Als einzige US-Marke hat sich J/Boats mit Sitz in Newport über die vielen Jahre auch in Europa eine marktrelevante Präsenz erarbeitet. Dies auch, weil mit J Composites in Westfrankreich seit geraumer Zeit eine potente Zweigproduktion zur Verfügung steht. Aktuell stellt die Werft in Les Sables-d’Olonne sogar die große Mehrheit aller Boote von J her, konkret etwa 80 Prozent vom Gesamtabsatz, also etwa 200 Schiffe im Jahr.
Mehr noch: Die Franzosen bauen nicht nur in Lizenz von J/Boats für den Absatz in Europa, sondern sind auch weitgehend in die Entwicklung von neuen Modellen mit eingebunden – so wie jetzt für die J/45. Zwar kommen die Baupläne selbstverständlich immer noch aus dem familiengeführten Stammhaus in Amerika und wie üblich von Co-Präsident und Konstrukteur Alan Johnstone; gebaut wird das neue Schiff dagegen ausschließlich in Frankreich. Dementsprechend ist es vorwiegend auf die Nachfrage des europäischen Marktes abgestimmt.
Das bedeutet allerdings nicht, dass J/Boats deshalb mit Traditionen und Bewährtem bricht. Ganz im Gegenteil: Es gibt nicht viele Hersteller, die ihren erprobten Markenwerten über viele Jahre so sehr treu geblieben sind. Dies zeigt sich vor allem in der weiterhin unangepassten Formensprache. Die Johnstones mochten sich mit ihren Konstruktionen noch nie bedingungslos an Mode und Zeitgeist orientieren, so wie es viele Wettbewerber tun. Vielmehr haben sie ihren Yachten stets ein sehr eigenständiges und unverkennbares Gepräge mitgegeben. Die charakteristischen Kennzeichen aller Boote von J: schlanke Rümpfe, eingezogene Hecks, wenig Freibord, ausgeprägter Deckssprung, sportliche Basisausrichtung.
In dieses bewährte Konstruktionsmuster passt natürlich auch die J/45, das größte Schiff innerhalb der aktuellen Modellreihe. Der attraktive Fast-Cruiser gehört bei Hersteller J Composites zur gehobenen Elegance-Linie, mit einem deutlich stärkeren Fokus auf Tourentauglichkeit und Wohnkomfort als die Schiffe der regatta- und vermessungsoptimierten, aber weniger gemütlichen Sportboat-Reihe. Das Konzept der J/45 stellt sich generell mit nur wenig überraschenden Innovationen vor. Neu ist der feste Bugspriet anstelle des langen und ausziehbaren Rüssels, den J/Boats zwar nicht erfunden, so aber doch über die Jahre quasi salonfähig gemacht hat. Den Stachel aus Carbon gibt es für die J/45 wahlweise mit Längen von 70 oder 140 Zentimetern. Und er ist am Rumpf nur angebolzt und damit auch abnehmbar.
Bezüglich der Ausstattung an Deck zeigt sich die Werft weiterhin kompromisslos und bedient sich für sämtliche Beschläge, Winschen, Schienen, Umlenkblöcke und Klemmen ausschließlich aus dem Premium-Sortiment. Die Komponenten sind ordentlich dimensioniert und von bester Qualität. Produkte von Harken gehörten bei J/Boats immer schon und ohne Alternativen zur Basis-Ausstattung ab Werft.
Das Layout im Cockpit entspricht der durchaus pragmatischen, vielfach bewährten Anordnung für Performance-Boote. Heißt: primäre und sekundäre Winschen für Genua- und Großschot auf dem Süll, dazu nochmals zwei Winschen am Niedergang für Fallen, Reff- und Trimmleinen. Und für die Großschotführung nach dem German-Cupper-Vorbild steht ein langer Traveller auf dem Cockpitboden vor den Steuersäulen zur Verfügung. Aus seiner Position hinter dem Steuerrad kann der Rudergänger die Großschot und den Traveller zwar selbst bedienen, einhandtauglich ist die große J/45 aber dennoch nicht; sie erfordert eine Crew. Auch sind die Winschen für die Genua relativ weit nach außen gebaut und direkt aus dem Cockpit deshalb nur eingeschränkt gut zu bedienen. Effizient kurbelt hier nur, wer sich rittlings auf den Süllrand setzt.
Nominiert zur Wahl als Europas Yacht des Jahres 2022 hat die J/45 der YACHT für Tests in Barcelona zur Verfügung gestanden. Bei mittleren Windstärken zwischen 12 und 15 Knoten, dafür aber mit einer recht hohen, unangenehmen Dünung zeigt die Johnstone- Konstruktion, wie viel seglerisches Potenzial in ihr steckt – vor allem hart am Wind. 7,4 Knoten schafft sie trotz der Wellen mit kurz überlappender Genua und vollem Großsegel an der Kreuz auf einem Winkel von 40 Grad zur Windrichtung. Allerdings: Anstelle des Standard-Aluminiumriggs ist das Testboot mit dem optional erhältlichen Kohlefasermast von Axxon Composites ausgestattet, welcher rund 1,5 Meter höher und – weil steifer – auch effizienter trimmbar ist. Die Segelfläche ist natürlich ebenfalls entsprechend größer.
