Nach der Zeit in Fernost sei das Innenleben der Hanse nicht mehr ansehnlich gewesen, der Lack unterlaufen, die Oberflächen milchig und trübe. Zeit für einen grundlegenden Refit. Ersten kleineren Veränderungs- und Optimierungsideen folgten rasch weitere. Wenn man einmal anfängt – man kennt es! Die Pantry beispielsweise sollte langfahrttauglicher werden: größerer Kühlschrank, Tiefkühler, mehr Ablagen. Auch ein Werkraum musste endlich her.
Die Eignerkabine über die volle Breite achtern war eh zu groß, fand Ganswindt. Sie wurde geteilt. Ein Durchgang führt nun von der Pantry in den neu geschaffenen Raum, in dem auch die Waschmaschine ihren Platz gefunden hat. In den Regalen und Schränken lagern Werkzeuge und jede Menge Ersatzteile. „Wenn man unterwegs ist, benötigt man das eben. Eine Reise unterbrechen zu müssen, um auf Teile zu warten, das macht doch keinen Spaß“, weiß der Eigner aus Erfahrung. Auch die zahlreichen, teils voluminösen Sitz- und Rückenpolster aus dem Cockpit kommen im neuen Werkraum unter. Zuvor habe man nie so recht gewusst, wohin damit, wenn sie nicht gebraucht wurden. Dass die Eignerkabine im Gegenzug schrumpfen musste, ist verkraftbar. Sie weist immer noch ausreichend komfortable Abmessungen auf.
Neben den Anpassungen im Inneren wird die Technik der “Pachmo” verfeinert: Lithiumakkus kommen an Bord, Generator und Klimaanlage werden gewartet. Das Teakdeck kommt runter. Es wird ersetzt durch eine Kunststoff-Alternative. Auch das Rigg wird angepasst: Ein Rollbaum von Mainfurl erleichtert fortan das Setzen und Bergen des Großsegels. Auch vorne wird jetzt doppelt elektrisch gewickelt. Vor der Selbstwendefock fährt nun eine Mischung aus Genua und Code Zero mit. Winschen und Beschläge werden gleichfalls optimiert. So sind wichtige Hebelklemmen durch stärkere ersetzt und eine E-Winsch für den Vorsegel-Furler ergänzt worden. Sie runden das Projekt ab.
Apropos Projekt: Da solch umfangreiche Arbeiten nicht mal eben so vom Eigner in Eigenregie umgesetzt werden konnten, wendet der sich an Judel/Vrolijk & Co in Bremerhaven. Schließlich hat das renommierte Konstruktionsbüro die Hanse 545 seinerzeit entworfen, zumindest den Rumpf und das Deck. „Das Innenleben war nicht von uns, das hatte die Werft damals selbst aus der Arbeit von Birgit Schnaase abgeleitet, die als Interieur-Designerin ja schon für das Vorgängermodell, die Hanse 531, verantwortlich zeichnete“, berichtet Jan Kuhnert. Der Industriedesigner hat den Refit der „Pachmo“ begleitet. „Die 531 besaß ein wegweisendes Design: deutlich aufgeräumter, weniger verspielt und viel kubischer als bis dato üblich“, so Kuhnert weiter. Auch der Lebensraum unter Deck: Viel Platz, um sich bewegen zu können, das waren Features, die der damalige Inhaber der Werft Michael Schmidt im Serienyachtbau etablierte.
Ebendieser Platz findet sich auch auf der 545. Und bevor die Puristen jetzt „nicht seegerecht“ rufen: Ja, stimmt, aber es stehen genügend Haltestangen und Handgriffe zur Verfügung, um sich in ruppiger See festhalten zu können. Eine Griffmulde am hohen Süll des Navitischs kam im Zuge des Refits sogar noch hinzu. Positiver Nebeneffekt: Es rutscht nun seitlich nichts mehr vom Kartentisch herunter.
