Hutting 46Die Wucht aus Makkum im YACHT-Test

Alexander Worms

 · 03.11.2024

Heute wie damals Verglichen mit aktuellen Yachten aus der Großserie kommt die Hutting wie ein Relikt aus vergangener Zeit daher
Foto: YACHT/Bertel Kolthof
Die renommierte holländische Hutting-Werft hat zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder ein neues Serienboot herausgebracht. Die 46er mischt Tradition und Moderne auf höchstem handwerklichen Niveau

Jelle Hutting steht auf dem Steg neben der neuen 46. Er scheint kurz innezuhalten. Dann sagt er scheinbar halb zu sich selbst und halb zu den Umstehenden: „Von hier sieht sie am schönsten aus.“ Dann lächelt er, denn es ist vollbracht: Der erste Neubau der Werft seit 20 Jahren schwimmt, und der Eigner ist zufrieden. Es scheint der erste Moment, den sich der junge Friese nimmt, um das Werk, an dem er so lange mitgewirkt hat, bei dem er unzählige Entscheidungen erwogen, vorbereitet und letztlich umgesetzt hat, in aller Ruhe zu betrachten.

Jelle Hutting ist dabei, mit seinen Geschwistern die Werft, Hutting Yachts aus Makkum, vom Vater zu übernehmen. Die neue Hutting 46 ist in diesem Prozess so etwas wie ein Wegweiser. Vater Tjerk verabschiedet sich langsam aus der Werft, und die Jugend übernimmt. Bevor er das Ruder übergibt, muss jedoch noch ein Neubau her. Ein Kompasskurs aus der Kommandobrücke, der angibt, wie sich der Gründer, bisherige Vordenker und Seele der Werft die Zukunft vorstellt. Unangetastet dabei bleibt der Hutting-typische Dreiklang aus anmutigen Linien, bester Seegängigkeit und feinster Qualität. Dass heute jedoch kaum jemand mehr einen Langkieler kaufen mag, dass mehr noch eine gewisse Sportlichkeit gepaart mit Segelspaß und damit auch erreichbaren üppigeren Etmalen bei Langfahrtyachten ganz oben auf der Wunschliste steht, war Vater Hutting klar.

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Schließlich ließ man das bewährte Design von Dick Koopmans, allenthalben bekannt für sehr seetüchtige Entwürfe, bei den Strömungsmagiern von Van Oossanen auf die heutige Zeit polieren. Ein tiefes Vorschiff für gutes Seeverhalten, einige Änderungen am Heck, eine besonders gestaltete Kielbombe, um eine optimal saubere Strömung aufs Ruder zu bringen und als Option ein Wingkiel mit Trimmklappe, der zwar fast einen halben Meter Tiefgang weniger mitbringt, aber auf den allermeisten Kursen die gleichen Zahlen im VPP erscheinen lässt. Wie gesagt: Magie. So gerüstet startet die neue 46 in ihr Leben.

Ach ja: und mit einem lang nach vorn durchgezogenen Kajütaufbau. Das ist weder Hutting- noch Koopmans-typisch, sieht aber gut aus. Und erschafft viel Raum innen. Und weil es mehr Platz für Fenster gibt, ist es da trotz Teakausbau nicht düster. „O tempora, o mores“, werden die Traditionalisten nun sagen. Auf einmal ist sogar eine Hutting innen hell. Aber keine Sorge, die Gefahr besteht nicht, das Interieur der neuen mit einem so oft beschriebenen Loft zu verwechseln, wie auf vielen anderen modernen Entwürfen üblich. Zumindest auf der Baunummer eins: „Das ist Custombau. Wenn einer gekalkte Eiche will oder Bambus, dann machen wir das ebenfalls“, berichtet Jelle Hutting. Auch die Aufteilung innen ist in Maßen frei gestaltbar.

Die eigentliche Sensation befindet sich beim Interieur eher im Verborgenen. Es ist die Qualität der Arbeiten

Die Pantry ist hübsch seegerecht und hat genügend Stauraum. Salontisch und Bänke sind ausreichend groß und sehr gemütlich. Auf See lassen sich dort gut Kojen bauen, auf denen man bequem schläft. Unter den Bänken sind Tanks, Klimaanlage, Akkus und etwas Stauraum untergebracht. Die Elektrik ist sehr ansehnlich verbaut, setzt auf simple Schmelzsicherungen für große Ströme und ist an sehr entlegenen Orten noch gut zu reparieren, wenn erforderlich. Die Navi ist ebenfalls groß und gemütlich. Stauraum gibt es in einem praktischen Fach, und einen Tisch mit Platz für große Karten. Das ist selten geworden, gefällt aber irgendwie immer noch.

