“Dragon”Vismara V 50 im Zeichen des Drachen

Michael Good

 · 21.07.2024

Mediterrane Träume. Die Vismara V50 „Dragon“ vor der Scoglio dello Sparviero bei Punta Ala: elegantes Schiff auf azurblauem Wasser
Foto: YACHT/Guido Cantini
Vismara Marine in Italien baut auch in Serie. Trotzdem können sich die Eigner ihr Schiff immer noch ganz individuell nach Wunsch zusammenstellen – so wie Angelo Bruni seine „Dragon“

Dass Symbol des Drachen habe ihn schon als Bub besonders fasziniert, sagt Angelo Bruni und krempelt sich den Ärmel hoch, um die Tätowierung auf seinem Unterarm vorzuführen: ein feuerspeiender Drache im großen Format. Ein ähnliches Emblem ist auch auf den Tank seiner Harley-Davidson aufgepinselt, mit welcher der Italiener bisweilen auf der Mole im Hafen von Punta Ala bis direkt vor sein Schiff knattert. Und auch dort prangt am Heck in großen Lettern „Dragon“.

Alle seine bisherigen Segelboote hätten diesen Namen getragen, erklärt der kleine, drahtige Mann. Und das waren nicht wenige – darunter auch vier Yachten von Vismara Marine. Etwas ganz Einzigartiges und Exklusives sein Eigen zu nennen war ihm schon immer wichtig im Leben, dies gibt er heute auch unumwunden zu.

Auch interessant:

Angelo Bruni ist Rentner. Er war mal Mode-Designer in Florenz und hat unter anderem ein bekanntes Jeans-Label mit aufgebaut. Nicht ohne Erfolg, wie es scheint, sonst würde Bruni heute kaum in der Edelschmiede Vismara Marine ein- und ausgehen. Es muss kein Hehl daraus gemacht werden, dass sich auf der Werft in Viareggio vorwiegend eine gut betuchte Klientel die Klinke in die Hand gibt. Kunden bei Vismara wollen etwas Besonderes haben und sind bereit, dafür auch ein entsprechendes Budget lockerzumachen.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

1984 wurde die Werft von Alessandro Vismara gegründet. Der studierte Naval Architect machte sich schnell mit einer Reihe von erfolgreichen Viertel- und Dreiviertel- Tonnern einen Namen. Gleichzeitig wurde Vismara Händler und Service-Partner für die Finnen von Baltic Yachts im Mittelmeerraum. In den Folgejahren entwickelte sich nicht nur das Auftragsvolumen der Werft, sondern auch die Größe der dort gebauten Yachten. Zum Ende des 20. Jahrhunderts krönte Alessandro Vismara sein Portfolio mit der Realisierung des 120-Fuß-Schoners „Antonisa“. Bis 2016 hat die Werft knapp 100 Schiffe gebaut. Sie alle weisen eine Gemeinsamkeit auf: Sie entstanden als Einzelbauten auf entsprechenden Kundenwunsch, sind also reine Custom-Projekte.

Trotz Serienbau: Der Eigner bleibt bei Vismara König – er bestimmt

Wie für viele Werften – nicht nur in Italien – waren die Jahre in der Krise auch für Vismara Marine schwierig. Deshalb sei eine Strategie-Anpassung unabdingbar gewesen, sagt Produktmanager Michele Antonini. Unter der Bezeichnung „Prêt-à-porter“ ziehen die Italiener deshalb zusätzlich jetzt erstmals auch ein kleines Programm von seriell gebauten Yachten aufziehen.

„Prêt-à-porter“ bei Vismara bedeutet in der nautischen Umgangssprache nichts anderes als „Semi-Custom“. Das heißt: Der Kunde entscheidet sich für ein Grund­modell, hat dann aber mehr oder weniger freie Hand bei Fragen der Ausgestaltung (Farben, Formen, Hölzer, Stoffe) und stimmt im Rahmen der Möglichkeiten das Boot auf seine persönlichen Ansprüche ab, innen wie außen. So kann er das Layout an Deck selbst definieren oder den Segelplan festlegen.

Auch bezüglich der Ausstattung an Deck hat der Eigner das letzte Wort und wählt genauso wie für das Arrangement unter Deck. Diese Form der Selbstbestimmung wird von dem italienischen Betrieb mit passenden Ausstattungspaketen unterstützt. Schließlich will die Werft den Käufer auch entlasten und ihm Hilfe bei der Entscheidungsfindung anbieten.

