Ein großer Aufkleber am Bug macht deutlich, dass das hier keine beliebige Yacht ist. In der großen Montagehalle von Seascape, nur rund zehn Kilometer südlich der slowenischen Hauptstadt Ljubljana gelegen, erinnert er Mitarbeiter wie Besucher daran, Smartphones und Kameras stecken zu lassen. Denn hier geht kurz vor Weihnachten jenes Modell seiner Komplettierung entgegen, das absehbar die meistbeachtete Neuerscheinung des Jahrgangs 2025 wird.
Die First 30 verspricht gleich mehrere Lücken im Markt zu schließen: schnell genug, um schon bei drei bis vier Beaufort ins Gleiten zu kommen, groß genug für junge Familien und so erschwinglich, wie Serienboote um neun Meter Rumpflänge momentan zu haben sind. Mit ihr will Beneteau an die Erfolge der lange Zeit legendären Modellreihe anknüpfen, welche die Franzosen überhaupt erst zum Weltmarktführer gemacht hat.
Wie schon auf den ersten Computerillustrationen wirkt die First 30 auch live und in 3D zeitlos modern. Die Bugsektion des von Sam Manuard konstruierten Rumpfes verfügt über viel Volumen, das Unterwasserschiff über einen ausgeprägten Kielsprung – beides Attribute, die typisch sind für aktuelle Hochsee-Rennyachten. Nur im achteren Drittel läuft der Rumpfboden für gute Gleiteigenschaften flach aus. Für die großen Doppelruder gibt es eigens Aussparungen, um deren Anströmung optimal zu halten.
Daran und an der umfassenden Beschlagsausstattung sieht man, dass es die Macher ernst meinen mit den Segeleigenschaften. Auch beim Gewicht bleibt die First 30 trotz Innenschale und komplettem Ausbau im Rahmen. Sie soll sogar leicht unter den Vorgaben liegen – obwohl die Schotten und Kojenauflagen aus 15-Millimeter Sperrholz bestehen. Für Seascape, die alle First-Modelle bis 40 Fuß konzipieren und herstellen, ist das ein Novum. Bisher kam hier stets Schaumsandwich zum Einsatz.
Für ein Neun-Meter-Boot wirkt die Neue an Deck ungemein kompakt. Die Cockpit-Ergonomie ist wie gewohnt sehr gut. Die eigentliche Überraschung wartet unter Deck. Trotz flachem Freibord und geringer Aufbauhöhe bietet die First 30 vor dem Niedergang volle Stehhöhe und im Salon sowie im Vorschiff eine angenehme Weite. Tatsächlich ist sie Tourenyacht, Sportboot und Daysailer in einem.
Das Konzept entstand in einem Joint Venture zwischen Beneteau und Seascape. Die slowenische Werft ist im Konzernverbund für alle First-Modelle von 40 Fuß an abwärts verantwortlich und hat sich unter anderem mit bisher allein drei Titelgewinnen bei Europas Yacht des Jahres einen erstklassigen Ruf erarbeitet.
Die First 30 schließt eine große Lücke im bisherigen Angebot, die zwischen First 27 und First 36 bestand. Wie bei allen Seascape-Entwürfen stammt die Konstruktion von Sam Manuard, einem der erfolgreichsten Architekten für Hochsee-Rennyachten.
Als Stylist zeichnet Lorenzo Argento verantwortlich, den Beneteau eingebracht hat. Laminatplan und Struktur berechnete Giovanni Belgranos Pure Design & Engineering. Ein Team, das für seglerische Effizienz wie für visuelle Ästhetik bürgt und bereits die First 36 prägte.
Die Neue ähnelt ihr in Form und Proportionen sehr. Anders als bei der größeren Schwester jedoch waren bei der First 30 die Margen erheblich kleiner und die Spielräume in der Entwicklung deshalb deutlich enger. Vor allem das Ziel, im Nettopreis nicht die Marke von 100.000 Euro (netto) zu reißen, stellte das Team von Seascape-CEO Andraz Mihelin vor erhebliche Herausforderungen.
Weil zudem das Gewicht eine erfolgskritische Größe ist, um frühes Angleiten zu ermöglichen, wurde es eine Übung im intelligenten Weglassen – ohne aber grundlegende Komfortansprüche zu vernachlässigen. Tatsächlich bietet die First alles, was es zum Fahrtensegeln braucht: zwei Schlafzimmer, Küche, Bad und Seeterrasse. Die Doppelkoje im Vorschiff ist für ein sportliches Boot dieser Größe geradezu üppig und erreicht im Schulterbereich Queensize-Format; sie hat die gleichen Maße wie die First 36. Nur achtern wird es für zwei Erwachsene etwas knapp.