Im Vorschiff erfreuen getrennte Räume für WC und Dusche, beide sind nicht riesig, aber gut nutzbar. Die Koje ist freistehend, auf Eignerwunsch und mit 1,45 Metern zwar ausreichend, aber für ein Schiff dieses Kalibers doch eigentlich knapp. Breiter ist aber möglich, der Platz ist da, nur dann eben nicht mehr freistehend. Nicht knapp ist die Dicke der Polster: 20 Zentimeter sind komfortabel.

Weniger erfreulich wird es achtern. Die Kabine bietet zwei Einzelbetten auf verschiedenen Ebenen. Das ist geschickt, weil so die innere Koje nach achtern rutschen kann. Dort liegt man hinter dem Motorraum. Leider jedoch ist der Graben für das große Rad achtern im Weg. 15 Zentimeter Platz über der Koje sind zu wenig, wodurch die nutzbare Länge auf gut 1,50 Meter schrumpft. Zu wenig. Die Breite beider Kojen geht mit 75 Zentimetern indes voll in Ordnung. Wirklich nutzbar ist achtern also nur eine Koje. Auf 46 Fuß.

Auf der anderen Seite des Niedergangs befindet sich die zweite Nasszelle. Auch sie ist nicht riesig, aber ausreichend. Leider aber ist die Höhe über dem WC mit 88 Zentimetern so gering, dass man sich sitzend den Kopf stößt. Schade. Durch eine kleine Tür gelangt man aus dem WC-Raum in die Backskiste, die auch als Technikraum dient. Salzige und feuchte Fender und Leinen mag man daher hier eher nicht stauen. Das ist jedoch auch nicht erforderlich: Im Ankerkasten und achtern des Cockpits gibt es dafür Platz. Ihre große Klasse aber zeigt die Hutting unter Deck.

Qualität bis in jedes Detail

Den staunenden Besucher erwarten mit Laibungen eingefasste Türen, passende Maserung, massive Ecken und Abschlussleisten, eine geschwungene Einfassung der Waschbecken, aus dem Vollen gefräst; Holzüberfluss allenthalben. Die besonders prominente Ecke des Navitischs etwa wurde aus einem besonders schönen Astansatz rundgeschliffen, sodass die Ringe perfekt verlaufen. Im Inneren wird alles Holz zunächst achtmal auflackiert, dann geschliffen, um im Anschluss zwei Lagen Finishlack zu erhalten. Lackiert ist jedes, wirklich jedes Stück Holz an Bord, das nicht Teakdeck ist. Beidseits und auch an den Schnittkanten.

Qualität bis in jedes Detail, das geht draußen weiter. Das Teakdeck ist ein Holzfest. Dick, bestens in Form, detailverliebt. Und ein Anachronismus. „Das wird es so nicht mehr geben. Das war, was uns betrifft, das letzte dieser Art. Wir hatten noch einen alten Stamm Burmateak eingelagert, als man das noch legal kaufen konnte. Das Holz, das man heute erhält, wollen wir nicht mehr als Deck verbauen.“ Einstweilen jedoch leuchtet das Deck goldgelb in der Aprilsonne, als es raus zum Segeln geht.

Kräftige, ausfahrbare Bug- und Heckstrahler drücken das Schiff im engen Hafen in die richtige Richtung. Und alles funktioniert. Was noch nicht ganz fertig scheint, sind die Segel von North. Die stehen zwar gut, leider aber ist die Outhaul-Leine des Rollgroß nicht richtig eingespleißt, sodass das Segel nicht weit genug durchgesetzt werden kann, es steht zu bauchig. Schade. Denn das merkt man prompt beim Steuern. In Böen meldet sich das Ruder deutlich vernehmbar mit Druck.

Die Hydraulik von Reckmann hat alles gut im Griff: Achterstag, Outhaul, Niederholer sowie die Furler für Groß und Fock. Ach ja: und den Bugspriet, der sich wie von Geisterhand auf Knopfdruck aus- und einfahren lässt.

