Malu 42Blauwasseryacht mit Reinke-Genen

Kristina Müller

 · 14.04.2024

Unter Vollzeug durch Friesland: Die „Malu“ segelt hier unter Groß und Genua übers IJsselmeer. Gemacht ist das Schiff für die große Fahrt
Foto: YACHT/Bertel Kolthof
Bei Michael Matzerath im Rheinland wurden Reinke-Yachten fit für die große Fahrt gemacht. Der Werftchef hat für sich selbst die Aluyacht Malu 42 gefertigt: eine Eigenkonstruktion mit Reinke-Genen

Es gibt vieles, das man der großen grauen Yacht, die am Steg in der Marina Stavoren aus der bunten Masse hervorsticht, auf den ersten Blick ansieht. Dass sie robust und für weite Reisen gemacht ist zum Beispiel. Dass sie eher dem Prinzip der Funktionalität denn der Ästhetik folgt. Und dass sie – ganz offensichtlich – eine Reinke ist. Also eine der Yachten, die der Bremer Konstrukteur Kurt Reinke bis zu seinem Tod in seiner Freizeit für ambitionierte Hobby-Metallbootsbauer konstruierte (YACHT 1/2020).

Doch diese Annahme ist falsch. Das Schiff hat zwar ganz offensichtlich die Gene einer Reinke. Der Rumpf mit Doppelknick­spant, kantige Linien, Deckssalon, blankes Aluminium – das alles spricht für sich. Und doch liegt dort vielmehr eine Symbiose verschiedener Reinke-Yachten, eine Art Best-of, das der Erbauer ersonnen hat.

Der heißt Michael Matzerath, trägt an diesem Tag im August 2020 Jeans, T-Shirt und Sandalen und holt gerade unter Deck warme Brötchen aus dem Ofen. Noch schnell ein Frühstück, bevor es zu einem der ersten Schläge mit dem gerade fertiggestellten Boot raus aufs IJsselmeer geht. Nur wenige Tage zuvor war es auf dem Tieflader aus dem nordrhein-westfälischen Düren nach Stavoren gebracht und zu Wasser gelassen worden. Satte 15 Tonnen zeigte die Waage am Kran dabei an, denn an Bord befand sich bereits sämtliches Hab und Gut des Eigners sowie die Ausrüstung für eine Reise, die – wenn alles gut läuft – den Rest seines Lebens dauern wird.

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Dieses Boot ist um ein Bett herum konstruiert

Michael Matzerath ist passionierter Autodidakt und hat seine „Malu“ selbst gebaut. Bis 2018 noch war der gelernte Kupferschmiedmeister Inhaber der Yachtbau Matzerath GmbH, eines Betriebs im Binnenland zwischen Bonn und Aachen, der sich auf den Um- und Ausbau von Reinke-Yachten aus Aluminium spezialisiert hat. Zahlreiche Langfahrtyachten, unter anderem die aktuelle „Freydis“ von Heide und Erich Wilts, wurden dort auf ihr Blauwasserleben vorbereitet. Doch nun, kurz vor der Rente, hat der Werftchef seinen Betrieb verkauft und geht nun selbst endlich segeln. Und zwar auf einem Schiff, das seine Erfahrung aus über 30 Jahren Arbeit an den markanten Metallrümpfen in sich vereint.

Weitere besondere Boote

„Salopp gesagt, ist die ‚Malu‘ um ein Bett herum konstruiert“, erzählt Matzerath im Salon seines Schiffes. „Ich wollte unbedingt eine 1,40 mal zwei Meter große Liegefläche haben, die unter die Sitzgruppe im Salon reicht.“ Keine Reinke-Konstruktion sieht so etwas vor. Also entwirft der Metallprofi sein eigenes Interieur, inspiriert von der Auf­teilung der Reinke Super 11 und der 13M. Dabei herausgekommen ist ein „Ein-Raum-Wohnkonzept“, so Matzerath. Tatsächlich gibt es von der Schlupfkoje achtern an backbord bis zur Nasszelle vorn im Bug keine einzige Wand oder Tür auf dem 13-Meter Schiff – alles ist offen, hell und großzügig gestaltet. Fast wie auf einem Boot für Tagestouren, nur dass dieses Schiff für sehr viele zusammenhängende Tage auf See gedacht ist.

„Ich wollte keine separate Achterkabine, wie auf der 13M“, erläutert Matzerath. „Wozu brauche ich abgetrennte Kojen, wenn ohnehin nur eine oder zwei Personen auf diesem Schiff unterwegs sein werden?“ Die Nasszelle, die Reinke auf vielen seiner Konstruktionen in einem Raum direkt vor dem Salon platziert, hat Matzerath ganz nach vorn verbannt. Sicher, dort könne es auf der Toilette an der Kreuz schon mal ungemütlich werden. Aber als eigens für die Langfahrt konzipierte Yacht werde seine „Malu“ die meiste Zeit am Ankerplatz und nicht auf hoher See verbringen.