Wie üblich bei Seascape sind die Möbelfundamente Teil der tragenden Struktur und genau wie Rumpf und Deck aus leichtem GFK-Sandwich laminiert. Im Standard gibt es nur eine per Magnete schließende Falttür – jene zur Nasszelle; und auch die besteht aus leichten Schaumplatten.
Vor dem Niedergang fehlen Bodenbretter; die finden sich nur im leicht erhöhten Salon. Dafür ist der Rumpfboden mit einem sechs Millimeter starken Belag aus Seacork beklebt, der wahlweise und gegen Aufpreis auch im Cockpit verlegt werden kann. So bleibt dort, wo es unter Deck am meisten zählt, mit 1,85 Meter genug Stehhöhe.
Vor allem aber sparen all diese Maßnahmen Gewicht, weshalb die First 30 eine gute halbe Tonne weniger verdrängt als ihre vom Volumen her kleinere Vorgängerin von 2011, die noch komplett in Sperrholz ausgebaut war. Das sind Welten, und das spiegelt sich auch in der höheren Segeltragezahl des aktuellen Modells wider (5,2 vs. 4,9). Zur J/99 ist der Abstand in der Verdrängung noch größer: 3,1 Tonnen für die Frist, 3,8 Tonnen für die J/99.
Die Computerillustrationen lassen die First 30 bei aller Dominanz von GFK-Flächen recht wohnlich erscheinen. Und das trifft vermutlich auch den Charakter, wenn man die Ausgestaltung der 36 vor Augen hat. Allerdings wird ihre Detaillierung nicht so umfassend sein.
Die farblich abgesetzten Textil-Paneele an den Rumpfwänden etwa sind ein aufpreispflichtiges Extra; im Standard gibt es hier wie in den Kabinen nur die „Raufaser-Optik“ von unverkleidetem, lediglich mit Acryllack beschichtetem Laminat.
Man kann sich das Interieur aber gemütlicher machen. So stehen außer den Wandverkleidungen Warmwasserboiler und Heizung auf der Optionsliste. Ebenso lassen sich Magnettüren für die Kabinen und passende Stautaschen ordern.
Bemerkenswert: Die First verfügt über viel Stauraum an Deck. Ganz achtern fassen zwei Backskisten Gasflasche, Festmacher und Kleinzeug. Unter der Steuerbord-Ducht, erreichbar über eine große Klappe, stehen mehr als zwei Kubikmeter für die Lagerung von Fendern, Segeln und anderer Ausrüstung bereit, was in dieser Klasse mehr ist als sonst üblich.
Abweichend von den Werft-Renderings wird das Boot selbstverständlich mit einer CE-konformen Seereling ausgeliefert. Nach der vorläufigen Einstufung ist die First 30 bei einer Besatzung von bis zu zwei Personen für Kategorie A (Hochsee) zertifiziert – ein wichtiger Aspekt für die Zulassung zu anspruchsvollen Seeregatten. Bei bis zu sechs Personen Crew gilt Kategorie B.
Man sollte die Neue von Beneteau gleichwohl nicht als verkappten Racer missverstehen, obwohl sie bei Silverrudder, Baltic 500 oder Midsummer Sail sicher gut vertreten sein wird. Im Kern ist sie ein Boot, das einer möglichst breiten Zielgruppe Segelspaß bereiten soll.
Seascape-Gründer Andraz Mihelin sieht die First 30 da in einer Tradition mit dem Original von anno 76, das ja auch einen Markt etabliert hat, der so noch gar nicht wirklich existierte. Deshalb hat der Visionär, der schon mit der Seascape 18 bewies, dass er gern jenseits von Konventionen denkt, für den Neun-Meter-Speedster eine eigene Kategorie ausgerufen: Statt von einem Performance Cruiser spricht er lieber von einem „Planing Cruiser“, wörtlich übersetzt: „Gleitkreuzer“.
Es ist ein großes Versprechen: Schon bei 3 bis 4 Beaufort soll sich die First 30 raumschots mühelos von ihrem eigenen Wellensystem lösen und zweistellig segeln. Ein Jahr später will er mit einer „Seascape Edition“, die noch leichter und potenter wird, eine weitere Leistungsstufe zünden – so wie mit der ebenfalls in Cannes angekündigten First 36 SE. Die Frage wird nur sein, ob ihm dafür nicht die Bauplätze ausgehen. Schon vor der Präsentation haben die Beneteau-Händler 50 Boote blind vorbestellt und anbezahlt. Im Februar beginnen die Auslieferungen. Gut möglich also, dass sich die Erfolgsgeschichte der ersten First 30 gerade wiederholt.