Monsun 31Greenfit statt Refit, was bringt das für die 50 Jahre alte Hallberg-Rassy?

Hauke Schmidt

 · 20.04.2024

E-Antrieb, giftfreies Antifouling und Recycling-Segel: Die alte HR verursacht nur wenig Emissionen
Foto: YACHT/B. Scheurer
50 Jahre nach dem Stapellauf segelt die erste je gebaute Hallberg-Rassy wieder. Beim Refit des legendären GFK-Klassikers spielt die Nachhaltigkeit eine große Rolle

Als der vom Starnberger See nach Schweden ausgewanderte Christoph Rassy 1973 mit dem Bau der ersten Monsun 31 begann, konnte niemand damit rechnen, dass der Werftgründer einen GFK-Klassiker mit legendärem Ruf erschaffen würde. Das Boot war die Keimzelle von Hallberg-Rassy und wurde zudem der bisher größte Stückzahl-Erfolg der Werft. Ganze 904 Yachten entstanden zwischen 1973 und 1982. Inzwischen ist ein halbes Jahrhundert vergangen, und dennoch segeln fast alle Monsuns bis heute, viele auf der Ostsee, teils aber auch auf großer Fahrt.

Monsun 31, Baunummer 1 wird wiederbelebt

Eine ebenfalls lange Reise hat die Baunummer 1 hinter sich, die unter dem Namen „Zeasy“ vor uns am Steg liegt. Ursprünglich in die USA ausgeliefert, wurde sie 2008 zurück nach Deutschland überführt, wo sie lange Zeit im Dornröschenschlaf verbracht hat. „Es war ein Zufallsfund. Als wir auf die Verkaufsanzeige gestoßen sind, stand das Boot bereits elf Jahre an Land“, so Eigner Carl Brockhausen.

„Die Vorbesitzer hatten mit dem Refit bereits begonnen, aber diverse Baustellen zurückgelassen. Außerdem wollten wir das Boot nicht nur refitten, sondern greenfitten“, so Brockhausen. Das zeigt sich auch im Bootsnamen. „Zeasy“ steht für zero emission and sustainable yachting. Mit der gleichnamigen Firma will Brockhausen Werften und Eigner dabei unterstützen, alte Boote wieder attraktiv zu machen und gleichzeitig mit umweltfreundlicher Technik auszurüsten. Die Monsun dient quasi als Schaufenster und Versuchsträger.

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Die Monsun 31 bekam einen Elektroantrieb

Paradebeispiel dafür ist der Elektroantrieb. Die gebrauchte Hallberg-Rassy war wie viele alte Yachten mit dem originalen Dieselmotor ausgerüstet. Nach der langen Standzeit hat Brockhausen gar nicht erst versucht, ihn zu starten, zumal in der Bilge eine unheilvolle Mischung aus Kraftstoff, Öl und Wasser schwappte.

Stattdessen bekam „Zeasy“ einen zehn Kilowatt starken Elektroantrieb nebst zwei Lithiumakkus mit je 6,5 Kilowattstunden Kapazität. Auf dem Papier ergibt das bei Vollstrom eine Reichweite von 8,5 Seemeilen. Wie sich der Elektromotor in der Praxis macht, zeigt sich aber erst, wenn man damit tatsächlich unterwegs ist.

Die größte Herausforderung auf dem Törn zum Werftjubiläum war die zu schwache Elektrik der Häfen, wir konnten kaum richtig laden”

Die Feuertaufe war der 240 Seemeilen lange Törn zum fünfzigsten Werftjubiläum nach Ellös. „Die größte Herausforderung war die Elektrik der Häfen. Wir hatten ein sehr leistungsfähiges Ladegerät eingebaut. Dafür waren die Häfen in Dänemark und Schweden oft nicht hoch genug abgesichert. Häufig fiel der Strom aus, und wir konnten kaum nachladen. Inzwischen haben wir zusätzlich einen schwachen Lader als Backup an Bord, damit können wir über Nacht laden, ohne dass die Sicherung rausfliegt“, so Lorenz Pinck, der sich um die Installation der Elektrik gekümmert hat.

Die Monsun 31 motort wie unter Segeln

Beim Probeschlag mit vollen Akkus zeigt sich der Antrieb des niederländischen Anbieters Waterworld von seiner besten Seite. Praktisch lautlos gleitet die Hallberg-Rassy 31 aus der Box und über die Schlei. Erst jenseits der fünf Knoten wird ein Rauschen hörbar. Es sind die Propellergeräusche, die normalerweise vom Krach des Diesels übertönt werden.