Viele Tüfteleien, die das Langfahrtleben komfortabel machen sollen

An vielen weiteren Details ist ersichtlich, dass das Schiff für lange Schläge allein oder mit kleiner Crew ausgelegt ist: an den Maststufen etwa oder den angeschweißten Fundamenten mit Befestigungsösen zum Festlaschen des Beiboots auf dem Vordeck.

Der Rumpf ist aus fünf bis acht Millimeter starkem, seewasserbeständigem Aluminium gebaut. Wasserdichte Schotten teilen das Schiff in vier Sektionen. Auf einem mächtigen Geräteträger am Heck thront Equipment für die große Freiheit: Neben Antennen für GPS, AIS, Radar, W-Lan und die Autopilot-Fernbedienung ist dort ein 300-Watt-Solarpaneel untergebracht. „Für den Betrieb von Kühlschrank und Computer vor Anker müsste es reichen“, vermutet der Eigner. Notfalls lassen sich die beiden 280-Amperestunden-Batterien über einen Generator oder die Lichtmaschine laden. Auch zwei weitere 300-Watt-Solarpaneele könnten an die Reling gehängt werden.

Die ist als robuster Seezaun aus Alumi­nium angeschweißt und wie so vieles an Bord mindestens ausreichend, wenn nicht überdimensioniert. „Ich will keine Regatta gewinnen, sondern mich sicher überall festhalten können“, sagt der Eigner und verweist stolz auf ein weiteres Detail, das sein Langfahrtleben komfortabler machen soll: Quer über das Achterschiff ragt, auf dem Seezaun abgestützt, ein „Multifunktionsbrett“: Das soll als Gangway, Fenderbrett, Sitzbrett oder auch zum Zerlegen von Fischen dienen, die unterwegs geangelt werden.

Ein weiteres Brett ist ganz vorn angebracht. Es erleichtert den Einstieg an Bord oder kann als Platz zum Ausguckhalten auf See dienen. Fast einen Meter ist der Bugbeschlag breit. Genua und Fock sind hier auf jeweils einem Stag als Rollreffsegel angeschlagen. Ein drittes Vorstag für das Sturmsegel kann optional geriggt werden.

Langfahrt mit kleiner Crew ist das Konzept

Unter dem Bugbeschlag verschwindet in Fahrt ein 28 Kilogramm schwerer Bügel­anker komplett, sodass er sich in Manövern nirgends verhaken kann. 100 Meter Zehn-Millimeter-Kette warten im Ankerkasten auf ihren Einsatz. Ein weiterer Anker mit 23 Kilogramm hängt am Heck bereit.

Auch im Cockpit ist vieles gezielt fürs Einhandsegeln oder -ankern ausgelegt. Noch fixiert eine Wäscheklammer die Kabel für die Ankerwinde, doch wenn alles fertig ist, soll sie von hier bedient werden können. Das Großsegel kann von hier gerefft werden, ohne dass jemand zum Mast muss. Dafür kommt jeweils an Backbord und Steuerbord eine ganze Batterie an Reffleinen vom Aufbau umgelenkt auf dem Süllrand an. Das durchgelattete Großsegel hat drei Reffs, jedes wird mit zwei Leinen bedient.

„Noch muss ich mich daran gewöhnen, welche Leine welche ist“, sagt der Skipper. Doch die meisten Handgriffe sitzen schon, auch wenn er erst wenige Stunden mit dem fertigen Boot auf dem IJsselmeer gesegelt ist. Dort soll nun ein weiterer Probeschlag stattfinden. Gut 3 Beau­fort sind angesagt. Das Schiff könnte mehr vertragen, doch Matzerath sieht zufrieden aus, als das Gewühl der Boote in der Hafenzufahrt passiert ist und sich die „Malu“ unter Autopilot leicht zur Seite neigt.

„Immerhin, sechs Knoten Fahrt mit kleiner Fock, das ist bei 13 Knoten Wind okay“, freut er sich. Unter Genua beschleunigt die Aluyacht dann auf sieben bis acht Knoten. Um das riesige Tuch wieder einzurollen, kommt der Akkuschrauber mit Aufsatz für die Winsch zum Einsatz. Immerhin 64 Quadratmeter wollen gebändigt werden.

