Wenn das bräunlich schimmernde Wasser auf dem Maasholmer Noor von Streifen aus weißem Schaum geziert wird und die Möwen aufgeregt kreischen, weil sie mehr seitwärts fliegen als geradeaus, dann ist es langsam Zeit, ein Reff ins Groß zu binden.
Auf der Hallberg-Rassy 312 begnügen sich die Eigner damit, die Genua nicht ganz auszurollen. Das Schiff könne das ab. Und tatsächlich, mit etwas mehr Lage, als der Fahrtensegler für einen längeren Zeitraum akzeptieren würde, schiebt die gebürtige Schwedin los und liegt dabei noch angenehm auf dem Ruder. Man kann es sogar kurze Zeit loslassen, eine Luvgierigkeit ist selbst bei den vorherrschenden 5 bis 6 Beaufort nicht festzustellen.
Die ruhigen Bewegungen machen es leicht, sich an und unter Deck zu bewegen, schnell wird das Schiff auch dem Neuling an Bord zum vertrauten Lebensraum, weil alles sitzt, wo es hingehört, und keine unbekannten Dinge erforscht werden wollen, überhaupt, das wird schnell klar, Geheimnisse gibt die 312 ihrer Crew nicht auf.
Gut vorstellbar, dass sich unter solchen Vorzeichen bequeme Seereisen segeln lassen – selbst, wenn es mal etwas dicker kommt. Die 312 ist mit ihrem gemäßigten Langkiel und dem hohen Ballastanteil gutmütig. Mit ihrem tiefen V-Spant setzt sie weich in die Welle ein. Die sich daraus ergebenden ruhigen Bewegungen bei ruppigen Bedingungen vermitteln das Gefühl, auf einem viel größeren Schiff zu sitzen.
Dabei galt das Boot lange als sehr gut segelnder 31-Fußer, auch bei weniger Wind. Bläst es mit mehr als 10 Knoten, oder gar so stark wie heute, kommt es ins Laufen. Vor allem aber ist der Segeltag trotz der steifen Brise ein Erlebnis der unkomplizierten Art. Das Boot lässt sich gut aus dem Cockpit bedienen, der Rudergänger hat alles im Griff und kommt auch allein an Deck gut mit der Segelbedienung klar. Das Cockpit mit der schon früh zum Markenzeichen der Werft avancierten festen Scheibe ist eben kompakt. Letztere lässt sich in der Mitte aufklappen, was vor Anker für gute Belüftung sorgt.
Bei viel Lage stören die senkrechten Sülls im Rücken, und mehr als drei Erwachsene würden sich in der 1,95 Meter langen Plicht, deren achtere Hälfte dem Rudergänger vorbehalten bleibt, über einen längeren Zeitraum im Weg sitzen. Störend ist die Anordnung des ohnehin zu kurzen Travellers, nämlich dort, wo die Pinne aufhört. Der Rudergänger muss sich bei Wende und Halse unter der Pinne hindurchbewegen, weil zwischen Großschottalje und Pinne kein Platz für ihn bleibt. Seine Sitzposition ist nach geglücktem Manöver dafür hervorragend, die Abstände der Duchten ermöglichen es, sich abzustützen, die Sicht nach vorn ist frei.
Als die 312 im Jahr 1979 vorgestellt wurde, trat sie ein schweres Erbe an. Ihre Vorgängerin, die Hallberg-Rassy 31 Monsun, entsprach ihr in Abmessungen, Ausstattung und der Vorgabe, die Wünsche der anspruchsvolleren Eigner zu erfüllen. Sie ist mit 904 gebauten Einheiten der bis heute am besten verkaufte Typ der Werft. Im Jahr des Modellwechsels galt eine 31-Fuß-Yacht dabei keineswegs als Einsteiger-Klasse. Es gab mit der HR 26 noch ein kleineres Boot im Angebot. Und die YACHT urteilte 1980, die 312 sei bequem von einer vierköpfigen Crew zu segeln, die gelegentlich noch zwei Gäste mitnehmen wolle.
Fast vierzig Jahre später belegen nicht nur die Zahlen den Erfolg von Werftchef Christoph Rassy und Hauskonstrukteur Olle Enderlein. Bis heute ist die 312 gefragt, wie der stabile Gebrauchtbootpreis klar belegt.