Das Boot macht Spaß

Es will aktiv gefahren werden, bietet eine schöne Rückmeldung, die sich auf das gewünschte Maß zurechttrimmen lässt, und vor allem ist es steif. Größere Aluyachten neigen dazu, etwas schwabbelig daherzukommen. Diese nicht. Die Struktur verhindert das. Der Kiel zum Beispiel sitzt in einer tiefen Tasche im Rumpf und ist vollverschweißt. „Den kannst du, egal wie, da nicht raushebeln. Der ist felsenfest“, berichtet Vater Hutting nach dem Test. Und weil das Schiff so steif ist, schießt direkt ein Gedanke in den Kopf: Wie würde es wohl fahren ohne schweres Teakdeck, schweren Rollmast und Klimaanlage? Wie wäre es mit leichtem Deck, vielleicht einem Mast aus Kohle und einem durchgelatteten Groß, gepaart mit einem etwas größeren Vorsegel?

Darüber denkt die Werft nach, wie Hutting junior berichtet. So aber sind Wendewinkel leicht unter 90 Grad drin. Das Ganze bei 6,3 Knoten am Wind. Der wehte mit rund 14 Knoten. Ordentlich, aber noch nicht das Ende der Fahnenstange, das meldete das Schiff überdeutlich. Die Experten von North kamen erst nach dem Test an Bord und haben Schiff und Segel zwei Tage lang aufeinander eingestimmt. Das allein sollte einiges an der Performance verbessert haben. Was aber bleibt, ist das Gefühl, dass der Rumpf deutlich mehr könnte, als beim Test zum Vorschein kam.

Bleibt noch die Einordnung des Schiffes im Markt

Aus Metall gibt es nichts Vergleichbares: elegant, robust, gut segelnd und perfekt ausgebaut. Aus GFK fallen einem Contest und Breehorn ein, die ein solches Qualitätsniveau erreichen können. Die aber sind eben aus Kunststoff und nicht für die ganz hohen Breiten sonderlich geeignet. Was die direkten Nachbarn aus Makkum bauen, K&M Yachtbuilders, ist weniger hübsch als eher funktional, was gleichsam fürs Ex- wie das Interieur gilt. Die Luft wird also dünn. Vielleicht ein Eigner, der sich auch eine Yacht von Royal Huismann leisten könnte, aber lieber auch mal ohne Crew unterwegs sein mag, dabei aber nicht auf beste Qualität verzichten kann? Oder Menschen, die mit ihrer Hallberg-Rassy alles Erreichbare gesehen haben und jetzt einen Schritt exklusiver werden wollen? Die Werft ist bereit. Sie wollen eine Hutting pro Jahr bauen. Die kann klassischer, moderner, sportlicher oder komfortabler werden. Alles ist möglich.

Das Testschiff mit teurer Hydraulik, Teakdeck und voller Komfortausstattung kostet rund 1,6 Million Euro. Das ist in etwa das Zweieinhalbfache einer Großserienyacht gleicher Größe. Welchen Eigner aber bitte kratzt das, nachdem er auf seiner Yacht die perfekte Form und das makellose Finish der Handläufe gespürt hat, dessen Blick über die außergewöhnlichen Holzarbeiten wandert und der sich sodann mit der Gewissheit im Salon niederlässt, dass sich diese Perfektion durch das ganze Schiff zieht? Bis ins allerletzte Detail? Genau! Unbezahlbar.

Die Messwerte zum Test der Hutting 46

Bild 1

Die Hutting 46 im Detail

 | Zeichnung: YACHT/N. Campe | Zeichnung: YACHT/N. Campe

Technische Daten der Hutting 46

  • Konstrukteur: Dick Koopmanns
  • CE-Entwurfskategorie: A
  • Rumpflänge: 13,90 m
  • Gesamtlänge: 13,90 m
  • Wasserlinienlänge: 11,20 m
  • Breite: 4,20 m
  • Tiefgang/alternativ: 2,30/1,90 m
  • Masthöhe über WL: 21,80 m
  • Theor. Rumpfgeschwindigk.: 8,2 kn
  • Gewicht: 14,5 t
  • Ballast/-anteil: 4,5 t/31 %
  • Großsegel: 60,3 m2
  • Selbstwendefock: 43,5 m2
  • Maschine (Yanmar): 83 kW/110 PS
  • Kraftstofftank: 500 l
  • Frischwassertanks (2): je 300 l
  • Fäkalientank: 94/103 l
  • Batterien: 4x Li-Ion 24 V/5.000 W