Eine Notpinne ist auf der Malu 42 jederzeit einsatzbereit

Auch das Rigg hat Matzerath ein wenig modifiziert: Der Baum ist weiter unten am Mast angebracht als eigentlich vorgesehen. Das soll die Arbeiten am Großsegel erleichtern, etwa beim Anschlagen des Falls oder beim Auftuchen. Einen Baumniederholer oder Kicker gibt es daher aber nicht. „Kein Platz“, sagt Matzerath pragmatisch.

Sogar auf dem belebten IJsselmeer steuert meist der Autopilot das Schiff. Geht man selbst Ruder, ist das Steuerrad am Deckshaus der Clou. Dank Hydraulikzylinder wird es stufenlos nach rechts oder links geschwenkt, sodass auf dem Süll sitzend gesteuert werden kann. Ein Niedergang in der Schiffsmitte ist dadurch auch möglich – auf Reinkes ist der sonst seitlich nach Backbord versetzt.

Für den Fall, dass die Seilradsteuerung versagt, ist vorgesorgt; auf dem Achterdeck ist die Aufnahme für eine Notpinne stets einsatzbereit. Grinsend zieht Michael Matzerath ein Carbonrohr aus einem der verschließbaren Schwalbennester im Cockpit. „Von meinem alten Surfmast“, verrät er. Mit nur wenigen Handgriffen ist das Teil in Sekundenschnelle in die angeschweißte Halterung gesteckt – schon wird die „Malu“ als Pinnenschiff gesegelt.

Überall an Bord finden sich Tüfteleien wie diese, sie machen die „Malu“ zu einem ausgeprägt besonderen Boot. Da ist zum Beispiel der kleine Hochdruckreiniger im begehbaren Ankerkasten zum Spülen der Ankerkette, der an eine eigene See- und Frisch­wasserzufuhr angeschlossen ist. Oder der Gashebel im Cockpit, der abgenommen und durch die Winschkurbel ersetzt werden kann, die sich besser mit dem Fuß bedienen lässt. Auch der Stauraum an Deck beeindruckt: In der Backskiste an Steuerbord findet neben Leinen, Fendern und viel Ausrüstung auch das Schott für den Niedergang Platz. Im Heckstaufach liegen unter anderem zwei Fahrräder – samt Anhänger.

Die Idee zur Malu 42 entsteht schon in den 1980ern

Auch wenn er sie erst jetzt um­gesetzt hat – die Idee zu seinem Traumschiff hatte Michael Matzerath bereits vor Jahrzehnten. Damals wusste er noch nicht, dass die Vision vom eigenen Schiff für weite Segelreisen seinen Berufsweg und die Entwicklung seines Betriebs maßgeblich beeinflussen würde.

1988 übernimmt er das Unternehmen der Eltern; die Firma Matzerath in Düren ist da noch eine Kupferschmiede mit Apparatebaubetrieb. Zu dem Zeitpunkt war Matzerath junior bereits viel durch die Welt getrampt, zuletzt lebte er in Portugal. Dort, am Meer, entsteht auch der Traum vom eigenen Schiff. Auf dem Markt findet er jedoch nichts, das seinen Ideen entspricht – bis er auf die Pläne von Kurt Reinke stößt und im Betrieb in Düren mit dem Bau einer Super 11 aus Aluminium beginnt. Er lädt den Konstrukteur persönlich zur Begutachtung ein, der in der Tat vorbeikommt. Beeindruckt von dem, was er sieht, beauftragt er daraufhin ein Schiff für sich selbst, eine Reinke 11MS, in dem Metallbetrieb. „Das war mein Einstieg in den Bootsbau“, erzählt Michael Matzerath.

Seine Super 11 verkauft er noch als Kasko. „Ich habe während der Bauphase gemerkt, dass ich mit einem Boot eigentlich nichts anfangen kann, solange ich noch im Berufs­leben stehe“, sagt er. „Segeln ist für mich nur spannend, wenn ich ablegen und an einem neuen Ziel anlegen kann. Immer nur in Holland zu segeln hätte mich gelangweilt.“ Dafür macht er sich einen Namen als Werft für Reinke-Yachten. Vor allem Refits stehen an, aber auch Neubauten. Ein Schreiner im Betrieb sorgt für qualitativ hochwertige Innenausbauten. Nach einer Ausnahme­genehmigung der Handwerkskammer darf schließlich auch Quereinsteiger Matzerath seine Firma Yachtbaubetrieb nennen. Parallel ist das Unternehmen weiter in der Papierindustrie und dem Behälterbau tätig.

