Michael Good
· 22.10.2024
Schon bei der ersten Begegnung im Hafen macht sich so etwas wie Ehrfurcht breit. Da liegen rund 20 Tonnen unverwüstliches Aluminium in Form eines Schiffs – massiv, grau, derb und allem Anschein nach äußerst robust. Ein Panzerkreuzer wahrlich, neben dem die benachbarten GFK-Yachten am Steg im Vergleich zierlich oder schon fast zerbrechlich wirken.
Das Konzept zu umschreiben ist einfach: Die Exploration 52 von Garcia Yachting aus Frankreich ist darauf ausgerichtet, anspruchsvolle Segelreisen in die hohen Breiten zu unternehmen. Nicht weniger; Kompromisse sind nicht vorgesehen. Sportlichkeit zum Beispiel oder besondere Eleganz bleiben als Themen außen vor. Für die Yachten der Exploration-Linie gibt es lediglich ein Ziel, und das liegt möglichst weit in der Ferne.
Im Frühjahr 2014 hat Garcia Yachting mit der Exploration 45 ein Schiff für die weltweite, uneingeschränkte Langfahrt vorgestellt. Mit seiner Erfahrung maßgeblich am Projekt mitgewirkt hatte Jimmy Cornell, ausgewiesener Hochsee-Experte und Begründer der ARC (Atlantic Rally for Cruisers). Zusammen mit den Architekten von Berret/Racoupeau und den Konstrukteuren bei Garcia Yachting hat Cornell ein Schiff entworfen, mit welchem er die Nordwestpassage durchsegeln wollte. Im zweiten Anlauf ist ihm dieses Vorhaben schließlich auch gelungen. Die Exploration 52 ist das größere Folgemodell mit genau derselben einzigartigen DNA.
Garcia Yachting und Allures Yachting (beides Aluminiumspezialisten) produzieren ihre Schiffe gemeinsam in derselben Werft in Tourlaville bei Cherbourg. Beide Marken firmieren unter dem Dach der Gruppe Grand Large Yachting, zu der auch die Katamaranbauer von Outremer sowie die US-Marke Gunboat mit ihren leistungsstarken Performance-Kats gehören.
Olivier Vantrepol ist als Verkaufsleiter bei Grand Large sowohl für Garcia als auch für Allures zuständig. Er erklärt den Unterschied zwischen den Marken: „Beide Boote eignen sich für eine Weltumsegelung. Die Schiffe von Garcia segeln vorzugsweise entlang der Längenkreise über den Norden und den Süden. Allures baut hingegen Schiffe, mit denen man sich vielmehr entlang der Breitenkreise hält.“
Was das konkret bedeutet, zeigt sich in der Produktion. Während schon die Schiffe von Allures Yachting als sehr robust gebaut und besonders hochseetauglich gelten, heben die Yachten von Garcia die Ansprüche bezüglich Sicherheit und Widerstandsfähigkeit noch einmal auf das nächsthöhere Niveau.
Für den Rumpf der Exploration 52 werden Aluminiumplatten von sechs (oberhalb der Wasserlinie) und acht Millimeter (unterhalb) in Form gepresst und spannungsfrei über einem Spantengerüst verschweißt. Bei Allures ist die Bauweise zwar dieselbe, die Platten sind aber weniger dick und die Schiffe insgesamt leichter.
Für das Bodenelement verwendet Garcia Yachting sogar Platten von zehn Millimeter Stärke. Damit könnte die Exploration 52 Eis brechen, wenn es nicht allzu mächtig ist. Und mit dem Schiff kann man zudem problemlos trockenfallen, auf beinahe jedem Untergrund. Dabei bleibt die Exploration auf ihrem unten abgeflachten Rumpf sowie in Verlängerung auf ihrem langen Ballastkiel stehen. Die beiden Ruderblätter werden bei dieser Aktion nicht belastet.
Wie Allures baut auch Garcia seine Yachten ausschließlich als Integralschwerter. Die Option auf einen Festkiel ist derzeit nicht vorgesehen. Im Falle der Exploration 52 kann die schwenkbare Flosse den Tiefgang von drei Meter auf minimal 1,27 Meter reduzieren. So würden sich auch seichte Gewässer befahren lassen, allerdings nur mit Maschine. Denn mit aufgeholtem Schwert segelt die Exploration vor allem am Wind nur eingeschränkt.
Für den Test vor dem Hafen von Cherbourg ist aber glücklicherweise genug Wasser vorhanden, und es gibt auch ausreichend Wind. 15 Knoten sind es im Mittel mit Böen bis 18 Knoten, dazu ein Schwell von rund 1,5 Metern – Bedingungen, bei denen auf einem Schiff wie der Exploration 52 der Spaß erst so richtig beginnt. Mit der mächtigen Genua und einem Reff im Großsegel erreicht die große und 20 Tonnen schwere Aluminium- Yacht schnell einen guten Speed von knapp über 7 Knoten auf einem Kurs von 45 Grad zum wahren Wind.
Für ein Schiff dieser Ausrichtung sind die bloßen Leistungsdaten aber nur bedingt aussagekräftig. Wichtiger: Die Exploration verdrängt die anlaufenden Wellen problemlos und setzt selbst auf einem Kurs hart am Wind sehr sauber und weich ein. Das Boot an der Windkante zu steuern ist einfach und problemlos, auch wenn wegen der doppelten Ruderblätter kaum Rückmeldung auf der Lenkung wahrzunehmen ist. Umso leichter hat es der Autopilot, der auf den langen Schlägen ohnehin wohl die meiste Zeit steuern dürfte. Und er benötigt zudem weniger Strom.
