Hanse 315Alleskönner ist auch gebraucht genau gut genug

Alexander Worms

 · 01.08.2024

Dank Selbstwendefock sehr wendig: So verlieren auch enge Fahrwasser wie beim Test in Friesland ihren Schrecken
Foto: YACHT/A. Worms
Die Hanse 315 ist ein prima Kompromiss: geräumig, aber keine Bavaria 30, behände, aber keine First 31.7, gut gebaut, aber keine HR 312. Der Alleskönner im Gebrauchtboot-Test

Einen guten Kompromiss zu finden ist fraglos eine Kunst. Sportliche Segeleigenschaften verlangen geringes Gewicht, das geht jedoch oftmals auf Kosten der Wohnqualität. Viel Wohnraum wiederum ist schwer und damit nur mit großen Segel­flächen ordentlich in Gang zu bringen. Das bedeutet Einbußen beim einfachen Handling. Eine allzu durable Bauweise ist teuer, was die Boote für viele unerschwinglich macht. Die Hanse 315 findet den berühmten goldenen Mittelweg aus Wohnlichkeit, spaßbeladenem Segeln und ordentlicher Bauweise durchaus gut.

Alles da für vier

Unter Deck sind die Maße komfortabel, wenn auch nicht riesig. So ist die Stehhöhe mit 1,80 Metern in Vorschiff und WC und 1,85 Metern im Salon in Ordnung. Die Kojen sind sogar ziemlich groß, sicher im Vorschiff. Das Bett dort misst gar 2,30 Meter in der Länge. Das ist fast schon zu viel, denn der Koje achtern fehlen einige Zentimeter für eine komfortable Länge. Immerhin: Das Bett passt zur Stehhöhe. Wer nicht größer als 1,80 Meter ist, dem reicht eine Liegefläche, die 1,90 Meter lang ist.

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Das Raumgefühl ist prima. Zwar sorgt das dunkle Holz für eine sehr schiffige Atmosphäre, die wird aber durch das weiße Hauptschott und die großen Fenster mit ausreichender Helligkeit aufgefrischt. Das gefällt, ist wohnlich und einigermaßen zeitlos. „New England Style“ nannte die Werft das seinerzeit. Einige Modelle haben sogar noch Korbgeflecht in den Schapptüren. Das sorgt zwar für gute Belüftung, ist jedoch etwas empfindlich. Das Testschiff hat massive Klappen.


Gebrauchtboot-Steckbrief der Hanse 315

  • Typ: Hanse 315
  • Konstrukteur: Judel/Vrolijk & Co
  • Gebaut: 2005–2007
  • Stückzahl: 330
  • Neupreis segelfertig: 70.000 €
  • Preis heute: 50.000 €

Im Vorschiff gibt es einen kleinen Schrank und die beschriebene große Koje. Die ist satte 1,60 Meter breit auf Schulter­höhe. Platz genug für zwei. Achtern wird es ein wenig knapp, da die innere Koje im Fußbereich nur 30 Zentimeter hoch ist. Dies jedoch lediglich bei der Version mit Steuersäule und Rad. Ist eine Pinne installiert, gibt es dort mehr Platz. Die Breite der Koje geht mit 1,50 Metern in Ordnung.

Ebenso gelungen ist die Nasszelle. Sie bietet ausreichenden Platz, auch um zu duschen. Im Salon sitzen vier Leute bequem um den großen Tisch. Der ist seitlich klappbar, sodass der Durchgang ins Vorschiff gut gelingt. Sogar für einen echten Naviplatz fanden die Konstrukteure der Hanse Raum. Der geht jedoch auf Kosten der Länge der Salonbänke. 1,80 Meter sind genug zum Sitzen für zwei, jedoch für viele eher zu wenig, um darauf zu schlafen. Die Breite von 50 Zentimetern lädt überdies nicht dazu ein. Längere Zeit will man jedoch ohnehin nicht mit mehr als vier Personen an Bord verbringen. Dazu fehlt allein im Cockpit der Platz. Kein Problem für einen 31-Fußer.

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Die Pantry ist vollständig. Schapps, Kocher mit Ofen, Spülbecken und Kühlfach – alles da. Die Oberflächen des Holzes wirken gediegen, zusammen mit den mattierten Beschlägen fast schon edel. Hier möchte man gerne einige Zeit verbringen, eben auch, weil von den Größen her alles passt. Die Durchgänge sind durchweg breit genug, und die Sitzflächen und Rückenlehnen ermöglichen ergonomisch bequemes Sitzen.

