Es gibt sie, diese Designs, die polarisieren – die man liebt oder rundherum ablehnt. Die Vespa ist so eins. Oder der Käfer von VW, erfolgreich, zigtausendmal verkauft und mit einer treuen Anhängerschaft. Aber eben auch mit Widersachern, die nicht müde werden, auf die Schwächen des Produktes hinzuweisen.
Die Midget 26 ist auch so ein Entwurf. Zwar anders als Käfer und Vespa nur rund 200-mal gebaut, aber eben polarisierend. Spitzgatter, Langkiel, angehängtes Ruder und eben irgendwie knuffig; dafür im Inneren nicht gerade geräumig. Die Seetüchtigkeit aber ist legendär: Mehrere Weltumrundungen mit dem Typ belegen das.
Genauso legendär ist die Fertigungsqualität. Rund dreieinhalb Tonnen Gewicht sprechen bei der Länge für soliden Bau oder übervorsichtige Kalkulation. Rumpf und Deck werden aneinander festlaminiert, Technik und Interieur müssen daher durch den Niedergang passen. 41 Prozent Ballast sorgen für Stabilität. Ein weiteres Beispiel für den soliden Bau sind die Einfassungen der Schwalbennester im Cockpit: Sie wurden seinerzeit aus einer ganzen Teakplatte gefräst, somit gibt es keine Nähte, was Langlebigkeit zur Folge hat. Der Verschnitt allerdings würde Controllern in modernen Werften den Schweiß auf die Stirn treiben.
Noch so ein Beispiel gibt Werftchef Martin de Kloet selbst zum Besten: „Die Fenster setzten wir mit Silikon ein. Das ist dauerhaft einfach das beste Dichtmittel. Das Gelcoat ist von besonderer Qualität und ausreichend dick. Es muss also nie lackiert werden.“ Hoffentlich hat er recht, denn Lack hält nicht auf Flächen, auf denen das Dichtmittel aufgebracht wurde.
Das Testboot aus dem Jahr 2001 hat rund 15 Jahre am Mittelmeer gelegen. UV und Salzwasser konnten dem Gelcoat in dieser Zeit keine dauerhaften Blessuren zufügen. Insofern stehen die Chancen gut, dass eine Lackierung tatsächlich erst mal nicht ansteht. An hochbelasteten Stellen wurden in Rumpf und Deck Multiplexplatten eingelegt. Das Deck ist teils als Sandwich mit geschlossenporigem Schaum gefertigt. Der Wassertank aus Polyester ist fest einlaminiert und verfügt nicht über eine Inspektionsluke. Eine solche fehlt auch dem Dieseltank, der allerdings ist aus Edelstahl gefertigt und kann aus dem Schiff genommen werden.
Betritt man das Schiff, fällt die enorme Stabilität auf. Kein Wunder: Fast drei Meter Breite bei einer Länge von 8,35 Metern bewirken eine Menge Anfangsstabilität. Zudem verhilft der große Ballastanteil zu einem sicheren Gefühl an Bord. Dazu trägt natürlich auch bei, dass die Gangboards breit sind und das Cockpitsüll hoch. Das Schiff strahlt also Solidität und Sicherheit aus.
In etwa so wie der Käfer. Leider gibt es eine weitere Gemeinsamkeit: Wie auch der Porsche-Entwurf mit Heckmotor fährt die Midget nicht sonderlich lebhaft. Um nicht zu sagen: langsam. Mit Fock und Groß bringt sie es auf gerade mal 23 Quadratmeter Segelfläche. In Anbetracht des Gewichts ist das zu wenig. Die Segeltragezahl ist mit 3,2 fast schon sagenhaft niedrig. Hinzu kommt die große benetzte Fläche des Langkielers, was zu eher unerfreulichen Ergebnissen unter Segeln führt.
Am Testtag weht es mit 10 bis 12 Knoten, dabei wird mit etwas mehr als 100 Grad über Grund gewendet. Die Geschwindigkeiten sind ebenfalls nicht atemberaubend. Immerhin: Es gibt leichten Ruderdruck. Böen spürt man in der langen Pinne.
Wenden gehen auch ohne Motorunterstützung einfach vonstatten. Bei viel Wind und Welle wird das Schiff fraglos seine Stärken ausspielen; geschützt vor Spritzwasser im tiefen Cockpit mit langkielertypischem, souveränem Seeverhalten stellen auch 6 und mehr Beaufort kein Problem dar. Bei wenig Wind allerdings ist die Midget untertakelt. Selbst die größere Genua wird dabei nicht viel helfen. Auch hier erreicht die Segeltragezahl gerade einmal 3,6 und ist immer noch Welten entfernt von modernen Entwürfen. Zum Vergleich: Sogar eine Contest 29 schafft einen Kennwert von 4,1 mit großer Genua.