Probehalber wird im Test die Genua durch die am Kutterstag gerollte Selbstwendefock ersetzt, dafür das Großsegel wieder ausgerefft. Mit dieser Garderobe kann die Exploration rund fünf Grad mehr Höhe laufen, verliert dabei aber etwa einen halben Knoten Speed. Die Selbstwendefock ist ein Extra auf speziellen Kundenwunsch; sie für das Schiff eigentlich zu klein und zu schmal. Im Normalfall – allerdings ebenfalls nur als Option – würde das Schiff zusätzlich zur großen Genua und für mehr Wind mit einem herkömmlichen Kutterstagsegel ausgestattet werden.
Die Manöver an Bord gehen ungemein leicht von der Hand. Vier große und gut platzierte Winschen sorgen für geordnete Abläufe, dazu sind alle Schoten, Reff- und Trimmleinen in Kanälen unter Deck zurück ins Cockpit geführt. Wählt der Kunde wie üblich das Kutterstag als Option, muss die große Genua im Manöver vorn durchgezogen werden. Dann sind die Wege zum Dichtholen lang und elektrische Winschen als Option unentbehrlich.
Wer eine lange Seereise plant und sich für ein Schiff aus der Exploration-Linie von Garcia entscheidet, sollte sich genügend Zeit nehmen, um sich mit allen Details der Bordtechnik an und unter Deck vertraut zu machen. Das Schiff ist sehr kompliziert aufgebaut, und der Eigner muss wissen, wie und wo die technischen Installationen für Wartung, Inspektion und Reparatur zu erreichen sind. Das ist eine Aufgabe.
Die Werft hat sich aber viel Mühe gegeben, die technischen Anlagen mitsamt aller Funktionen leicht zugänglich zu installieren. Das gilt für die Einbaumaschine, die Steuerung, die Elektrik sowie auch für das Netz der Wasserversorgung.
Wichtige Themen an Bord einer Explorer-Yacht sind die Belüftung und die Heizung, gerade für Reisen ins Eismeer. Die Exploration 52 wird deshalb schon ab Werft mit einem aktiven Lüftungssystem ausgestattet, dazu mit einer Warmwasser-Heizung und Radiatoren in allen Wohnbereichen. Überdies werden der Rumpf oberhalb der Wasserlinie, das Deck und der Aufbau mit einer acht Zentimeter dicken Schaumstoff-Isolation gedämmt. Auch das entspricht dem Werftstandard.
Aber: Trotz der vermeintlich perfekten Schall- und Wärme-Isolierung produziert der 110 PS starke Einbaudiesel von Volvo Penta unter Deck recht viel Lärm. Bei Marschfahrt liegen die Schallpegel in der Achterkabine mit 80 Dezibel an der Grenze des Erträglichen. Auch im Salon wird es mit 76 Dezibel recht laut.
Wie schon die kleinere Schwester Exploration 45 präsentiert sich auch die 52er als echte Deckssalonyacht. Das heißt: erhöht eingebaute Sitzgruppe mit Rundum-Aussicht durch die großen Aufbaufenster, dazu eine lange Küchenzeile seitlich mit großen Arbeitsflächen und vielen gut nutzbaren Stauräumen. Beim größeren Boot kann die Werft den Platz unter der aufgestockten Dinette als zusätzliche Kabine mit einem Einzelbett ausbauen oder eine begehbare Werkstatt einrichten. Auch für die Achterkabinen sind Varianten mit zwei einzelnen Kojen oder Doppelbetten machbar. Ganz generell kann der Kunde beim Layout des Innenausbaus zu weiten Teilen mitbestimmen.
In der Eignerkabine vorn hat die Werft die Nasszelle ganz in das Vorschiff gerückt und die Doppelkoje dafür seitlich angebaut. Dieses Arrangement soll es den Bewohnern erlauben, sich freier in der Kabine zu bewegen und den Platz besser zu nutzen. Zudem steht vorn eine kleine Arbeitsfläche zur Verfügung.
Den Innenausbau mit allen Möbeln bezieht Garcia Yachting von einem externen Zulieferbetrieb und setzt die Teile in den fertigen Aluminiumkasko ein. Verarbeitung und Qualität sind ordentlich. Allerdings waren beim Testschiff die Teakholz-Furniere der einzelnen Einbauelemente nicht schön aufeinander abgestimmt, was für das Auge unruhig wirkt.
Etwas mehr als 830000 Euro kostet die Exploration 52 von Garcia Yachting ab Werft, inklusive der Segel und der ausgewiesen hochseetauglichen Grundausstattung. Der Preis lässt sich schlecht einordnen, weil kaum vergleichbare Boote auf dem Markt erhältlich sind. Das Geld bezahlen Abenteurer, welche das Extreme suchen, oder Kunden, die auf Nummer sicher gehen wollen, in jeder Lebenslage. Für beide kann auf diesem Schiff kommen, was will.
Rumpf und Deck aus Marine-Aluminium im Rundspant geschweißt. Aufbaudach als GFK-Sandwichkonstruktion
Garcia Yachting, FR-50100, Tourlaville; www.garcia-yachting.com
Äußerst robust gebaute Explorer-Yacht aus Aluminium in einer kompromisslosen Ausrichtung für anspruchsvolle und lange Touren in die hohen Breiten. Mit Langkiel, Integralschwert und doppelten Ruderblättern trockenfalltauglich
Der Test erschien erstmalig in YACHT-Ausgabe 13/2016 und wurde für diese Onlineversion überarbeitet.