Was ganz besonders gefällt, sind einige Details: Da wäre vor allem die Nasszelle. Der Durchgang in die Backskiste ist praktisch, um den Zugang zu Staugut weiter unten in der tiefen Lagerstätte zu ermöglichen. Und eine kleine, aber immerhin vorhandene Kleiderstange für nasses Ölzeug beantwortet die Frage: Wohin damit?

In der Vorschiffskabine lässt sich ein Teil der Kojenfläche hochklappen. So entsteht bei Einzelbelegung eine sehr komfortable Kabine mit Sitzgelegenheit und – fast noch wichtiger – der Möglichkeit, sich in der Kabine stehend anzuziehen. Die Koje an Steuerbord ist dann immer noch 75 Zentimeter breit. So viel zur Ausstattung unter Deck.

Am Wind geht gut

Es weht mit 10 bis 14 Knoten beim Test vor Lemmer, ideal für die Hanse. Mit Vollzeug geht es hoch am Wind durch die engen Fahrwasser Frieslands. Dabei zeigt sich die Yacht aus Greifswald sehr mitteilsam am Ruder. Die Windkante findet sich leicht, Winkel deutlich unter 90 Grad sind beim Kreuzen möglich. Gut 5 Knoten Speed sind hierbei beinahe schon erfreulich. Die Hanse läuft, auch wegen des Faltprops am Saildrive, wirklich gut.

Typisch für die Schiffe ist der Segelplan mit Selbstwendefock. Auf der Kreuz eine wahre Freude, nahezu keine Arbeit, die anfällt bei der Wende. Das bewarb Hanse seinerzeit auch sehr aktiv im Katalog: „Eine Kreuz mit einer Hanse wird zu einer luxu­riösen Kreuzfahrt auf See.“ So weit, so gut. Und dann orakelten die Texter seinerzeit noch: „Das hatten Sie doch Ihrer Frau schon lange versprochen.“

Eines ist durchaus richtig: Die Zeiten riesiger Vorsegel, die sich auf kleinen Großserienwinschen lediglich mit dicken Oberarmen dichtkurbeln ließen, hat Hanse beendet. Diesen Vorteil erkauft man sich mit zwei Kompromissen: Zum einen ist das Groß­segel entsprechend üppig, und man muss wissen, wie man dessen Kraft im Zaum halten kann, und zum anderen funktioniert die Selbstwendefock auf Kursen tiefer als 60 Grad zum Wind kaum noch.

Während sich das Groß mit etwas Übung dank kräftiger Achterstagstalje, optionalem Traveller, Unterliekstrecker und Niederholer gut zähmen lässt, muss bei der Vorsegelsituation investiert werden. Entweder hat man seinerzeit das optionale 140-Prozent-Genua-Paket geordert – das bringt dann allerdings wieder das Kurbelproblem am Wind mit sich –, oder es kommen Code Zero oder Gennaker zum Einsatz.

Böen werden mit Druck quittiert, das Schiff fährt los

In jedem Fall sind dann zwei zusätzliche Winschen im Cockpit hilfreich. Die Podeste dafür sind bereits vorgesehen. Soll der Gennaker aktiv getrimmt werden und wird das Schiff mit Pinne gefahren, dann steht die Person dafür idealerweise ganz achtern im Cockpit. Auf der Version mit Rad geht das nicht. Es fehlt der Platz. Egal, ob drehend oder drückend gelenkt wird: Für den Weg nach Lee braucht man buntes Tuch, sonst macht das keinen Spaß.

Anders am Wind: Böen werden mit Druck quittiert, das Schiff fährt los. Setzt sich die Bö durch, hilft ein Zug am Achterstag, oder der Traveller wandert nach Lee, und der Druck lässt sich auf ein gewünschtes Maß reduzieren. Das gefällt, ist gerade richtig sportlich für eine Fahrtenyacht.

Auf dem Testschiff ist ein Steuerrad in­stalliert. Dessen Bewegungen werden per Stange auf den Quadranten übertragen. Das funktioniert tadellos und ohne Spiel. Ist ein Traveller eingebaut, teilt der das Cockpit, und es kann kein Tisch an die Steuersäule gehängt werden. Der Eigner hat jedoch eine Nachrüstlösung für einen Tisch gefunden. Der lagert allerdings in der großen Backs­kiste, wenn er nicht gebraucht wird.

Pinne sorgt für mehr Fußraum in der Achterkammer der Hanse 315

Stichwort Steuerrad: Eine Pinne steht dem Boot sicher auch gut zu Gesicht. Es ist agil, und viel Segelpower kommt aus dem Groß. Das lässt sich vom Steuermann bestens bedienen, wenn er mit der Verlängerung in der Hand auf der hohen Kante auf dem extra dafür abgeflachten Süll sitzt. Traveller und Schot liegen dann perfekt in Reichweite. Zudem sorgt die Pinne für mehr Fußraum in der Achterkammer, und sie stört, wenn hochgeklappt, im Hafen nahezu nicht.