„Die Hallberg Rassy 312 ist eines der populärsten Schiffe der Werft,“ sagt auch der Eigner des Testschiffes. In 14 Jahren Bauzeit zwischen 1979 und 1993 seien 690 Schwesterschiffe ausgeliefert worden. Außer der Monsun hätten sich bis heute nur zwei Modelle besser verkauft. Die Modellgeschichte kennt er aus dem Effeff. „Es gibt die 312 in drei Ausbauvarianten. Zwei davon finden sich in der bis 1986 gebauten MK-I-Version, erkennbar an den Rumpffenstern, die dritte in der späteren MK-II-Version mit den Fenstern im Aufbau.“
Unterschiedlich sei beispielsweise der WC-Bereich. Der zu Beginn in Holz gebaute Fußboden in dem über die gesamte Schiffsbreite reichenden Segment zwischen Vorschiffskojen und Salon der MK-I-Version wurde irgendwann durch eine GFK-Schale ersetzt, in der MK-II-Version schließlich eine separate Nasszelle mit Dusche eingebaut, deren Abwasser in den einen Meter tiefen Bilgensumpf geleitet wird. Auch die Länge der Vorschiffskojen variiere – zwischen 200 in der ältesten bis 190 Zentimeter in der jüngsten Version.
Der Aufbau sei im Rahmen der Modellpflege nach achtern verlängert worden, die Plichtwanne habe man daher etwas nach achtern wandern lassen und sie bei der Gelegenheit verbreitert. Pantry und Navigation wurden durch den längeren Aufbau etwas geräumiger. An Letztere schließe sich in den MK-II-Booten außerdem eine Hundekoje an, die es vorher nur als Extra gegeben habe.
Viele Extrawünsche hat die Werft im Übrigen nicht erfüllt. Das wurde in früheren Tests bemängelt, war als Zugeständnis an eine handwerklich hochwertige Großserie aber eine nachvollziehbare Strategie der Werft und bietet Gebrauchtbootkäufern heute den Vorteil guter Vergleichbarkeit der Boote untereinander.
Wenn auch Rumpfschale und Rigg nie angetastet wurden, musste die Decksform für die Modellpflege neu gebaut werden. Dabei hat die Werft dann auch die Balkenbucht erhöht, was ein fast waldeckartiges Rund ergibt, mithin mehr Stehhöhe unter Deck. Im Salon der MK-II-Version sind es 1,87 Meter. Rein optisch wirkt die ältere Variante mit den Fenstern im Rumpf etwas gestreckter, sagt Eigner Horstbrink, vielen gefalle sein Schiff aber besser, weil die Fenster sich im Aufbau befänden, was ganz nebenbei auch für mehr Licht unter Deck sorge. Doch ganz gleich welche Version, die Linien gelten vielen Betrachtern heute als zeitlos.
Unterstrichen wird das optisch durch das Teakdeck. Es war als Extra zu bestellen, aber kaum ein Käufer hat darauf verzichtet. Allerdings wurde es nicht vollflächig verklebt und wird, je nach Grad der Beanspruchung, früher oder später zur Problemzone. Gebrauchtboote, auf denen diese bereits fachmännisch behoben wurde, sind daher ausgesprochen attraktiv.
Das trifft in besonderem Masse auf die 312 zu, denn die Decksfläche ist in Relation zur Bootslänge groß. Hier liegt allerdings ein erheblicher Pluspunkt der 312. Breite Laufdecks, die von einem hohen Süllbord begrenzt werden, und der niedrige Aufbau machen das Deck zum zusätzlichen Lebensraum und zur geräumigen Arbeitsfläche, auf der sich die Crew, auch dank der hohen und massiv montierten Seereling, sicher bewegen kann.
Auf dem Vorschiff ist ein großer Ankerkasten untergebracht, auf dem Testschiff steht dahinter ein Spill, wobei die Kette neben dem Kastendeckel vorbeiläuft, sodass sich dieser auch bei angeschlagenem Geschirr öffnen lässt.
Unter Deck geht es über ein halbhohes Brückendeck, den Motorkasten und zwei Niedergangsstufen. Der Ausbau in matt lackiertem Mahagoni strahlt noch nach Jahren das Ambiente aus, mit dem sich die Werft den Ruf erarbeitet hat, auch in großer Serie handwerklich exzellenten Bootsbau abzuliefern. Einzig störende Elemente sind die Rassy-typischen Resopal-Flächen in Pantry und Navigation – aber das ist Geschmacks- und Gewöhnungssache.
