“Malizia Explorer”So ist es an Bord von Boris Herrmanns Forschungsschiff

Andreas Lindlahr

 · 14.12.2025

Emissionsarm unterwegs und auch für hohe Breiten gerüstet.
Foto: Andreas Lindlahr
Der Profisegler betreibt mit der „Malizia Explorer“ nun auch eine Plattform für Forschungsreisen. Das Schiff ist mittlerweile im Südatlanik und in der Antarktis unterwegs.

​Da liegt sie, die „Malizia Explorer“, und wartet. Es ist Ende Juli, im brutheißen Almerimar soll für sie die Reise nach Südamerika beginnen. Die beeindruckend riesige Yacht braucht noch ein Motor-Ersatzteil. Der Blick von der Mole aus aufs Heck flößt Respekt ein. Das Schiff ist fast 7 Meter breit und 26 Meter lang. Über 60 Tonnen Aluminium zerren an den fetten Festmachern. Der 36 Meter hohe Mast ließe sogar eine Imoca daneben zierlich aussehen. Boris Herrmanns Malizia-Team segelt von Anfang an mit dem Label „Climate Action Now“ als Markenzeichen im Segel. Jetzt geht der Rennstall allerdings einen wirklich konsequenten Schritt in Richtung Meeresschutz.


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Wer Boris Herrmann persönlich erlebt hat, weiß, dass ihm Meeres- und Umweltschutz sehr wichtig sind. Der Hamburger: „Dieses Forschungsschiff ist eine logische Weiterentwicklung unserer Team-Mission. Es ermöglicht uns, unseren Wirkungskreis zu erweitern, neue Regionen zu erschließen, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten und die dringende Botschaft über den Zustand der Ozeane und den Klimawandel zu vermitteln.“

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Nicht nur Forschungsschiff, sondern auch toller Segler

Für Umwelt und Wissenschaft darf es dafür in Zukunft auch gerne etwas langsamer segeln. Das imposante Schiff wurde im Frühjahr 2025 in Lorient in der Bretagne übergeben und aus einem Traum Realität. Die Neue, eine Garcia 85, lief 2005 als „Beniguet“ vom Stapel und fuhr später als „Fani“ weltweit Luxus-Charter. Hinter dem Projekt stehen auch Pierre Casiraghi, Co-Gründer von Team Malizia, und sein Onkel, Fürst Albert II. von Monaco. Sie setzen sich seit Jahren nicht nur für den Segelsport ein, sondern auch mit Herzblut für den Schutz der Meere. Ihr Engagement verleiht dem Projekt Rückenwind und zusätzliche Strahlkraft über den Segel- und Wissenschaftskosmos hinaus.

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Die Garcia 85 überrascht trotz ihrer beeindruckenden Größe mit angenehmen Segeleigenschaften. Im Ausgangshafen Almería ist der 19 Tonnen schwere Hubkiel noch aufgeholt. Kaum gibt Skipper Jonathan das Kommando zum Loswerfen der Mooringleinen, startet Crewmitglied Calum auch schon den Generator: Das System braucht Energie, denn kurz nach der Hafenausfahrt wird der Kiel hydraulisch abgesenkt. Mit einem satten Rumpeln fällt das gewaltige 19-Tonnen-Gegengewicht in seine Position. Wenig später summt schon einer der mächtigen Vorsegel-­Furler, und die riesengroße J1 rauscht auf Knopfdruck aus. Mit der frischen Brise aus Nordost beschleunigt das 26 Meter lange Schiff auf angenehme neun bis zehn Knoten. Das Großsegel bleibt zunächst auf dem Baum, hier geht es nicht um Rekorde, sondern um eine zügige, komfortable Durch­schnitts­geschwindigkeit. Der Autopilot profitiert von der stabilen Doppel­ruder­anlage mit ihren mächtigen, soliden Alu-Kokern, sie hält Kurs, sanft schaukelt sie durch die langen Wellen des westlichen Mittelmeers.

Das Großfall wird über eine elek­trisch betriebene Trommel unter Deck geführt, eine technische Maßnahme, die vor allem den Umgang mit 80 Metern Fall erleichtern soll. Vor jedem Manöver muss einer der Generatoren gestartet und die Magnetkupplung zugeschaltet werden, damit genügend Energie zur Verfügung steht. Danach geht alles per Knopfdruck.

Fast gleicher Name, sehr ungleiche Boote

Mit dem Übergang in den Atlantik nimmt der Wind zu, die Wellen werden höher, und das Schiff erreicht unter J1 und J2 Geschwindigkeiten von über zwölf Knoten. Trotz ihrer Größe reagiert die „Malizia Explorer“ wie jedes andere Segelboot auf Wind und Welle. Auf raumen Kursen beginnt sie zu gieren, und die Crew auf Freiwache muss sich gut sichern, um nicht aus der Koje zu rollen. Aber in einer der 14 Kojen in fünf Kabinen findet sich schon ein Plätzchen.

