Hallberg-Rassy 340 im TestAgiler und gutmütiger Segler – die ideale Fahrtenyacht?

Hauke Schmidt

 · 12.06.2024

Kraftvoll und komfortabel. Die Rassy segelt sehr temperamentvoll und stets kontrolliert, selbst groben Seegang steckt sie gut weg
Foto: YACHT/Ben Scheurer
Lotrechter Steven, breites Heck, zwei Ruderblätter: Die HR 340 ist alles andere als konservativ – und gerade deshalb eine der besten Fahrtenyachten, die Hallberg-Rassy je gebaut hat

Kurz vor der Öppet Varv genannten Bootsmesse ist der Werfthafen von Hallberg-Rassy in Ellös gut mit Yachten belegt. Das Gros der Boote misst 40 Fuß und mehr. Allein vom Topmodell HR 64 liegen vier Schiffe im Becken. Dazwischen, direkt unter dem Mastkran, wartet die frisch aufgeriggte 340 auf die Testcrew. Kaum länger als eine Stunde liegt die Bau­nummer 1 im Wasser.

Dunkelblauer Zierstreifen, deutlicher Deckssprung, teakbelegte Schanz, eine feste Scheibe und eine solide Scheuerleiste: Die klassischen HR-Attribute sind vorhanden, doch mit stattlichen 1,34 Meter Freibordhöhe am Bug und immerhin noch 1,15 Metern am Heck ist der Rumpf recht dominant. Und auch dem Aufbau sieht man an, dass unter Deck reichlich Stehhöhe vorhanden ist.

Gegenüber dem 13 Jahre lang gebauten Vorgängermodell HR 342 wirken die Rumpflinien mit lotrechtem Steven und dem breiten Heck geradezu radikal. Von einem Traditionsbetrieb mit dem Ruf, gediegene, aber auch konservative Fahrenyachten zu bauen, hätte man einen derartigen Designsprung nicht erwartet.


Die Konkurrenz

Comfortina 35: Schwedisch-deutscher Dauerbrenner, mit sportlicher Grundausrichtung. Der Entwurf stammt aus den neunziger Jahren. Beim Test 2007 konnte das Boot die Konkurrenz noch aussegeln
Foto: YACHT/N. Krauss

Natürlich hat Werftchef Magnus Rassy das Boot vor den Betriebsferien schon erprobt – doch dann kam es gleich wieder in die Halle. Daher hat die Rassy noch keine 50 Meilen im Kielwasser, geschweige denn blieb eine Crew über Nacht an Bord. Genau das sieht das Programm für die nächsten zwei Tage vor. Denn statt eines kurzen Schlags steht im Rahmen des YACHT-Toptests ein umfangreicher Fahrtentörn an – inklusive Übernachtung, Frühstück und Abendessen.

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So viel vorweg: In kaum einem Hotel hätten wir besser geschlafen. Licht, Luft, Kojenmaße, Matratzenqualität und Bewegungsfreiheit in Vor- und Achterkammer überzeugen ebenso wie die gebotene Privatsphäre. Lediglich das im Vorschiffsschrank installierte Ladegerät schmälerte die Nachtruhe, da es trotz voller Akkus reichlich Abwärme erzeugte und sein Lüfter fast ununterbrochen lief. Ein Punkt, den die Werft einfach in den Griff bekommen sollte.

Doch zurück zum Anfang: Auffälligste Neuerung ist die nahezu dreieckige Rumpfform. Die maximale Breite von 3,47 Metern liegt bei etwa zwei Dritteln der Schiffslänge und nimmt zum Heck lediglich um 20 Zentimeter ab.

Der zusätzliche Auftrieb im Heck erfordert auch mehr Volumen im Vorschiff, damit das Boot am Wind nicht vertrimmt. Beides zusammen steigert das Platzangebot an und unter Deck enorm. So ist das Cockpit nicht nur sehr viel breiter, sondern auch 42 Zentimeter länger als beim Vorgängermodell. Die Wasserlinie ist um mehr als einen Meter gewachsen. In dieser Bootsgröße sind das Welten.

