Als Helmut Kohl 1982 Kanzler wird, betont er das Leistungsprinzip, dieses müsse sich wieder lohnen. Willi Dehler hört ihm offenbar zu und baut die 34 ST – die Familienversion des erfolgreichen IOR-Renners DB1. Doch außer der Bereitschaft, Leistung zu liefern und den ausladenden Maßen um die Körpermitte herum haben die Dehler und Kohl wenig gemeinsam. Denn während der Kanzler sein Postulat eher ökonomisch meint, ist die Dehler ausnehmend sportlich.
Die Sauerländerin, wenngleich familienfreundlich, kommt mit satten 47 Prozent Ballast, nur 3,8 Tonnen Gesamtgewicht und einer flautentauglichen Segeltragezahl von 5,14 mit der großen Genua auf den Markt. Zum Vergleich: Eine aktuelle Dehler 32 RS, ein moderner Performance-Cruiser, bringt es gerade mal auf 4,76.
Insgesamt geht das Konzept der Van-de-Stadt-Konstruktion auf: Die rumpfseitig baugleiche DB1 gewinnt Silber in Serie, und eine modifizierte Version, die DB2, entscheidet gar die IOR-Weltmeisterschaft 1984 in Kiel für sich. Nur lassen sich solche heißen Sportgeräte schlecht in großer Stückzahl verkaufen – zu speziell, zu viel Trimmaufwand mit doppelten Backstagen, Barberholern, flexiblem Rigg. Zudem ist immer eine mehrköpfige Crew erforderlich, die Gewicht auf die Kante bringt.
Also hat sich Marketingfuchs Willi Dehler entschieden, eine zahmere Fahrtenversion zu entwickeln. 200 Kilogramm mehr Ballast im Kiel ersetzen die Crew auf der Kante, das Rigg ohne Backstagen sichert die Bedienbarkeit auch mit kleiner Mannschaft, und unter Deck raubt ein vollwertiger Ausbau der Bordfrau die Argumente gegen den Kauf. So ist es in den Achtzigern. Natürlich bleiben weiterhin allerlei Trimm-Gizmos für den ehrgeizigen Skipper erhalten.
Ein ordentlicher Verkaufserfolg will sich jedoch nicht einstellen. Nur 42 Stück werden von der 34 ST gebaut, einige von ihnen, wie das Testschiff, mit dem etwas höheren Bodenseerigg. Der Grund liegt auf der Hand: Die Dehler ist schlicht zu teuer - 122.000 D-Mark verlangt die Werft. Zu viel, denn das können die Franzosen günstiger. So gibt es eine First 305, die dem Konzept nach sehr ähnlich ist, schon für rund 90.000 D-Mark.
Dehler wäre aber nicht Dehler, hätte er nicht unverzüglich die passenden Ideen parat: das teure Kevlar raus aus dem handaufgelegten, massiv laminierten Rumpf, den Mast an Deck stellen und die ganze Kalkulation auf große Stückzahlen basieren. „Die Rechnung ging auf. Zur Hanseboot 1984 präsentierten wir die Optima 101 für 79.000 D-Mark. Das schlug ein wie eine Bombe“, erinnert sich Wolfgang Nießing von der Marina Großenbrode, damals Händler.
Später wird dann noch die Optima 106 angeboten. Sie hat einen überstehenden Bugkorb, was für 50 Zentimeter mehr Gesamtlänge sorgt. Der Rumpf ist immer noch der alte. An Deck hält eine Selbstwendefock Einzug, im Cockpit eine Radsteuerung, und die Nasszelle wird nach achtern verlegt, was dort für mehr Stehhöhe sorgt. Boote für das Ausland heißen wieder Dehler 34. „Mit der Angabe in Metern im Namen konnten die nichts anfangen“, so Nießing.
1993 dann ging die Laminierform schließlich in den Ruhestand, nach über 1300 Rümpfen in gut zehn Jahren, die für insgesamt sechs Modelle verwendet wurden. Im Automobilbau nennt man das heute wohl Plattformstrategie. „Der Vorteil der Großserie ist, dass es sich lohnt, Ersatzteile zu bevorraten. Bis heute sind die meisten Sachen noch verfügbar“, so Nießing weiter.