Rumpf- und Decks­bauweise

Seewasserbeständiges Aluminium 5083 H111, Kielsohle 8, Rumpf 7 und Deck 6 mm. Vollständig isoliert

Ausstattung, Preis und Werft

  • Grundpreis ab Werft: 1.666.000 €
  • Standardausrüstung inklusive: Motor, Groß und Genua, Segelkleid, Schoten, Reling, Positions­laternen, Batterie, Kom­pass, Anker und Kette, Fender/Festmacher, Antifouling, segelklare Übergabe, Polster, Pantry/Kocher, Lenzpumpe, WC, Feuerlöscher, E-Kühlfach, Fä­kalientank mit Absaugung
  • Preis segelfertig: 1.666.000 €
  • Garantie: 2 Jahre

Aufpreis für Komfort-Ausstattung

  • Leinenverstellb. Holepunkte: inkl.
  • Traveller mit Leinenführung: inkl.
  • Elektrische Ankerwinsch: inkl.
  • Rohrkicker: inkl.
  • Achterstagspanner: inkl.
  • Springklampen: inkl.
  • Sprayhood: inkl.
  • Teak auf dem Laufdeck: inkl.
  • Teak im Cockpit: inkl.
  • UKW-Funkgerät: inkl.
  • Logge und Echolot: inkl.
  • Windmessanlage: inkl.
  • Autopilot: inkl.
  • Ladegerät: inkl.
  • Landanschl. mit FI-Schalter: inkl.
  • 230-Volt-Steckdose (eine): inkl.
  • 12-Volt-Steckdose in der Navi: inkl.
  • Heizung: inkl.
  • Druckwassersystem: inkl.
  • Warmwasser-Boiler: inkl.
  • Dusche WC-Raum: inkl.
  • Cockpitdusche: inkl.
  • Komfortpreis : 1.666.000 €

Im Preis enthalten

Dickinson-Ofen, Klima-Anlage, Segel-Hydraulik, ausfahrbares Bug- und Heckstrahlruder, Druck­lager im Antriebsstrang, ausgeformte Scheuerleiste. Verzicht auf Einzelposten reduziert den Gesamtpreis

Motorraum

Fein isoliert, recht gut zugänglich und aufgeräumt. Im Motorraum ist alles, wie es sein soll, inklusive doppelter, umschaltbarer Kraftstofffilter

Bugspriet

Der Bugspriet ist hydraulisch von Deck aus aus- und einfahrbar. Er besteht aus Kohlefaser und nimmt die Halsleine oder Furler asymmetrischer Vorsegel auf. Die sind auch sinnvoll, da die Selbstwendefock schnell an Effektivität verliert, wenn es auf tiefere Kurse geht. Eine große Genua lässt sich am Vorstag setzen

Traveller

Dickes Holz, mit Aluminium verstärkt, und große Beschläge kennzeichnen das wichtige Trimminstrument. Statt der einseitigen Bedienung lässt sich auch eine beidseitige ordern

Ausstattung

Das Schiff ist komplett ausgestattet, es kommen keine Positionen hinzu für den Komfortpreis laut YACHT-Definition

Werft und Vertrieb

Hutting Yachts, Makkum/Niederlande; www.hutting-yachts.com.

YACHT-Bewertung der Hutting 46

Die Hutting 46 ist ziemlich einzigartig: elegant, schiffig, an Kundenwünsche maximal anpassbar, bestens aus Aluminium gebaut und mit viel Segelpotenzial im Rumpf ausgestattet. Damit besetzt sie eine kleine, aber sehr feine Nische

Konstruktion und Konzept

  • Sehr steifer Rumpf
  • Voll individualisierbar
  • Sehr gute Isolierung
  • Solides Ruder- und Kiel-Design

Segelleistung und Trimm

  • Erfreulich zu steuern
  • Leichtes Handling
  • Traveller schlecht erreichbar
  • Fock und Großschot einseitig

Wohnen und Ausbauqualität

  • Allerfeinster Holzbau
  • Durchdachte Details
  • Höhe über Koje und WC achtern

Ausrüstung und Technik

  • Gut installierte Elektrik
  • Überdimensionierte Beschläge
  • E-Winschen
  • Technikraum
  • Schmelzsicherungen

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