Fast gleicher Name, sehr ungleiche Boote. Als große Schwester des (fast) Racers setzt die Explorer Maßstäbe völlig anderer Art: 60 Tonnen eisfestes Aluminium auf 85,3 Fuß Länge, ein 19 Tonnen schwerer Hubkiel statt Foils, dazu ein 36 Meter hoher Kohlefasermast. Gebaut für Unabhängigkeit, Robustheit und lange, schnelle Forschungs­reisen in entlegene Regionen.

Wer normal dimensionierte Yachten gewohnt ist, muss umdenken. An Bord der „Malizia Explorer“ ist alles eine Nummer größer, schwerer, höher, kräftiger. Ihr stattlicher 36-Meter-Kohlefaser-Mast wurde von der „TAG Heuer“, einem 45-Meter-Schoner, geborgen, der 1992 für Titouan Lamazou entworfen wurde, um Rekorde bei der ­Jules ­Verne Trophy zu brechen, aber aufgrund struktureller Mängel nicht weit segeln konnte.

Hektik wie auf einer Imoca kommt an Bord selten auf, denn Manöver brauchen hier mehr Zeit als auf üblichen Yachten. Was eine Explorer-Yacht besonders auszeichnet, ist ihre Fähigkeit zur völligen Autarkie – sowohl in den Tropen als auch im Eis. Groß dimensionierte Frischwasser- und Treibstofftanks, eine leistungsfähige Meerwasserentsalzungsanlage sowie zwei Stromgeneratoren sichern die Versorgung von wissenschaftlichen Instrumenten, Computern und der hydraulischen Bordtechnik. Klimaanlage und Heizung sorgen für Temperaturstabilität in allen Zonen. Bis zu 14 Personen müssen an Bord versorgt werden – dafür stehen mehrere Tiefkühltruhen, Kühlschränke, ein Herd, Mikrowelle, Geschirrspülmaschine und natürlich eine Kaffeemaschine bereit. Luxus gibt es nicht, wohl aber die nötige Bequemlichkeit, um der Crew und den Forschern ein funktionales Arbeitsumfeld zu bieten.

Unsichtbares sichtbar machen

Es geht entlang der marokkanischen Küste, mit einem kurzen Ankerstopp auf Lanzarote, dann weiter südlich, die westafrikanische Küste, Westsahara und Mauretanien entlang. Die Nächte glitzern hell und silbern im Licht des Vollmonds. Fliegende Fische schießen plötzlich wie Pfeile aus dem Wasser. Das Meer wirkt wie eine Bühne aus einer anderen Welt. Nur vereinzelt tauchen noch Positionslichter der Handelsschifffahrt oder der Fischerei am Horizont auf. Immer wieder Delfine, in allen Größen, Farben und Launen, Tag für Tag begleiten sie die „Malizia“, als gehörten sie zur offiziellen Begrüßungskommission des Ozeans.

Wie viel Leben im Meer steckt, soll sich später zeigen, als in Dakar die Forscher aus dem Senegal an Bord gehen und regelmäßige Plankton-Wasserproben mithilfe einer Art maritimem Schmetterlingsnetz in den Gewässern vor der Küste entnehmen und katalogisieren. In dem Moment, in dem das mit bloßem Auge kaum erkennbare Plankton durch die feinen Schläuche eines unscheinbaren Messinstruments gepumpt wird, vorbei an einer Optik, die selbst das leiseste Flimmern im Wasser sichtbar macht, beginnt auf dem Monitor ein stilles Schauspiel. Winzige Organismen, eben noch Teil einer unsichtbaren Welt, treten nun in Erscheinung: Einzeller, Pflanzenwesen, etwas dazwischen. Einige erinnern entfernt an Garnelen, nur eben in der Größe eines Kommas. Und das alles stammt jeweils gerade aus einer einzigen dreiminütigen Probenentnahme. Ein flüchtiger Schluck Ozean, in dem sich bereits eine ganze Enzyklopädie des Lebens tummelt.

Junge, fähige Crew – und vor allem sympathisch

Nach mehreren Tagen auf See und der Ankunft im weitläufigen Industriehafen von Dakar müssen zunächst die neuen Bedingungen einer afrikanischen Großstadt verarbeitet werden. Eine drückend feuchte Hitze liegt über dem Hafenbecken, der Liegeplatz der „Malizia Explorer“ befindet sich in einem besonders rauen und weniger einladenden Bereich.