Das jedoch ficht die Anhänger der Midget nicht an. Ihnen ist wichtig, dass sie eine vollwertige Yacht fahren, die noch keine neun Meter lang ist und die nicht jeder hat. Und dass auch viel Wind und Seegang weder Schiff noch Crew in Bedrängnis bringen. Die Durchfahrtshöhe von nur elf Metern ist in den Niederlanden ebenfalls ein gewichtiges Argument.
Unter Deck wartet tatsächlich ein vollwertiges Schiff. Pantry, geräumiger, gut nutzbarer WC-Raum, ein Navitisch sowie eine separierte Achterkammer sind starke Pluspunkte. Die große Sitzgruppe vorn kann außerdem in eine Koje verwandelt werden. Die ist dann 1,90 mal 1,90 Meter groß und somit durchaus üppig. Die Stehhöhen unter Deck betragen 1,85 Meter am Niedergang und 1,60 Meter vorn in der Kajüte. Die Achterkammer bietet eine Koje mit 1,80 mal 1,60 Meter Größe. Das ist in der Länge natürlich knapp.
Begrenzt ist auch der Zugang: Er ist gerade einmal 60 Zentimeter breit. Die innere Koje bietet nur 44 Zentimeter Höhe unter dem Cockpitboden; auch das ist knapp. Auf längeren Reisen wird also die Sitzgruppe im Vorschiff als Koje herhalten müssen. Zu viert wird man nicht länger als ein Wochenende an Bord bleiben wollen. Wenn überhaupt.
Wer sollte sich die Midget genauer anschauen? „Das sind Menschen, die die Bauqualität zu schätzen wissen. Die gern auf See fahren und denen Sicherheit wichtiger ist als Geschwindigkeit“, erklärt Martin de Kloet. Da hat er recht. Und die Menschen sollten nicht größer sein als 1,80 Meter. Denn dann passen Kojen und Stehhöhe im Schiff. Auch die Ergonomie im Cockpit scheint auf dieses Maß ausgerichtet zu sein. Das ist zumindest konsequent und für den Anspruch, auf 26 Fuß eine sichere, nahezu vollständige Yacht zu bauen, eine sinnvolle Erwägung seitens des Konstrukteurs Martin Bekebrede gewesen.
Das Schiff wurde zwischen 1984 und 2012 produziert. Zusätzlich gab es den Kasko zum Selbstausbau; diese Version wurde bei den 200 Baunummern nicht mitgezählt. Entsprechend heterogen ist das Angebot an Gebrauchten. Bei 20.000 Euro geht es los. Das Testschiff, in makellosem Zustand und mit nur 150 Motorstunden, soll knapp 40.000 Euro kosten. Die Substanz ist sicher bei den meisten Offerten in Ordnung. Selbstausbauten können jedoch im Interieur auch weniger penibel gefertigt sein als Werftschiffe.
Typische Schwachstellen gibt es wenige. Wie immer bei Gebrauchtbooten gehen Motoren aus den achtziger Jahren dem Ende ihrer Lebensdauer entgegen. Beim Austausch kann der zur Verfügung stehende Raum ein Problem darstellen. Das sollte daher unbedingt zuvor überprüft werden.
Eine Besonderheit bringen die vielen Rundungen an Bord mit sich: Jeder Relingsfuß ist eine Einzelanfertigung. Das Gleiche gilt für die Springklampen. Sie wurden von der Werft genau passend zum Rumpfdesign gefertigt.
Stichwort Werft: Die existiert noch, baut jedoch heute Aluminiumschiffe und hat seinerzeit neben der 26 auch eine Midget 20 und eine 31 an den Käufer gebracht. Darum: Die Ersatzteilversorgung ist gesichert, alle Pläne sind vorhanden. Sind Sie auf der Suche nach einem soliden Seeschiff im Miniformat, bestens gebaut? Stehhöhen und Kojenlängen von 1,80 Meter reichen Ihnen, und Segelspeed ist nicht entscheidend? Voilà: die Midget 26.
Polyester-Iso-Harze, Deck mit Schaumkern, Verstärkungen aus Multiplex
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Ein besonderes Schiff, solide gefertigt, für schweres Wetter. Für Menschen bis 1,80 Meter Länge perfekter Innenausbau
Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 17/2019 und wurde für diese Online-Version aktualisiert.