Grand Soleil 65 LCAtemberaubend schön - eine Fahrtenyacht der Luxusklassse

Michael Good

 · 11.08.2024

Vorn schlank, hinten mächtig. Die Konstruktion von Matteo Polli setzt attraktive Akzente
Foto: Cantiere del Pardo/Alberto Cocchi
Atemberaubend schöne wie sportliche Linien und die lässige Eleganz der Größe. Mit der Grand Soleil 65 LC baut Cantiere del Pardo das Programm auch im gehobenen Segment weiter aus

Was gibt es Schöneres, als barfuß über ein sonnengewärmtes Teakdeck zu spazieren? Und was gibt es Unschöneres, als dabei mit den Zehen voran gegen die scharfen Kanten eines Decksbeschlags zu hämmern? Dies kann auf einer Yacht wie der Grand Soleil 65 zum Glück kaum passieren. Dort gibt es fast keine Beschläge an Deck, und wenn, sind sie vertieft eingebaut oder zumindest abgedeckt. Dafür sind die attraktiven Yachten aus dem gehobenen Luxus-Programm von Cantiere del Pardo schließlich auch bekannt und angesehen: unverbaute Flächen, schiere Layouts, schnieke Eleganz.

Mit einer nahezu beispiellosen Dynamik haben die Yachtbauer mit Hauptsitz in Forlì an der italienischen Adriaküste in den vergangenen Jahren die Entwicklung von neuen Yachten vorangetrieben, insbesondere im großen und luxuriösen Größensegment von 60 bis 80 Fuß Rumpflänge. Erst unlängst ist die Grand Soleil 72 fertiggestellt worden (YACHT Heft 13/2024). Jetzt folgt bereits der nächste Ausbauschritt mit der etwas kleineren 65er nach unten. Eine neue Grand Soleil 60 soll sich ebenfalls schon im Bau befinden und 2025 fertig werden. Über allem thront das Flaggschiff der Reihe, die Grand Soleil 80. Allerdings ist sie als reines Custom-Projekt zu sehen, ohne ausgewiesene Ambitionen für eine Herstellung in Serie.

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Aber auch im kleinen Längensegment betreibt Cantiere del Pardo emsig Linienpflege. Erst unlängst haben die umtriebigen Italiener mit der Grand Soleil Blue einen kleinen Daysailer von zehn Meter Rumpflänge vorgestellt. Das erste Boot ist jetzt ebenfalls im Bau. Und eine 40er ist erst seit knapp zwei Jahren auf dem Markt. So gesehen: Kaum eine andere Marke ist über ein derart weites Spektrum aufgestellt wie Grand Soleil. Aktuell weist die komplette Werftlinie nicht weniger als 14 Modelle zwischen 33 und 80 Fuß Länge aus, das älteste davon ist noch nicht mal zehn Jahre auf dem Markt.

Um die Übersicht zu wahren, beabsichtigt Cantiere del Pardo, das gehobene Programm ab 60 Fuß Rumpflänge künftig als eigenständige Linie innerhalb des Werftprogramms unter der Bezeichnung Grand Soleil Plus abzusetzen. Dazu sind die Typen Grand Soleil 65 und 72 jeweils in zwei Versionen verfügbar, LC (Long Cruise) und Performance. Der Unterschied zwischen den beiden Ausführungen liegt vor allem in der Gestaltung des Kaujütaufbaus und damit auch im Ausbau.

Wegen hoher Individualität keine konkrete Preisliste

Die hier vorgestellte Yacht ist die 65er in der LC-Version, das heißt mit einem etwas erhöhten Kajütaufbau und einem umlaufenden Fensterband. Damit kann die Werft den Innenausbau mit einem ebenfalls höher eingebauten („raised“) Salon planen und bekommt damit noch mehr Möglichkeiten für eine individuelle Gestaltung unter Deck. Bei der Version Performance hingegen ist der Kajütaufbau ultraflach und die Fenster sind auf schmale Schlitze reduziert. Auch bleibt der gesamte Innenausbau auf einem durchgehenden Niveau, ohne Stufen und Absätze wie bei der LC- Ausführung.

Der Rumpf, die Rumpfanhänge sowie die Gestaltung im Cockpit sind jedoch in beiden Versionen gleich, ebenso das generelle Layout an Deck. Auch hinsichtlich der Ausstattung macht die Werft keine Unterschiede, ob Long Cruise oder Performance. Ohnehin hat der Kunde diesbezüglich das Wort und kann sich seine Yacht im Rahmen eines echten Semi-Custom-Projekts ganz nach seinem persönlichen Begehren ausgestalten lassen. „Wir können alle Kundenwünsche erfüllen, solange diese technisch machbar sind und sich kon­struktiv vernünftig umsetzen lassen“, sagt Franco Corazza, der sich bei Grand Soleil als Verantwortlicher um die Entwicklungen im gehobenen Luxussegment kümmert.

Als Folge dieser hohen Individualität unterhält Cantiere del Pardo für die großen Yachten der Reihe weder Standard-Spezifikationen noch eine konkrete Preisliste. Auf Drängen nennt Franco Corazza lediglich eine ungefähre Preiseinordnung für die 65 LC, die uns für einen ausgedehnten Probeschlag vor Palma de Mallorca zur Verfügung steht. Die sehr hochwertig und mit fast allem optionalen Beiwerk ausgestattete Baunummer zwei soll demnach für rund 2,8 Millionen Euro netto an den stolzen Besitzer gegangen sein.