Dank des geräuschlosen Motors sind sie präsent, sodass man intuitiv zum Stromregler greift und etwas Fahrt herausnimmt. Schon kehrt wieder Ruhe ein. Mit vier statt fünfeinhalb Knoten geht es die Schlei entlang. Das Faszinierende dabei: Die Motoretappe fühlt sich fast wie segeln an, denn es treten keine Vibrationen auf, und das Plätschern von Bug und Heckwelle bestimmt die Akustik.

Als erfreulicher Nebeneffekt der langsameren Fahrt nimmt die Reichweite der Hallberg Rassy deutlich zu. Laut Batteriemanagement kämen wir in dieser Fahrstufe rund 16 Seemeilen weit, das ist doppelt so viel wie mit fünfeinhalb Knoten. Notfalls beschleunigen die zehn Kilowatt Motorleistung auf etwa sechseinhalb Knoten und stoppen das Boot dank des enormen Drehmoments und eines entsprechenden Propellers in einer Bootslänge auf.

Ein weiterer Pluspunkt des Elektroantriebs ist der geringe Platzbedarf. Die gesamte Technik passt in den alten Motorraum der Monsun. Selbst die Versorgungsbatterie hat noch Platz. Das hält die Kabelwege kurz und macht andernorts Stauraum frei. Die Backskiste war mit den alten Akkus belegt, außerdem war dort noch ein Behelfstank installiert. „Der Dieseltank ist eigentlich unterhalb des Motors in den Kiel laminiert. Er war aber derart verschmutzt, dass ihn einer der Voreigner bereits stillgelegt hatte. Selbst als wir den alten Volvo draußen hatten, konnten wir kaum an den Tank, um ihn sauber zu machen. Da er nicht mehr benötigt wird, haben wir ihn schließlich versiegelt“, so Brockhausen.

Auch die Segel der Hallberg-Rassy sind nachhaltig

Auf der Kleinen Breite angelangt, setzen wir die Segel. Sie stammen von Elvstrøm und sind aus Ekko-Laminat gefertigt. Dabei handelt es sich um wiederverwertetes Polyester, das aus gebrauchten PET-Flaschen gewonnen wird. Schoten, Fallen und Festmacher sind ebenfalls aus recyceltem PET hergestellt.

Mast, Baum und Rollanlage dagegen sind neue Standardware von Seldén. Beim Rigg ging die Sicherheit vor, eine Überholung des fünfzig Jahre alten Mastes stand daher nicht zur Debatte. Außerdem trägt das neue Rigg zur optischen Modernisierung bei.

Natürlich gibt es kein neues Teakdeck

Dazu leistet auch das Deck einen großen Beitrag. Es wirkt zwar wie Teak, ist aber eine Nachbildung auf Polyurethan-Basis. Das Produkt nennt sich Ecodeck und soll eine Lebensdauer von rund 20 Jahren besitzen. Anschließend kann es vollständig wiederverwendet werden. Das Material ist seit 2012 am Markt und wird auch von Hallberg-Rassy als Alternative zum Holzdeck angeboten.

Ursprünglich war „Zeasy“ mit einem GFK-Deck mit Antirutsch-Struktur unterwegs. Der Balsakern hat aber an einigen Stellen rund um die Klampen und Handläufe Wasser gezogen. „Da war nur noch Torf, deshalb mussten wir das Deck aufschneiden und neu laminieren. Im Salon ging das unsichtbar von unten. Auf dem Vorschiff mussten wir aber von oben ran. Um diese Reparaturen abzudecken, musste ein Belag her“, so Brockhausen.

Neben Ecodeck stand auch Kork zur Wahl. Brockhausen begründet die Entscheidung für den Kunststoff so: „Den Ausschlag gab die stabile wasserfeste Trägerplatte aus Holzfasern. Damit lässt sich der PU-Belag auch auf nicht perfekt ebenen Untergründen verlegen. Bei einem Korkdeck hätten wir sehr viel spachteln müssen, denn das GFK-Deck war wie bei vielen alten Yachten nicht wirklich eben.“

Ein weiterer Vorteil von Ecodeck: Das Material harmoniert optisch sehr gut mit echtem Teak, das Dollbord und die Handläufe aus Holz konnten so erhalten bleiben. Zudem wirkt die Monsun mit der Holzdeckoptik deutlich wertiger, was gut zu Brockhausens Vorstellung vom Greenfit passt, es geht ihm nicht nur um die Nachhaltigkeit, sondern auch um einen Mehrwert für den Eigner.