Es ist ein Vergnügen, die J/45 über die Wellen zu steuern. Das Boot reagiert sofort und unverzüglich schon auf minimale Ruderausschläge. Ein angenehm leichter Ruderdruck vermittelt ein gutes Gefühl und macht es einfach, das Boot optimal an der Windkante zu halten – traumhaft. Ein einziger, durchgehender Kabelzug verbindet die beiden Steuerräder (Durchmesser lediglich 80 Zentimeter) mit dem sehr groß dimensionierten Quadranten für das Einzelruder. Davon unabhängig setzt der Autopilot direkt an der Ruderwelle an und sorgt somit für zusätzliche Sicherheit für den Fall eines mechanischen Defekts an der Steueranlage.
Für die Gestaltung des Innenausbaus hat sich J Composites die gut gebuchte französische Innenarchitektin Isabelle Racoupeau an Bord geholt, die auch in den Diensten von Hanseyachts steht. Sie hat für die J/45 ein offenes, helles und dazu ziemlich schnörkelloses Interieur ausgearbeitet, sehr modern und farblich kontrastreich. Dabei können Käufer wie üblich zwischen verschiedenen Holzsorten und Polsterstoffen wählen. J Composites bezieht die Möbel als vorgefertigte Module bei einem externen Zulieferer. Die Komponenten sind zwar schön gebaut, passen beim Testboot (die Baunummer 1) aber dennoch nicht ganz stimmig zusammen, was einige unschöne Spalten und Fugen zurücklässt. Die Werft will daran für die Serie noch arbeiten und verbessern. Die robusten, dicken Bodenbretter aus Marinesperrholz sind dagegen gleichmäßig verlegt und zusätzlich mit den Bodenlagern verschraubt. Knarrende Böden sind bei der J/45 kein Thema.
Im Standard ab Werft wird das Schiff mit je einer Doppelkabine achtern und vorn ausgebaut. Ein Bad mit Dusche ergänzt das Wohnangebot für die Eigner im Vorschiff. Ein zweiter, ebenfalls sehr großzügig eingeplanter Toilettenraum mit halb abgetrenntem Duschbereich steht achtern zur Verfügung. Optional baut die Werft das Boot mit einer dritten Doppelkabine aus, anstelle der großen und auch von innen erreichbaren Backskiste auf der Steuerbordseite. In dem Fall aber muss die hintere Nasszelle viel Platz abgeben. Den Plänen nach zu urteilen würde sie dann sehr klein ausfallen.
Ein Blick auf die Preisgestaltung und auf diejenige der Konkurrenz verrät: Die J/45 ist kein Schnäppchen. Bekannt ist: Die gehobene Preispolitik von J/Boats erklärt sich auch mit einer umfangreichen und ungewöhnlich hochwertigen Grundausstattung sowie mit einer aufwändigen, sehr robusten Bauweise. Ob das Gute im Paket reicht, um sich gegen die starke Konkurrenz in der Klasse durchsetzen zu können, wird sich erst noch zeigen müssen. Die solide Grundlage dafür ist aber schon mal gegeben.
GFK-Sandwich mit E-Glasfasern, Balsaholz- und Schaumkern sowie Vinylesterharz. Gebaut im Vakuum- Infusionsverfahren. Komposit-Schotten fest anlaminiert
Fester Bugspriet mit Ankerhalterung, Staufach für Rettungsinsel, hydraulischer Achterstagspanner, alle Fallen und Leinen aus Dyneema
Stand 5/2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
Umfang, Qualität und Marke generell auf Eignerwunsch. Empfehlung der Werft: Elektronikpaket von Raymarine mit Speedo, Windinstrumenten, Echolot, Funkgerät und Autopilot
6 x Harken 50.2 STA (Zweigang, selbstholend) im Standard. Fallen, Schoten und Trimmleinen ausnahmslos aus Dyneema-Material
Standard: Volvo Penta D2-60 mit Saildrive und Dreiblatt-Faltpropeller. Optional: Volvo Penta D2-75
Aluminium-Rigg von Hersteller Marechal mit zwei Paar Salingen. Durchgehende Rod-Wanten im Standard. Selbstwendefock als Option
J Composites, 85109 Les Sables– d'Olonne (Frankreich), www.jcomposites.eu
Mittelmann’s Werft, 24376 Kappeln; www.mittelmannswerft.de
Schnell und sportlich segeln und trotzdem höchst komfortabel wohnen: Die J/45 schafft den schwierigen Spagat meisterlich. Das Konzept bleibt pragmatisch und verzichtet auf vermeintlich revolutionäre Innovationen – man weiß, was man bekommt
Der Artikel erschien erstmals in YACHT 05/2022 und wurde für die Online-Version aktualisiert.