Konzept für den mediterranen Einsatz

Eingerechnet ist dabei auch das wunderschön gefertigte Kohlefaserrigg von Axxon Composites mit Rod-Wanten sowie der Park-Avenue-Großbaum, ebenfalls gebaut aus Carbon. Dazu kommt eine sehr umfangreiche Segelgarderobe mit bester Laminat-Ware für die Amwind-Segel. Käufer können selbst bestimmen, ob sie das Schiff mit einer überlappenden Genua oder mit einer Selbstwendefock betreiben wollen. Weil der Mast vergleichsweise weit achtern steht, sind beide Varianten ausreichend groß, auch für mutmaßlich schwach­win­digere Reviere.

Das Konzept fokussiert sogar auf den mediterranen Einsatz. Dafür steht insbesondere die Gestaltung im Cockpit. Das weitläufige und mehrheitlich unverbaute Arrangement bietet eine Menge Bewegungsfreiheit für die arbeitende Crew sowie für die Gäste an Bord. Das ist schön für erholsame Aufenthalte in der ruhigen Bucht, im Hafen oder bei lieblichen Windbedingungen unterwegs. Bei Wind, viel Krängung und Wellengang zeigen sich aber auch Nachteile der offenen und schieren Cockpitgestaltung. Wer sich im Cockpit oder an Deck bewegen muss, sucht vergebens nach einem soliden Stand und guten Festhaltemöglichkeiten.

Die langen und extrem breiten Duchten bieten sich mit einer Sitztiefe von rund einem Meter zwar als schöne und bequeme Sonnenliegen an, unterwegs allerdings sitzt man darauf ebenfalls verkrampft, weil man sich weder am Süll anlehnen noch mit den Füßen ordentlich abstützen kann. Dieser Kompromiss priorisiert das Boot also ganz klar als exquisite Plattform für Lustsegler, übergeht aber gleichermaßen auch die Ansprüche für den Einsatz auf hoher See im Sinne von LC – Long Cruise.

Seglerisches Potenzial ist bemerkenswert

Die Fallen sowie die Trimm- und Reffleinen bleiben auf der Grand Soleil 65 LC im Mastbereich belegt und werden über zwei an Deck montierte Elektrowinschen bedient. Damit will die Werft vermeiden, dass viele Schoten ins Cockpit geführt werden und dort herumliegen. Im Arbeitsbereich ganz hinten werden deshalb nur die Schoten für die Genua und für das Großsegel sowie für zusätzliche Raumwindwegel wie Code Zero oder Gennaker gefahren. Hydraulische Spanner trimmen das Achterstag sowie den Baumniederholer.

Bemerkenswert ist das seglerische Potenzial, das die Grand Soleil 65 LC an den Tag legt. Bei sehr konstanten Windbedingungen um 16 bis 20 Knoten schafft die gut 20 Meter lange Konstruktion aus der Feder von ORC-Künstler Matteo Polli hart am Wind spielend über 8,5 Knoten Speed bei einem Wendewinkel von 90 Grad. Auf dem Rückweg unter Gennaker bleibt die Logge dann sogar dauerhaft im zweistelligen Bereich und schnellt in den Böen auch mal bis 14 Knoten hoch. Selbst für ein großes Schiff dieser Ausrichtung sind das beachtliche Leistungswerte.

Auf der Werft in Forlì werden die Rümpfe und die Decks als GFK-Sandwichkonstruktion mit Schaumkern und Vinylesterharz im Vakuum-Infusionsverfahren gebaut. Die Bodengruppe wird monolithisch hergestellt, ebenfalls mit Vakuum-Infusion, und in die Schale eingeklebt sowie zusätzlich anlaminiert. Dazu sind an hoch belasteten Stellen im Kielbereich und an der Ruderwelle die Strukturen mit Kohlefaser-Gelegen verstärkt. Als Wantenpüttings sind keine Edelstahlplatten angebolzt, sondern massive Komposit-Beschläge fest in die Rumpfstrukturen mit einlaminiert. Dies führt zu ungewöhnlich steifen und soliden Verbindungen, und es können so obendrein viele mögliche Lärmbrücken unterdrückt werden.

Dolce Vita ohne Einschränkungen

Tatsächlich ist es unter Deck sowohl unter Segeln als auch im Hafen ungewöhnlich ruhig und sehr gemütlich. Vom Wellenschlag ist unterwegs kaum etwas zu hören, von der großen 175 PS starken Einbaumaschine lässt sich nur ein leises Schnur­ren vernehmen, und selbst wenn sich die Mannschaft an Deck an den Winschen zu schaffen macht, bleibt es innen erstaunlich still. Es ist, als wäre man unten ganz weit weg vom Geschehen an Deck. Die Yachten aus dem Hause Cantiere del Pardo haben schon immer mit ihrer guten und soliden Verarbeitungs- und Ausbauqualität punkten können. Die Machart ist bis ins kleine Detail makellos und stimmig. Das gilt im Besonderen auch für die Schiffe der Luxusklasse. Speziell gut gefallen die sehr robust ausgeführten Tischlerarbeiten, die mit hohen Vollholzanteilen in Handarbeit entstehen.

Längst hat sich Grand Soleil im Segment der XXL-Yachten eine solide und relevante Marktposition erarbeitet. Die Italiener brauchen die Vergleiche mit der exklusiven Konkurrenz etwa von Solaris Yachts oder Nautor’s Swan nicht zu scheuen, weder qualitativ noch optisch, noch bezüglich der Segeleigenschaften.

Technische Daten der Grand Soleil 65 LC

 | Zeichnung: Werft | Zeichnung: Werft
  • Rumpflänge: 20,10 m
  • Wasserlinienlänge: 18,20 m
  • Breite: 5,95 m
  • Tiefgang: 3,50 m
  • Gewicht: 27,5 t
  • Segelfläche am Wind: 260,0 m2
  • Maschine (Yanmar, Wellenantrieb): 175 PS
  • Werft: Cantiere del Pardo/Grand Soleil
  • Vertrieb: Diamond Yachts, Laboe

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