Dass Karl Dehler segeln kann, weiß man spätestens, seit er mit der DB 2 „Positron“ Serienweltmeister der IOR- Dreivierteltonner wurde. Ein weiteres Meisterstück legt er dann im Jahr 1993 ab: Mit der Dehler 35 CWS „Sporthotel“ gewinnt er die Kieler Woche. Natürlich ist das zuerst einmal aus seglerischer Sicht eine gute Sache. Dass jedoch Siege auf der Regattabahn einer Marke nicht unbedingt schaden und für mehr Umsatz sorgen, wusste man auch im Sauerland.
Dehler ist seinerzeit auf dem Weg, deutlich sportlicher zu werden. Dabei bleiben die Schiffe jedoch wohnlich und vor allem innovativ. So auch die 35. Sie verfügt über je eine Winsch auf dem Cockpitsüll, zu der fast alle Leinen, die beim Segeln benötigt werden, geführt sind. Dank Hebelklemmen bedient eine Winsch so viele Leinen.
Das ist eine Weiterentwicklung des Central Winch System (CWS), das Dehler schon Jahre zuvor einführte. Dabei muss jedoch eine einzige Winde in der Mitte des Cockpits alle Aufgaben erledigen, was durch mehr Umlenkungen auch mehr Reibung erzeugt, wodurch die Winsch nur elektrifiziert einfach bedienbar war. „Die Lösung unter Deck auf zwei Winschen auf dem Süll geführter Leinen funktionierte so gut, dass wir das später dann auch bei Hanse umgesetzt haben“, berichtet ebendieser Karl Dehler, der bis zu seinem Ruhestand bei Hanseyachts tätig war.
Ebenso innovativ ist das gekröpfte Steuerrad. Es ist um die Steuersäule herum gebaut. So ist die Steuersäule groß genug, um eine ganze Reihe von Instrumenten aufzunehmen, auch den Schalthebel für den Diesel. Der kann bequem bedient werden, ohne dass man durch das Rad greifen muss.
Noch so ein Innovationsversuch war eine Leiter, die den Zugang zur Vorschiffskabine durch die Decksluke ermöglichte. Zusammen mit einem kleinen Tisch sollte dort ein separater Wohnbereich entstehen. Die Käufer fanden das offenbar nicht so gelungen: Bei einer Modellpflege von der 35 CWS zur 35 Cruising entfiel dieses Detail.
Ebenso wurden dabei zuvor größtenteils weiße Oberflächen vollends gegen solche aus Mahagoni ersetzt. Das lässt das Interieur weniger kühl und durchaus wohnlich erscheinen. Helle Polster helfen, dem dunklen Holz die Wucht zu nehmen. Auch nicht überlebt haben die Rumpffenster den Modellwechsel; sie wurden durch eine weitere Luke im Aufbau ersetzt. Die kleinen Fenster werteten im Besonderen die Vorschiffskoje auf: Man konnte von dort hinaus aufs Wasser schauen. Angesprochen auf einen Vorfall in diesem Sommer vor der belgischen Küste, bei dem ein solches Fenster herausfiel, was für einen heftigen Wassereinbruch sorgte, weist Dehler auf die seinerzeit noch nicht sonderlich UV-beständigen Kleber hin. Käufer müssen die Fugen rund um die Fenster genau in Augenschein nehmen. Zeigen sich dort Risse, sollten die Scheiben ausgebaut und neu eingeklebt werden.
Wie bei fast allen Gebrauchtbooten bilden auch auf der Dehler die Ruderlager typische Schwachstellen. Der Austausch ist nicht schwierig, wenn das Blatt entfernt wurde –das ist für das untere Lager erforderlich –, und auch Ersatzteile sind noch verfügbar. Wer kann, kauft eine Baunummer größer als 254. Denn dort wurden selbstausrichtende Lager anstelle der zuvor verwendeten Gleitlager verbaut. Das ist ein deutlicher Vorteil, auch beim Thema Steuergefühl.
Dass die Dehler fix ist, wurde durch den Kieler-Woche-Sieg deutlich. Und auch beim Test legt sie sich mächtig ins Zeug. Ein Yardstickwert von 96 zeugt dann auch von einem recht sportlichen Schiff. Die Winner 10.10, die bei unserem Test als Kameraboot agierte, konnte bei frischen fünf Windstärken auf dem IJsselmeer gerade mithalten. Sie hat eine kürzere Wasserlinie, dafür aber mehr Tiefgang, denn das Testschiff war mit dem kurzen Kiel ausgestattet.