Doppelt & gut

Die ausladende Form hat Folgen für das Steuersystem. Eine zentrale Flosse müsste sehr weit vorn sitzen oder sehr tief gehen, um bei Lage nicht aus dem Wasser gehebelt zu werden – beides keine optimalen Lösungen. Stattdessen setzt Hauskonstrukteur Germán Frers auf eine Doppelruderanlage mit vergleichsweise kleinen und sehr weit achtern platzierten Blättern. Im Standard werden sie durch eine Pinne angelenkt. Das Testboot ist jedoch mit zwei Steuerrädern bestückt – eine Option, die einen happigen Aufpreis kostet.

Schon beim Ablegen zeigt sich, wie gelungen die Ruderanlage ist. Systembedingt fallen Manöver aus dem Stand schwerer, da die außermittigen Blätter nicht im Schraubenstrahl liegen. Dennoch dreht die HR schon bei der geringsten Vorausfahrt sehr agil an und wendet in etwa einer Schiffslänge. Hafenmanöver gelingen so ohne Schwierigkeiten. Für starken Seitenwind ist der optionale ausfahrbare Bugstrahler empfehlenswert. Das Aggregat stammt von Sidepower und ist sehr potent, kostet allerdings ebenfalls extra.

Die Kosten relativieren sich, wenn zugleich die elektrische Vorsegelrollanlage oder die elektrische Ankerwinsch geordert wird, da Akkus und Ladetechnik nur einmal anfallen. Das Testboot ist mit all diesen Extras ausgerüstet, entsprechend bequem verläuft das Segelsetzen. Während das Groß per Hand gehisst wird, beschränkt sich das Ausrollen der Genua auf einen Knopfdruck. Vorteil des direkten E-Antriebs: Die leidige Reffleine samt Führung ins Cockpit entfällt. Elektrische Fall- und Schotwinschen sind ebenfalls erhältlich, aber nicht unbedingt nötig, denn die verdeckte Führung der Fallen arbeitet erfreulich reibungsarm, und die Kurbel­position ist gut. Dass für selbstholende Fallwinschen 300 Euro extra verlangt werden, passt aber nicht zum Grundpreis und zum Konzept.

Unter Segeln verstärkt sich der positive Eindruck der Ruderabstimmung noch. Selbst bei nur 8 bis 10 Knoten Wind nimmt die Rassy zügig Fahrt auf und fühlt sich lebendig an – keine Spur von der bei Doppelruderanlagen zuweilen üblichen Trägheit, kein Anzeichen eines schwammigen Steuergefühls. Viel Druck vermittelt das System nicht, die Rückmeldung erfolgt aber so direkt, dass sauber und entspannt an der Windkante ge­segelt werden kann. Bei einem Wendewinkel von gerade mal 80 Grad sind gut 5,5 Knoten möglich.

Wie agil die Schwedin anspricht, zeigt sich beim Wenden. Bis man sich an die unerwartete Drehfreude gewöhnt hat, geraten die Kurswechsel leicht so abrupt, dass das Boot auf dem neuen Bug gleich auf Halbwindkurs segelt. Umso erstaunlicher ist die Kurstreue bei zunehmendem Wind und einfallenden Böen. Durch die enorme Breite und den tiefen Kiel segelt die Rassy sehr steif, und selbst stärkere Krängung hat dank der Doppelruderanlage fast keinen Einfluss auf den Trimm; der Ruderdruck nimmt kaum merklich zu, ein Fieren der Großschot oder des ohnehin sehr kurzen Travellers ist in Drückern nicht nötig.

Rau statt flau

Am zweiten Testtag frischt der Wind auf 15 bis 18 Knoten auf und dreht auf Südwest. Damit steht vor den Schären eine unangenehm steile, etwa 1,5 Meter hohe Welle. Auch bei diesen widrigen Bedingungen überrascht der gelassene und gleichzeitig sport­liche Charakter der 34er.

Trotz des fülligen Vorschiffs setzt der Rumpf weich ein und verliert kaum Fahrt. Die Doppelruder erweisen sich als wahrer Segen, ein Strömungs­abriss ist zu keiner Zeit zu befürchten. Um den optimalen Kurs über die Wasserberge zu finden, ist allerdings aktives Steuern nötig, denn das drehfreudige Boot verlangt schnelle Korrekturen. Die Pinnen-Version dürfte bei solchen Bedingungen im Vorteil sein.