Die Idee wird ein Konzept, wird Realität

Vor gut zehn Jahren, als die Rente näher rückt, kommen die Gedanken an das eigene Schiff zurück. Am Computer entwirft der damals 50-Jährige einen Bootstyp, der die wesentlichen Merkmale einer Reinke vereint, aber auch in vielen Punkten davon abweicht. Die „Malu“ hat neue Abmessungen und ist im Verhältnis zur Länge breiter. Die Twin­kiele sind weniger steil angestellt und haben eine geringere Profiltiefe. Matzerath hat sie mithilfe einer Datenbank aus der Flugwissenschaft konstruiert.

Auch ein Kunde ist überzeugt von dem Konzept, sodass in den Folgejahren immer am Feierabend allmählich zwei der Schiffe entstehen, die der Werftchef „Malu“ nennt – „Matzerath“ plus „Alu“. Die Kosten hat er bei seinem Boot dabei stets im Blick, um sich trotz schmaler Rente eine baldige Langfahrt zu ermöglichen. Vieles kauft er gebraucht im Internet, etwa den Traveller, einige Winschen, den Kompass. Das Schiffshorn am Heckträger stammt günstig aus dem Eisenbahnzubehör. Den Rumpf schweißt er selbst aus Aluminiumplatten und baut auch Technik und Elek­trik eigenhändig ein. Allein den Innenausbau übernimmt der Schreiner des Betriebs.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Der komplett offene Bereich unter Deck ist geräumig, wohnlich und hell, fast schon loftartig mit Rundumsicht aus dem Deckssalon. Darunter verschwindet im Vorschiffsbereich tatsächlich zur Hälfte das Bett, um das der Eigner die „Malu“ konstruiert hat. Über dieser Doppelkoje ist ein schwenk- und kippbarer Monitor angebracht, der sowohl im Liegen als auch vom Niedergang und Salon aus betrachtet werden kann. Dort kann eine Sitzbank so umgeklappt werden, dass eine V-förmige Seekoje entsteht – ganz ohne Leesegel, dafür mit Blick nach draußen, wenn man sich aufsetzt.

Stauraum ohne Ende

Gut zugänglich am Durchgang vom Salon zum vorderen Bereich ist ein Schaltschrank platziert, der den Namen zu Recht trägt. Einmal abgesehen von dem abgeschotteten begehbaren Maschinenraum für einen 40 PS starken Vetus, ist dieser Schrank das technische Herzstück des Schiffes. Hier kann etwa mit einem Taster geprüft werden, ob ein Potenzial aus dem 12-Volt-Netz am Rumpf anliegt. Für das 230-Volt-Netz ist ein Trenntransformator verbaut.

Hebt man eines der Bodenbretter vor der Pantry an, kann von dort in den 800-Liter- Dieseltank geschaut und der Füllstand überprüft werden. Für Frischwasser gibt es zwei 180 Liter große Tanks, für Fäkalien einen 220-Liter-Falltank in der Nasszelle. Den enormen Stauraum in Schubladen, Schapps und unter den Bodenbrettern hat der Eigner bereits gut gefüllt: Werkzeug lagert dort, Nudeln, H-Milch, Teelichter, Zucker – und zahllose Bücher. „Von vielem habe ich mich getrennt“, erklärt Matzerath, der an Land alles aufgelöst hat. „Aber bei meinen Büchern war das schwer.“

Kein Wunder also, dass sich nun gut 150 Stück an Bord befinden. Zwischen „Segelrouten der Weltmeere“ und dem niederländischen „Wateralmanak“ steht das Standardwerk für Patagonien-Reisende. Alles scheint möglich, Pläne hat der frischgebackene Eigner genug. Auch muss er unterwegs immer wieder mal arbeiten, um die Reise zu finanzieren. Einiges wartet auch noch auf den finalen Platz an Bord; von den Trimmfäden über den Decksbelag bis hin zum Bimini.

Und die langfristigen Pläne? „Klar, da würde ich natürlich gern einmal rund!“, sagt Michael Matzerath. „Aber mein Segelglück hängt nicht davon ab.“ Das hat er in seiner „Malu“ bereits gefunden.

Technische Daten der Malu 42

Die aus Aluminium gebaute Twinkielyacht basiert auf den Plänen Kurt Reinkes | Zeichnung: Michael MatzerathDie aus Aluminium gebaute Twinkielyacht basiert auf den Plänen Kurt Reinkes | Zeichnung: Michael Matzerath
  • Werft: Yachtbau M. Matzerath
  • Rumpfmaterial: Aluminium
  • Gesamtlänge: 13,65 m
  • Breite: 3,63 m
  • Tiefgang (Twinkiele): 1,47 m
  • Gewicht: 13 t (leer)
  • Ballastanteil: 42 %
  • Großsegel: 37,0 m2
  • Genua: 64,0 m2
  • Fock: 38,0 m2

Der Artikel erschien erstmals in YACHT 23/2020 und wurde für die Online-Version aktualisiert.

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