Auffallend dabei war, wie leicht sich die Leistung abrufen ließ. Der Eigner fuhr das Schiff allein und saß zumeist ganz entspannt auf der Ruderbank mit einer Hand am Rad. Die zwei elektrischen Winschen (Extra), die beide von jeder Seite aus bedienbar sind, sorgen für sehr komfortables Trimmen und damit für hohe Geschwindigkeit. Dabei strahlt die Dehler auch in Drückern ganz viel Gelassenheit aus – keine Sonnenschüsse, kein unerwartetes Aus-dem-Ruder-Laufen. Da möchte man gern gleich weite Strecken absolvieren.
Hierbei helfen natürlich die diversen Trimmeinrichtungen, mit denen sich das mächtige Groß, auch dank des flexiblen 7/8-Riggs, gut im Zaum halten lässt. Beim Test ist es dennoch Zeit fürs erste Reff. Damit sinkt der Druck, der jedoch generell nicht sehr üppig ausfällt; das Ganze bei einer netten, knackigen Direktheit am Rad und am Allerwertesten – das können moderne Boote oftmals auch nicht besser. Die Kollegen, die das Schiff 1993 testeten, bescheinigtem dem Rumpf ein „angenehmes Seeverhalten, weil das Vorschiff nicht zu flach ist“ – ein Sachverhalt, der auf dem am Testtag aufgewühlten IJsselmeer durchaus geschätzt und mithin bestätigt wird. Die Dehler 35 Cruising ist also ein rundum gutes Segelboot.
Das Testboot in Vollholz ist durchaus gemütlich unter Deck, wenn man es schiffig mag. Stehhöhen von 1,85 Meter sind nicht besonders üppig. Das sind dafür die Kojen mit 1,90 Meter Länge, gemessen bei 30 Zentimeter Breite an den Füßen, mal 1,60 Meter auf Schulterhöhe vorn, sowie 2,08 mal 1,65 Metern achtern. Da schläft es sich entspannt. Ansonsten ist die Aufteilung klassisch: WC-Raum Steuerbord achtern, sogar mit Ölzeugschrank, davor eine Navi quer zur Fahrtrichtung. Große L-Pantry an Backbord, Salon und Vorschiff. Überall sind viele dank intelligenter Klappen gut nutzbare Stauräume untergebracht. Das passt.
Dehler und Van de Stadt bauten und konstruierten aufwändig. Rumpf und Deck werden stoßend aufeinander gesetzt, innen überlaminiert und außen mit einer Scheuerleiste kaschiert. Das ist stabil und dicht, bedeutet aber, dass alle Möbel erst eingebaut werden konnten, nachdem das Deck aufgesetzt war – was viele Mannstunden kostete.
Das war zwar gut für die Eigner, aber schlecht für die Werft, die an den Schiffen kaum etwas verdiente. So ging Dehler 1998 in die Insolvenz. Der Ausgang ist bekannt. Gute Schiffe bauten sie dennoch. Eines davon ist die 35 CWS oder Cruising. Sie sind ideal für ältere Paare, die gediegen reisen wollen, gern auch mit den Enkelkindern an Bord, oder zum Regattieren im Club.
Der Kenner sucht die größere Maschine. Ob Rumpffenster oder welcher Ausbau, ist letztlich Geschmackssache. Ist noch etwas Budget übrig, lohnt ein Blick auf die Kielfuge sowie die Rumpffenster.
Zuerst hieß die 35 „CWS“. Sie hatte eine Leiter im Vorschiff, schmale Fenster im Rumpf und ein weißes Interieur, das mit Mahagonileisten abgesetzt ist. Die Cruising hat einen kompletten Ausbau in Mahagoni, zwei Winschen auf dem Süll und keine Rumpffenster, dafür eine weitere Luke im Aufbau
Rumpf Polyester-Massivlaminat, Handauflegeverfahren, über der Wasserlinie und im Deck Balsasandwich, massiv an belasteten Stellen
Sportlich und wohnlich, beides vereint die Dehler. Unter Deck zeigt sie genügend Raum, an Deck spannende Lösungen wie das Central Winch System und den Steuerstand samt Rad. Dabei solide gebaut. Ein Schiff für etwas ambitioniertere Tourensegler
Der Artikel erschien erstmals in YACHT 24/2020 und wurde für die Online-Version aktualisiert.