Ein geschütztes Cockpit gehört zu den klassischen Hallberg-Rassy-Tugenden, daher verwundert es nicht, dass wir keinen Tropfen abbekommen, obwohl der Bug zuweilen in einem Wellenberg verschwindet und das Wasser in Lee einem Gebirgsbach gleich über das Seitendeck rauscht. Besonders angenehm dabei: Der Schutz behindert die Sicht nicht. Selbst im Sitzen hat der Ruder­gänger freien Blick nach vorn und in die Segel.

Bei starker Krängung fehlt es allerdings an Halt für die Füße. Ebenfalls nicht ganz optimal ist die Position des zentral angeschlagenen Achterstags, es behindert den Wechsel zwischen den Steuerrädern und schränkt den mittigen Durchgang zur optionalen Badeplattform ein. Die 1,5 Quadratmeter große ausklappbare Seeterrasse kostet extra; im Standard ist das Heck offen.

Gewohnt gemütlich

Äußerlich mag die Hallberg-Rassy zu einer neuen Generation gehören, unter Deck herrscht weiterhin gediegenes Echtholz-Ambiente in bester skandi­navischer Bootsbautradition. Natürlich ist die Zeit auch dort nicht stehengeblieben. Die Linienführung ist klar und schnörkellos, Holzarbeiten und Lackierung sind auch an schlecht einsehbaren Stellen von erster Güte.

Die großen, bündig in den Aufbau eingesetzten Seitenfenster aus gehärtetem Glas sorgen zusammen mit den ebenfalls bündig montierten Decks­luken und den Rumpffenstern in Salon und Achterkammer für schöne Aussicht und viel natürliches Licht. Zudem ist bereits in der Grundausrüstung direkte und indirekte LED-Beleuchtung vorhanden, die auf Wunsch noch erweitert werden kann.

Um das Platzangebot der Rumpflinien optimal zu nutzen, hat Werftchef Magnus Rassy ein in dieser Bootsgröße seltenes Layout gewählt. Wie bei der kleinen Schwester HR 310 liegt der Waschraum vorn. Dadurch rückt der Salon nach achtern und gewinnt deutlich an Volumen. Dazu passend ist auch die L-förmige Pantry quasi rückwärts montiert, ihr kurzer Schenkel liegt am Niedergangsschott. So kann sich der Smut auf See zwischen Treppe und Herd verkeilen, außerdem bleiben die Wege zwischen Niedergang und Salon sowie in die Achterkammer beim Kochen frei.

Ebenfalls aus der HR 310 bekannt: Der Navitisch wurde abgeschafft, an seiner Stelle verbauen die Schweden lediglich einen Schaltschrank mit einer etwa DIN-A3-großen Ablage – angesichts zweier Plotter und den beiden großen Ablagen hinter der festen Scheibe in der Plicht ein annehmbarer Kompromiss. Der freigewordene Raum kommt den Sitzduchten im Salon zugute, die mit zwei Meter Länge und 91 Zentimeter Schulterbreite komfor­table Einzelkojen abgeben.

Wie eingangs erwähnt, sind auch Vor- und Achterkammer mit bequemen Kojen ausgerüstet. Im Heck ist die Länge zwar etwa knapper, dafür ragen aber keine Teile der Rudermechanik in den Fußraum, und die lichte Höhe über der Liegefläche ist sehr angenehm.

Auf dem Weg ins Vorschiff fällt eine clevere Türlösung ins Auge. Die meisten 34er dürften in der Regel von Zweiercrews bewegt werden, daher bleibt der Durchgang zur Bugkammer offen. Ist mehr Privatsphäre gewünscht, kann der Eigner­bereich separiert werden. Eine überdimensionale Schranktür schließt wahlweise den Kleiderstauraum oder den Weg zur Koje – und zwar so, dass die Nasszelle für Gäste nutzbar bleibt.

Typisch Rassy ist das Angebot an gut erreich­baren Schapps, Schränken und Stauräumen. Vor allem im Vorschiff lässt sich problemlos das Gepäck für längere Törns unterbringen, aber auch in Pantry, Backskisten und dem zweistöckigen Ankerkasten herrscht kein Platzmangel. Unter dem Zwischenboden des Bugstauraums wirken selbst 40 Meter Ankerkette fast verloren.