Weiter mit der „Dragon“, dem Proto­typen der V50-Serie, und Eigner Angelo Bruni, dem Prototypen des typischen „Prêt-à-porter“-Kunden. Wie viele Male er während der Bauzeit auf der Werft gewesen sei, kann er rückblickend gar nicht mehr genau beziffern. „Sehr, sehr oft“, sagt er nur. Er ist mit ganz klaren Vorstellungen zu Vismara gekommen: Sein Schiff sollte möglichst einfach und unkompliziert zu segeln sein, zudem bedingungslos einhandtauglich. Bruni mag es, allein unterwegs zu sein, er will aber trotzdem auf eine gewisse Größe nicht verzichten. Und er möchte an Bord nicht schuften müssen. In seinen Augen ist Segeln Erholung, kein Sport.

Bruni will mit seiner „Dragon“ nur cruisen, nicht racen

Deswegen ist der Segelplan der „Dragon“ denkbar einfach gehalten. Kurze Genua auf einer Rollanlage, dazu ein konven­tionelles, dreieckiges Großsegel ohne Überrundung, das bequem in den Großbaum eingerollt werden kann. Der Mast ist aus Aluminium und auch nicht besonders hoch. Obwohl das Schiff mit einem segelfertigen Gewicht von 13,3 Tonnen relativ leicht gebaut ist, bleibt die Segeltragezahl mit einem Wert von 4,7 im relativ gemäßigten Bereich; Bruni will mit seiner „Dragon“ nur cruisen, nicht racen. Für Eigner, die der Sportlichkeit und dem Leistungsvermögen mehr Aufmerksamkeit schenken, ließe sich die V50 natürlich auch aufrüsten, zum Beispiel mit einem höheren Kohlefasermast.

Ein überaus reizvoller Gedanke, denn am Wind beweist das Schiff selbst in Brunis relativ schwachbrüstiger Version ein doch erhebliches Potenzial. Bei nur sehr leichtem Wind um 6 Knoten läuft die Vismara V50 schon 5,5 Knoten auf einem Winkel von 40 Grad zum Wind – das ist fast so schnell, wie es weht.

Auf dem Weg zurück wird es auf der „Dragon“ aber bald langweilig, zumindest bei Leichtwind wie im Test – dem Boot fehlen die zusätzlichen Leistungs-PS von einem Gennaker oder einem Code Zero. Eigner Bruni wirft dann üblicherweise die Maschinen an. Richtig gelesen: die Maschinen! Auf der V50 sind nämlich gleich zwei Dieselmotoren seitlich unter den Cockpitduchten eingebaut, von Volvo Penta mit jeweils 40 PS.

Abgesehen davon, dass zwei Aggregate den Kaufpreis in die Höhe treiben, bieten sie mancherlei Vorteile. So kann der Eigner im Hafen sein Boot auch ohne Bug- oder Heck­strahlruder auf dem Teller drehen, so wie bei einem Katamaran mit zwei Maschinen. Das Anlegemanöver wird für den Solosegler derart zum Kinderspiel. Bei langen Strecken unter Maschine sorgen zwei Antriebe zudem für mehr Stabilität oder werden eben­falls wie auf einem Kat abwechselnd genutzt. Das Schiff soll in der Welle weniger rollen und einen besseren Geradeauslauf haben. Nicht zuletzt verbrauchen zwei Maschinen bei zügiger Marschfahrt von rund 8 Knoten zusammen weniger Treibstoff als ein größerer und stärkerer Motor für dieselbe Leistung. Das jedenfalls behaupten Vismaras Ingenieure.

Nachmessen ließ sich dies im Test nicht, dafür probehalber auch mal mit Vollgas fahren. 10,5 Knoten beträgt dabei die Höchst­geschwindigkeit über Grund – das ist beachtlich.

Wohnen und segeln auf einer Ebene wie beim Katamaran

Das Konzept der V50 ist mit dem einer herkömmlichen Yacht in derselben Größe nicht wirklich vergleichbar. Im Seitenriss zeigt sich eine klare Zweiteilung, und zwar über die Länge, nicht über die Höhe wie sonst üblich. Trennendes Element ist hier das Kajütschott. Davor wird gewohnt, dahinter nur gearbeitet und gesegelt. Beneteau hatte mit der außergewöhnlichen Sense-Linie ein ganz ähnliches Konzept verwirklicht, ebenso Moody Boats mit ihrem DS-Programm. Die Idee ist eine strikte räumliche Separierung zwischen Interieur vorn und Technik achtern. So sind auch bei der V50 von Vismara alle lärm- und wärmeproduzierenden technischen Installationen achtern eingebaut, zum Beispiel die Maschinen, der Generator, die Heizung, der Warmwasserboiler sowie natürlich die elektrischen Antriebe für die Winschen an Deck. Die Trennung sorgt für angenehme Ruhe in den Kabinen, auch unter Maschine.