Der Charakter unter Segeln blieb erhalten

Am gemütlich gemächlichen Charakter der Monsun ändern die Neuerungen indes nichts. Wer aktuellere Yachten gewohnt ist, fühlt sich auf der betagten Rassy wie im Zeitlupen-Modus. Das nicht vorbalancierte Ruder benötigt für Kursänderungen eine starke Hand, dafür kann man die Pinne bei gut getrimmten Segeln aber auch getrost für einige Minuten festlaschen, ohne vom Kurs abzukommen. Wenden und Halsen sind, sagen wir mal, entschleunigt.

Gerade wenn wie bei unserem Testschlag nur eine leichte Brise weht, erzieht die Monsun zur Gelassenheit, wenn sie mit stoischer Ruhe durch den Wind dreht und man gemütlich erst die Genuaschot lösen und gefühlte Minuten später die neue Leeschot dichtnehmen kann.

Spaß macht es trotzdem oder vielleicht auch gerade wegen der erzwungenen Entspannung. Der Sohn den Werftgründers, Magnus Rassy, beschreibt die Monsuns treffend als:

Langfahrtsegelyachten, die nie modern waren, aber auch nie aus der Mode kommen werden“

Im Bootsinneren wurde rangeklotzt

Das gilt aber nicht unbedingt für die Gestaltung des Innenraums. Dort haben sich die Ansprüche in den letzten 50 Jahren deutlich geändert. Großflächig mit beigefarbenem Vinyl beklebte Decken und ein blanker GFK-Boden sind nicht mehr in Mode. Daher stand unter Deck entschlacken an. Die Monsun sollte ihren klassischen Charakter behalten, aber heller und moderner wirken. Dazu gehörten das Entfernen der alten Vinyl-Beschichtung und eine komplette Neulackierung.

„Wir haben versucht, alles so nachhaltig wie möglich zu machen, bei Lackierungen stößt man aber schnell an Grenzen, schließlich soll das Ergebnis auch robust langlebig sein. An lösungsmittelhaltigen Zwei-Komponenten-Produkten führt da kaum ein Weg vorbei“, so Brockhausen.

Rund 80 Prozent der Arbeiten haben Brockhausen und Pinck allein gestemmt und rund 1.000 Stunden investiert. Die Laservermessung des Decks, des Salonbodens und der Decke hat Martin Dittmer übernommen, Chef der Blaupause Bootsbau GmbH in Kappeln. Mit Hilfe der Daten hat er die neue Deckenverkleidung konstruiert und passgenau gefräst. Das Anfertigen von Schablonen und langwierige Anpassungen waren damit überflüssig.

Auch unter Deck wurden nachhaltige Materialien eingesetzt

Allein dieses vergleichsweise simple Holzteil mit der eingefrästen Leisten-Optik verändert die Anmutung der Rassy enorm. Zusammen mit der weißen Lackierung und den hellblauen Polstern aus recyceltem und atmungsaktivem Kunstleder ergibt sich eine regelrechte Frischzellenkur fürs Interieur. Andere Neuerungen wie das per Bluetooth vernetzte Bussystem sind weniger augenscheinlich. Es erleichtert die Elektroinstallation deutlich und spart etliche Meter Kabel. Die komplette 12-Volt-Verdrahtung hat nur einen Tag gedauert.

Der Trick dabei: Es wird nur eine zweipolige Versorgungsleitung durchs Schiff gelegt. Jeder Verbraucher wird mit einer kleinen, Node genannten Box in die Leitung eingeschleift. Die Boxen enthalten die Schalt- und Überwachungselektronik und kommunizieren per Funk mit einer Zentraleinheit, die sich per App steuern und einrichten lässt. „Das System kommt vom Start-up Revotion und wird in Deutschland gefertigt“, so Pinck.

Prompt führt er auf einem Tablet vor, wie einfach es einzurichten ist. Nach wenigen Klicks ist ein virtuelles Schaltpaneel entstanden, mit dem sich die Beleuchtung steuern lässt. Tankanzeigen, Temperaturgeber und ein Batteriemodul zur Überwachung des Ladezustands lassen sich ebenso einbinden.

So etwas konnte man sich 1973 vermutlich noch weniger vorstellen als den nachhaltigen Erfolg der Monsun 31, der mit „Zeasy“ in die nächsten 50 Jahre geht.

yacht/hallberg-rassy-31-monsun-kopie_e2faaa5c0c4285d25793095fd36a70aaFoto: A. Hoppenhaus

Technische Daten

  • Konstrukteur Olle Enderlein
  • Rumpflänge 9,36 m
  • Wasserlinienlänge 7,50 m
  • Breite 2,87 m
  • Tiefgang 1,42 m
  • Gewicht 4,2 t
  • Ballast/-anteil 1,9 t/45 %
  • Großsegel 21,0 m²
  • Rollgenua (100 %) 18,0 m²
  • E-Motor 10 kW/14 PS
  • Akkukapazität 13 kWh

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