Ebenfalls durchaus seegerecht: Aus Salontisch- und bänken lässt sich auf längeren Passagen eine Seekoje bauen. Im Hafen dann aber freuen sich Skipper wie Crew über die angenehmen Platzverhältnisse, die funktionale Pantry und über – wem es gefällt – das helle Ambiente. Der Umbau war aufwendig. „Das Schiff wurde zwar von uns entworfen, das heißt aber nicht, dass wir hundertprozentig verlässliche Daten etwa von der Systemplanung vorliegen haben. “
“Schon damals gab es viele Ausbau-Optionen ab Werft, und im Laufe eines Yachtlebens kann sich durch nachträgliche Anpassungen zusätzlich eine Menge verändern. Da muss nur ein Schlauch anders geführt worden sein als ursprünglich geplant, und schon würde nichts mehr passen. Also haben wir anfangs erst einmal alles genauestens vermessen“, berichtet Kuhnert. Dann machten sich die Designer ans Werk. „Ich fand es spannend, was man aus dem bestehenden Schiff noch rausholen konnte. Zumal wir nun ja auch das Interieur selbst erdenken durften – natürlich im Rahmen der Eignervorgaben“, so der Designer.
Ganswindt bekam zunächst ein digitales 3D-Modell des neuen Interieurs präsentiert. Strukturelle Anpassungen waren zum Glück nahezu keine erforderlich, weil die Schotts an Ort und Stelle bleiben sollten. Die Umsetzung des Möbelbaus oblag dem Tischler. Zuvor wurden Materialien und Oberflächen ausgesucht. Nachdem die neuen Einbauten an Ort und Stelle waren, stand das Finish der verbliebenen Oberflächen an.
„Die Werft hat uns ein Angebot gemacht. Die wollten alles abkleben und dann Spritzlackieren. Das verschlingt natürlich unendlich viele Stunden“, berichtet der Eigner. „Da habe ich gesagt: ‚Nein. Das wird foliert.‘ So ersparte man sich das Abkleben, was die Kosten deutlich senkte. Das Ergebnis ist für mich völlig okay, auch wenn es natürlich nicht wie lackiert aussieht.“ Schließlich wurde noch das alte Teakdeck ersetzt durch eine holzfreie Alternative. Und das Rigg erhielt die erwähnten Modifizierungen.
Nach Abschluss der Arbeiten begab sich Ganswindt sogleich auf eine ausgedehnte Ostseerunde. Zum Saisonende 2024 war er zurück auf dem IJsselmeer. Im Kielwasser: 3.500 Seemeilen. Der Umbau hatte zuvor rund anderthalb Jahre gedauert und fast ein Dutzend Gewerke umfasst. Schließlich aber waren es ja die guten Segeleigenschaften der 545, warum der Eigner sein Schiff aufwerten ließ und nicht einfach ein neues kaufte.
Beim unserem Bordbesuch in Lelystad weht der Wind mit acht Knoten. Wir legen dennoch ab, obwohl das Schiff eine kräftigere Brise gut vertragen könnte. Denn immerhin fahren da unten drei Kabinen, eine volle Pantry, Generator, Klimaanlage, jede Menge Wasser und Diesel und eben ein immenser Lebensraum mit. Die wollen erst einmal in Fahrt gebracht werden. Der Code Zero muss ran. Zusammen mit dem Rollgroß – die Segelgarderobe ist neu von Elvström an Bord gekommen – bringt er die Hanse auf gut fünf Knoten Speed. Das ist angesichts des lauen Windes sehr ordentlich für einen Cruiser dieser Größe.