Zwangsläufig teuer

Erwartungsgemäß ist die HR 340 kein Schnäppchen. Für etwas mehr als 300.000 Euro bekommt man aber eine sehr solide und durchdachte Yacht, bei der jedes Detail spürbare Qualität vermittelt. Zudem fällt die Grundausrüstung sehr umfangreich aus. Und dann ist da ja noch etwas, das überzeugt: Die modernen Rumpflinien und die Doppelruderanlage ermög­lichen Segeleigenschaften, die noch vor Kurzem Performance-Cruisern vorbehalten waren. Gleichzeitig segelt das Boot so gutmütig und komfortabel, wie man es von einer guten Fahrtenyacht erwartet.

Die Messwerte zum Test der Hallberg-Rassy 340

Wind: 15–18 kn (4–5 Bft.), Wellenhöhe: ca. 1,5 Meter

Die Hallberg-Rassy 340 im Detail

Das Heck schnürt fast nicht ein, dadurch entsteht achtern viel Platz | Zeichnung: YACHT/N. CampeDas Heck schnürt fast nicht ein, dadurch entsteht achtern viel Platz | Zeichnung: YACHT/N. Campe

Technische Daten der Hallberg-Rassy 340

  • Konstrukteur: Germán Frers
  • CE-Entwurfskategorie: A
  • Rumpflänge: 10,36 m
  • Gesamtlänge: 10,95 m
  • Wasserlinienlänge: 10,10 m
  • Breite: 3,47 m
  • Tiefgang/alternativ: 1,90/1,55 m
  • Theor. Rumpfgeschwindigkeit: 7,72 kn
  • Gewicht: 6,0 t
  • Ballast/-anteil: 2,3 t/39 %
  • Masthöhe über Wasserlinie: 16,46 m
  • Großsegel: 33,9 m2
  • Rollgenua (109 %): 32,0 m2
  • Maschine (Volvo): 21 kW/29 PS
  • Kraftstofftank: 188 l
  • Frischwassertank: 277 l
  • Fäkalientank: 85 l

Rumpf- und Decks­bauweise

GFK-Sandwichkonstruktion mit Schaumkern. Gebaut im Handauflegeverfahren mit Vinylester und Polyester. Hauptschotten am Rumpf anlaminiert

Ausstattung, Preis und Werft

  • Grundpreis ab Werft: 308.925 € brutto inkl. MwSt.
  • Standardausrüstung inklusive: Segel, Motor, Schoten, Reling, Positionslaternen, Batterie, Kom­pass, Polster, Pantry/Kocher, Lenzpumpe, WC, Segelkleid, Fender, Festmacher, Feuer­löscher, E-Kühlfach, Fäkalientank mit Absaugung, Antifouling
  • Darüber hinaus im Preis enthalten: Feste Scheibe, Scheuerleiste, Bugspriet, Rollanlage unter Deck
  • Garantie/gegen Osmose: 1/1 Jahre

Stand 05/2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!

Werft

Hallberg-Rassy Varvs AB, 47431 Ellös; www.hallberg-rassy.com

Vertrieb

Hallberg-Rassy Deutschland GmbH, Horst von Hörsten, 23730 Neustadt, Tel. 04561/55 86 48, www.hallberg-rassy.com

YACHT-Bewertung der Hallberg-Rassy 340

Die HR 340 setzt den mit der 44er begonnenen Generationswechsel fort. Die Kombination aus agilen und zugleich gutmütigen Segeleigen­schaften ist sehr gelungen und macht sie zur idealen Fahrtenyacht

Konstruktion und Konzept

  • + Moderne Rumpflinien
  • + Robuste Bauweise
  • + Sehr gute Doppelruderanlage

Segelleistung und Trimm

  • + Sehr lebendig, dabei stets verlässlich
  • + Segelleistung sehr einfach abzurufen
  • + Neutrales, aber gutes Steuergefühl

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Sehr gutes Raumangebot
  • + Hochwertiger und solider Ausbau
  • + Seegerechte Ausstattung

Ausrüstung und Technik

  • + Sehr hochwertige Komponenten
  • + Vorbildliche Installation
  • - Ladegerät ungünstig eingebaut

Die Hallberg-Rassy 340 im Video

Der Artikel erschien erstmals in YACHT 20/2017 und wurde für die Online-Version aktualisiert.

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