Auch an Deck fallen einige nette Details auf: Die Verstagung erfolgt kontinuierlich, die Wanten lassen sich also von Deck aus trimmen. Der Gaskasten ist prima zugänglich, zwei Backskisten seitlich des Durchgangs zur Badeplattform bieten viel Platz zusätzlich zum ohnehin großen Stauraum an Backbord. Der könnte etwas besser unterteilt sein. So verschwinden die Dinge schnell mal in der Tiefe.

Nicht so gut gelungen ist der wenig tiefe Ankerkasten. Die Kette wird sich hinter einer (optionalen) Ankerwinsch schnell auftürmen. Thema Kompromiss: Das ist auch der Grund, warum die Koje im Vorschiff so – fast schon unnötig – lang sein kann.

Für wen?

Die Hanse 315 ist wie ein VW Golf. Der funktioniert ordentlich, hat Platz für vier und ist auf Wunsch auch ein wenig sportlich unterwegs. Zudem ist er optisch ansprechend, ohne besonders experimentierfreudig daherzukommen. Das alles trifft auch auf die Hanse zu. Wer eine sucht, muss auf eine noch intakte Rumpf-Deck-Verbindung achten, eine Lackierung des Rumpfes einplanen (so dieser farbig und das noch nicht geschehen ist) und den Bereich um den Kiel auch im Inneren auf Haarrisse kontrollieren. Das wäre ein Indiz für Auflaufschäden. Ansonsten warten die üblichen Verdächtigen: Die Sail­drive-Manschette wird angesichts der Baujahre oft noch die erste sein und ist damit am Ende ihrer Lebensdauer angelangt. Gleiches gilt nach 15 Jahren für das stehende Gut.

Ansonsten ist die Hanse 315 eine sehr ­erwägenswerte Alternative im Club der 40.000-­Euro-Gebrauchtyachten, eben weil sie einen prima Kompromiss geschafft hat.

Darauf müssen Kaufinteressenten achten

Gelcoat: Besonders die ­farbigen Beschichtungen neigen zum Ausbleichen. Da hilft oft auch Polieren nicht mehr. Ein teurer Neuanstrich ist die Folge. Weißes Gelcoat ist weniger anfällig
Foto: YACHT/A. Worms

Modellhistorie

Die 315 löste 2005 die 312 ab, um 2007 durch die 320 ersetzt zu werden. In der Zeit wurde das Schiff rund 330-mal gebaut. Exemplare mit Pinne sind selten. Wie bei Hanse üblich, wurden viele Schiffe mit farbigen Gelcoats geliefert. Bei den Tiefgängen dominiert der tiefe Kiel. 30-PS-Diesel als Option

Marktsituation

Das Schiff kostet gebraucht ab 50.000 Euro. Je nach Ausstattung und Pflegezustand mehr oder weniger. Die Schiffe werden meist schnell verkauft, wer eine sieht, die gefällt, sollte nicht lange zögern.

Die Hanse 315 im Detail

 | Zeichnung: YACHT | Zeichnung: YACHT

Technische Daten der Hanse 315

  • CE-Entwurfskategorie: A
  • Rumpflänge: 9,35 m
  • Breite: 3,20 m
  • Tiefgang/alternativ: 1,75/1,40 m
  • Gewicht: 4,3 t
  • Ballast/-anteil: 1,3 t/30 %
  • Großsegel: 27,5 m2
  • SW-Fock (100 %): 16 m2
  • Maschine (Yanmar): 15 kW/21 PS

Rumpf- und Decks­bauweise

Rumpf und Deck verklebt und verschraubt. Beides gebaut im Handauflegeverfahren, Schotten anlaminiert, ISO-Harze, Balsakern

YACHT-Bewertung der Hanse 315

Ein typisches Großserienschiff. Die Kojenlängen und Stehhöhen passen ebenso wie die Segeleigenschaften. Auch gebraucht für eine stressfreie Zeit auf dem Wasser geeignet. Dank einfacher Bedienung besonders für Familien und ältere Paare zu empfehlen.

Konstruktion und Konzept

  • + Ansehnliches Äußeres
  • - Tiefe Kurse bei SW-Fock

Segelleistung und Trimm

  • + Gute Rückmeldung am Ruder
  • + Leicht bedienbar

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Sehr geräumig
  • + Gut nutzbare Kojen

Ausrüstung und Technik

  • + Große Backskiste
  • - Qualität des farbigen Gelcoats

Der Artikel erschien erstmals in YACHT 21/2020 und wurde für die Online-Version aktualisiert.

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