Mangels Wohnraum im hinteren Schiffsbereich kann das Cockpit maximal tief liegen. Hier sitzt man gut geschützt, aber immer noch draußen. Dazu liegen das Cockpit und der Salon auf einer durchgehenden Ebene, wie beim modernen Katamaran. Einen Niedergang im klassischen Sinn gibt es nicht, dafür vielmehr eine große Tür, welche geöffnet die beiden Bereiche innen und außen verbindet. Noch mehr Anleihen an den Katamaran liefert das große und feste Biminidach, welche das Cockpit ein Stück weit überspannt und nicht nur vor Regen und Wind, sondern auch gegen die im Mittelmeerraum besonders starke Sonneneinstrahlung schützt.

Das Deck der Vismara V50 bleibt schier, alle Leinen sind unter Deck geführt

An Deck fällt auf, dass nirgends Leinen herumliegen, außer direkt an den beiden großen Winschen auf dem Achterdeck. Alle Fallen, Schoten und Trimmleinen sind im Verborgenen dorthin zurückgeführt, irgendwo versteckt in Kanälen. Selbst die Schoten der Genua auf dem Vordeck verschwinden sofort im Deck. Verstellbare Holepunkte gibt es keine, sondern nur feste Umlenkblöcke.

Eigner Bruni hat sich für ein Inte­rieur in schlichtem Weiß entschieden. Die Möbel sind beschichtet, die Oberflächen glänzend. Für farbliche Abwechslung sorgen lediglich ein paar wenige Kissen und die Bettbezüge der Kojen. Die Atmosphäre im Salon unter Deck hat den kühlen Charme einer Arztpraxis. Richtig glücklich werden damit nur Puristen. Wer es dagegen gemütlicher mag, für den kann Vismara mehr sichtbares Holz verbauen und mit den Farben spielen.

Spannend ist das Layout für den Innenausbau. Ähnlich wie beim Sense-Konzept von Beneteau führt ein offener, zentraler Gang bis ins Vorschiff. Links und rechts davon geht es in die Mittelkabinen oder zur Nasszelle, je nach Ausbauvarianten als Zwei- oder Dreikabiner. Zusätzliche Varianz ist im Vorschiff gegeben, wo man zwischen zwei getrennten Kojen oder einem großen Inselbett wählen kann. Wer sich für eine V50 in­teressiert, kann sich auch über den Online- Konfigurator im Internet sein Traumschiff selbst zusammenstellen.

Bisher wurden bei Vismara alle Einzelbauten positiv über Mallen gefertigt. Mit dem jetzt entwickelten Prêt-à-porter-Programm und einer möglichen Serienfertigung hat die Werft mit der V50 nun erstmals überhaupt ein Boot in einer Negativform gebaut, und zwar im Vakuum-Infusionsverfahren mit E-Glass und Vinylesterharzen. Dazu werden an hochbelasteten Stellen wie zum Beispiel im Kielbereich oder an den Wantenpüttingen Kohlefaserverstärkungen in den Rumpf einlaminiert.

Die V50 präsentiert sich als eine spannende, attraktive Mischung von gehobenem Day­sailer und mediterranem Gran Turismo mit vielen funktionalen Anleihen aus dem Katamaran-Konzept. Das könnte für viele interessant sein.

Technische Daten der Vismara V 50 “Dragon”

Riss der Vismara V 50 | Grafiken: Vismara MarineRiss der Vismara V 50 | Grafiken: Vismara Marine
  • Design: Vismara
  • Rumpflänge: 15,50 m
  • Wasserlinienlänge: 13,60 m
  • Breite: 4,30 m
  • Tiefgang: 2,50 m
  • Gewicht: 13,3 t
  • Segelfläche am Wind: 130,0 m2

Rumpf- und Decks­bauweise

GFK-Sandwichkonstruktion (E-Glass/Schaumkern). Gebaut im Vakuum-Infusionsverfahren

Der Artikel erschien erstmals in YACHT 16/2016 und wurde für die Online-Version aktualisiert.

Meistgelesen in der Rubrik Yachten