Achtern am Rad sitzt es sich gut, bei wilderem Wetter vielleicht etwas exponiert, die Rückmeldung übers Rad ist aber prima. Mit etwas Gefühl lässt sich der Druck gut im Schiff halten. Böen quittiert die 545 mit mehr Speed. Krängung entsteht nicht. Die große Breite, der tiefe Kiel und das Gewicht vermitteln Souveränität. Das ist bei drei Windstärken natürlich kein Kunststück, doch auch bei mehr Wind hat „Pachmo“ wohl noch Stabilitätsreserven parat. 28 Prozent Ballastanteil sind angesichts der Breite ausreichend. Die Segeltragezahl von 4,5 mit der Selbstwendefock hingegen ist üppig. Kein Wunder, dass das Schiff auch bei wenig Wind mit dem großen Vorsegel so gut läuft.
Natürlich steckte der Teufel, wie so oft, im Detail. Die Hebelklemmen für die Fallen von Groß und Vorsegeln wurden ersetzt durch größere Modelle mit bissigeren Backen. So halten die Fallen die Spannung und die Segel die Form. „Da ist der Serienstandard einfach nicht ausreichend“, befindet der Eigner. Der Rollbaum von Mainfurl indes ist mechanisch. Er wird über eine Endlosleine betrieben, die wiederum auf einer Elektrowinsch achtern am Cockpit bedient wird. So habe man mehr Gefühl für das Rollverhalten des Segels. „Der mechanische Rollbaum und die E-Winsch samt Endlosleine waren zudem günstiger als ein elektrischer oder hydraulischer Rollbaum“, fügt Ganswindt hinzu.
Wie gut das System funktioniert, zeigt sich auf dem Weg zurück in den Hafen: Per Knopfdruck verschwinden Groß-und Vorsegel im Baum beziehungsweise am Vorstag. ”Pachmo” hinterlässt den Wunsch, es einmal bei mehr Wind zu fahren. Der steife Rumpf, der tiefe Schwerpunkt und das kräftige Rigg, gepaart mit einer direkten Steuerung: Das muss trotz der Schiffsgröße eine Menge Spaß bereiten. Die lange Wasserlinie sorgt dabei für hohe Geschwindigkeiten und mithin üppige Etmale.
Die Segeleigenschaften der Hanse sind also durchaus gut. Sie sind ein Teil der Antwort auf die Frage: Warum solch ein aufwendiger Refit für eine Großserienyacht? „Ich mag das Schiff, es ist solide gebaut, vielleicht besser als heutige Großserienyachten. Es segelt gut und steif, wir haben bereits viele Meilen im Kielwasser. Ich vertraue dem Schiff“, nennt Eigner Ganswindt weitere Gründe für den beachtlichen Aufwand. Die Hanse ist für ihn die ideale Plattform für Verbesserungen, wie er sie haben wollte: ein solider, massiv laminierter Rumpf mit gutem Geschwindigkeitspotenzial, in den ein individuelles Interieur eingebaut wird und auf den ein mit Kutterstag und Rollbaum angepasstes Rigg gestellt wird. So gesehen, eine sinnvolle Anpassung.
Taugt das aber auch als Vorlage für eine ganze Armada von Serienbooten, die nach 15 bis 20 Jahren eine Neuausrichtung benötigen? „Man braucht schon eine gewisse Bootsgröße, damit sich das alles in diesem Maße rechtfertigt. Auf einer 36-Fuß-Serienyacht wäre das sicher nicht darstellbar, weil schlicht viel zu kostspielig“, sagt Jan Kuhnert. Bei einem Schiff wie der Hanse 545 aber, in den Händen eines Eigners, der sie zu schätzen weiß und die eben auch strukturell genug zu bieten hat, um manche Extravaganzen zu vertragen, kann das Konzept aufgehen. „Das heißt natürlich nicht, dass nicht auch auf kleineren Schiffen Dinge verändert werden können, um sie an den Zeitgeist anzupassen. Der Umfang bei diesem Projekt aber war schon durchaus besonders“, so der Designer.
Eigner Ganswindt indes ist zufrieden mit dem Ergebnis. Jetzt freut er sich auf weitere weite Reisen. Der betriebene Aufwand habe sich gelohnt: „Das ist jetzt mein Traumschiff, so wollte ich es immer haben“, versichert er. Und so soll es ja auch sein.