Die Crew der „Malizia Explorer“ besteht aus zwei bis drei fest angestellten Profis, Skipper Jonathan inklusive. Jonathan hat sein Leben auf den Weltmeeren verbracht: Seine französischen Eltern nahmen ihn schon als Kind auf weite Reisen mit. Mit Anfang, Mitte dreißig hat er bereits die halbe Welt gesehen, er kennt mehr Häfen als Straßennamen, spricht neben seiner Muttersprache fließend Englisch und ist ein herausragender Seemann.

Auch der Rest der Crew beeindruckt: Durchschnittsalter etwa 28, viele Tausend Seemeilen im Kielwasser, mehrsprachig, ruhig, zugewandt und fachlich top, fast alle haben Tauchlehrer­lizenzen und eine gute nautische Ausbildung. Es ist fast schon Boris’ Markenzeichen, immer wieder ausnehmend sympathische und fähige Menschen um sich zu scharen.

Lust am Forschen

Während das Schiff nun ruhig am Kai liegt, beginnt an Bord der Alltag einer Forschungsexpedition mit all seinen Herausforderungen, Routinen und kleinen Überraschungen. Die neun Forscher aus dem Senegal finden an Bord angenehme Bedingungen zum Leben und Arbeiten vor. Für gutes, abwechslungsreiches Essen sorgt die Crew der „Malizia Explorer“. Die Kabinen – jeweils für drei bis vier Personen – sind mit eigenen Toiletten und Duschen ausgestattet. Der großzügige Salon mittschiffs bietet ausreichend Platz, um Laptops aufzuklappen, gemeinsam zu arbeiten, Gesprächsrunden zu führen oder am Monitor Forschungsergebnisse und Bildmaterial zu besprechen. Ein Teil der Gäste hatte vor der Expedition keinerlei Erfahrung auf See. Besonders in den ersten Tagen machten sich Wellengang und ungewohnte Bewegungen bemerkbar. Seekrankheit gehörte für einige zum Tagesprogramm. Doch mit der Zeit stellte sich Routine ein, und die Stimmung an Bord bleibt konzentriert und positiv. Die Lust am Forschen überwiegt bald die körperlichen Beschwerden.

Mit dem Beiboot lassen sich Ausflüge zu Küstenabschnitten unternehmen, Tauchgänge absolvieren oder Proben entnehmen. Die Explorer-Variante ist mehr als ein Segelschiff, sie ist eine mobile Forschungsstation. Mit eigenen Instrumenten wie dem im Vorschiff unentwegt arbeitenden OceanPack. Bewährt von der Vendée Globe, betreibt die Anlage rund um die Uhr eine Seewasserpumpe, analysiert dabei physikalische und chemische Parameter und sendet die Ergebnisse, sobald die Yacht außerhalb des Hafens ist, automatisch an die beteiligten Forschungsinstitute. Mit weiteren Unterwegs-Messsystemen wie dem Planktoscope oder der CTD-­Rosette und genug Platz für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bietet die „Explorer“ ideale Bedingungen für Forschung auf See. Ob Argo-­Floats (treibende Messbojen) oder Wasserproben, an Bord wird durch Datenerfassung Wissen geschaffen.

Die gesammelten Ergebnisse fließen in internationale, frei zugängliche Datenbanken wie SOCAT und tragen so direkt zum globalen Verständnis von Ozeanen und Klima bei. Die geräumige Heckgarage dient als idealer Arbeitsplatz, um von dort aus Sonden ins Wasser zu lassen oder Ausrüstung wieder aufzunehmen. Ein Kompressor zum Füllen der Tauchflaschen ist ebenso an Bord wie ausreichend PC-Speicher, Rechenleistung und die passende Infrastruktur, um aus einem Segelschiff ein echtes schwimmendes Forschungslabor zu machen.

Nach acht Tagen heißt es Hände schütteln, Umarmungen, Leinen los. Kurs Mindelo. Nächster Fixpunkt: Fer­nan­do de No­ronha in Brasilien. Dann weiter über Uruguay und später nach Feuerland – und schließlich in die Antarktis, den vorläufigen Höhepunkt der ersten Saison.

Technische Daten der “Malizia Explorer”

Zeichnung der “Malizia Explorer”.Foto: WerftZeichnung der “Malizia Explorer”.
  • Werft/Baujahr: Garcia/2005
  • Design: Berret Racoupeau
  • Gesamtlänge: 26,33 m
  • Rumpflänge: 25,99 m
  • Breite: 7,00 m
  • Tiefgang/alternativ: 2,5/4,2 m
  • Masthöhe über WL: 36,00 m
  • Gewicht: 69,0 t
  • Motor: Volvo, 318 PS

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