Dass es Rassy nicht in erster Linie um billige Massenfertigung ging, sondern um die Erfüllung der Träume anspruchsvoller Fahrtensegler, fällt auf den ersten Blick ins Auge. Ob in der zweckmäßigen Pantry an Backbord, der geräumigen Navigation gegenüber oder der Eignerkammer im Vorschiff, überall sind zahlreiche Schapps eingebaut worden, die das Schiff gut bewohnbar machen. In der MK-II-Version steht gegenüber der Nasszelle außerdem ein geräumiger Schrank zur Verfügung.
Die Pantry des Testschiffes verfügt über eine seegerechte Doppelspüle, einen halbkardanisch aufgehängten Gasherd mit Backofen, ein von oben zu befüllendes Kühlschapp und ausreichend Arbeitsfläche. Die Position neben dem Niedergang liegt auf See im ruhigsten Bereich des Schiffes. Zahlreiche Details machen einfach Freude, so hat der Mülleimer beispielsweise seinen festen Platz in der Backskiste und ist durch eine Luke aus der Pantry zu erreichen.
Der Navigator sitzt auf dem Kopfende der äußerst geräumigen Hundekoje, deren Begrenzung die mit hölzernen Wegerungen isolierte Bordwand bildet. Auf dem Kartentisch finden Sportbootkarten Platz, und es ist ein Paneel für die Elektronik und ein geräumiges Bücherbord vorhanden.
Der konventionelle Salon bietet Längssofa an Backbord und L-Sofa an Steuerbord, die um einen großen Klapptisch herum angeordnet sind, der in der Mittschiffslinie steht. Auch hier sind zahlreiche Schapps und Bücherborde auf jeder Seite Standard.
Die Backskisten unter den Sofakojen, die sich durch Hochklappen der Rückenlehnen ergeben, sind sowohl von oben als auch durch mehrere Schappdeckel an der Seite zugänglich. Ein Decksluk hinter dem Mast und die Fenster sorgen für reichlich Licht und zwei Doradekästen auf dem Aufbau für permanent gute Belüftung.
Die Nasszelle ist, gemessen an den zeitgenössischen Yachten, auf denen dieser Bereich meist in der breiteren Mittschiffsregion zu finden ist, eng. Sie hat jedoch Stehhöhe, und die Dusche ist durchaus benutzbar. Sie verfügt über ein zu öffnendes Fenster und zusätzlich ein Luk im Aufbau, das über die Schottwand reicht und damit auch den Durchgang zum Vorschiff belüftet. Auch in der Nasszelle sind zahlreiche Schapps verbaut worden.
Das Vorschiff bekommt viel Licht durch ein großes Luk, der Einstieg erfolgt durch ein seitlich leicht nach Steuerbord verlegtes Schott und wird durch ein wegnehmbares Kojendreieck erleichtert.
Viel Wert legte Hallberg Rassy schon vor der CE-Kennzeichnungspflicht darauf, den Kunden eine Sicherheit an die Hand zu geben, dass die gute Bauqualität ihres Schiffes auch von Dritten bestätigt wird. Die HR 312 wurde daher „unter der ständigen Aufsicht eines außerbetrieblichen Inspektors von Lloyd’s Register of Shipping“ gebaut. Die Expertise umfasste unter anderem die Begutachtung der Fertigung von Rumpf, Deck, tragenden Schotten, Kiel, Ruderanlage, Rüsteisen, Luken sowie der Wasser- und Treibstofftanks im Kiel.
Der mit Stringern verstärkte, massive Rumpf entstand im Spritzgussverfahren aus GfK, das anlaminierte Deck aus GfK-Sandwich. Der Kiel ist Bestandteil der Rumpfschale und wurde von innen mit Eisenballast befüllt, den man dann mit Harz vergossen und überlaminiert hat.
Alle Schotten und das Deck sind an den Rumpf laminiert, der Mast steht auf dem Hauptschott an Deck und wird zusätzlich mit einem Mastfuß aus Holz abgestützt. Die Püttinge sind mit massiven Knien verbolzt, die am Rumpf festlaminiert sind.
Das Schiff ist hochwertig verarbeitet, beachtet werden sollten die üblichen Verschleißerscheinungen
Stand 07/24. Wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
Hallberg Rassy, Orust, Schweden, www.hallberg-rassy.com
Mit der HR 312 haben Olle Enderlein und Christoph Rassy einen zeitlosen Geschmack getroffen und ein stabiles Fahrtenschiff mit guten Segeleigenschaften gebaut. Unkompliziert und mit überdurchschnittlich viel bequemem Wohnraum an wie unter Deck.
Der Artikel erschien erstmals in YACHT 09/2017 und wurde für die Online-Version aktualisiert.