Die Handvoll Extra-Quadratmeter des Bodenseeriggs stehen dem Testschiff gut zu Gesicht. Rund 8 Knoten Wind, also knapp 3 Beaufort, beschert das Wetter beim Probeschlag auf der Elbe. Die setzt das Schiff auch sogleich in Fahrt um. Jeder Windhauch mehr ist direkt spürbar im Schiff, der Großschot und dem Ruder. Etwas mehr als 4 Knoten sind so drin ganz hoch am Wind bei 80 Grad Wendewinkel.
Leicht geschrickt, sind es gute 5 Seemeilen pro Stunde. Wenden und Halsen gehen dabei zügig von der Hand. Das Ruder ist dank moderner, nachgerüsteter Lager leichtgängig. Die originalen Nylonbuchsen erzeugen nach einigen Jahren im Einsatz Spiel und Reibung auf dem Ruderschaft aus Aluminium. Der Austausch auf neue, selbstausrichtende Lager ist jedoch recht unkompliziert zu bewerkstelligen.
Auch die Beschläge sind größtenteils da, wo sie sein sollen. Allerdings stört die Großschot auf tieferen Kursen den Vorschoter bei seiner Arbeit an der Genuawinsch, was keine große Sache ist. Gravierender ist da schon der doch arg kurze Traveller. Da die Dehler reichlich betucht ist, muss frühzeitig gerefft werden. Dieser Zeitpunkt ließe sich jedoch mit einem weit nach Lee zu öffnenden Großschotholepunkt noch etwas hinausschieben. Wirklich dramatisch ist das jedoch auch nicht: Eine kräftige Achterstagstalje und der solide Baumniederholer springen für den zu kurzen Traveller beim Druckablassen aus dem Groß in die Bresche.
Von Druck kann am Testtag allerdings leider nicht die Rede sein, denn schließlich schläft der Wind ein, und die Strömung der Elbe gewinnt die Oberhand. Unter Motor geht es retour an den Steg. Egal, denn dass sie auch bei diesen schwachwindigen Bedingungen durchaus Segelspaß vermittelt, hat sie unter Beweis gestellt. Und dass sie generell schnell unterwegs ist, belegen Wettfahrtergebnisse bis heute.
Die schon unter Segeln konstatierte Agilität zeigt sich, durchaus erwartbar, auch mit der Maschine; Drehkreise von lediglich einer Schiffslänge helfen in engen Häfen. Die Erklärung dafür: Durch die recht lange Wellenanlage kann der Propeller seine Arbeit direkt vor dem Ruder verrichten, das so optimal angeströmt wird. Und die Anlage hat keine künstliche Begrenzung für den Ausschlag des Blattes, das hilft ebenfalls.
Ebenso durchdacht wie die Anordnung von Ruder und Propeller ist das ganze Deckslayout. Die Fallen verschwinden gleich hinter dem Mastfuß in Kanälen, die neben dem Niedergang vor Hebelklemmen enden. Heutzutage normal, war das Anfang der Achtziger nicht selbstverständlich. Die Genuaschiene kann durch innenstehende Wanten nah am Kajütaufbau vorbei geführt werden. Das sorgt für enge Schotung und ermöglicht kleine Wendewinkel.
Auf dem Kajütdach fallen die Schienen für das Schiebeluk auf, die nach vorn fast bis an den Mast aus der Garage herausragen. Zwischen ihnen befindet sich eine Lewmarluke. Seinerzeit wurde das Schiff mit einem festen Plexiglasdach ausgeliefert, das war auf den Schienen befestigt. Im YACHT-Test von 1985 leckte es allerdings. Wahrscheinlich war das auch auf dem Testschiff der Fall, was zum Austausch führte.
Im nach achtern offenen Cockpit fehlt bei dem Probanden die Klappe über der Badeplattform. Sie schließt im Originalzustand das Heck und war der Vorläufer der heute schwer in Mode geratenen absenkbaren Plattformen. Auf der Klappe kann außen eine Rettungsinsel im Container befestigt werden, eine typische Dehler-Idee.
Dass sie aus der Regattawelt stammt, beweist die Dehler bei der Gestaltung der Sitzposition für den Steuermann. Das abgeflachte Süll bietet besten Halt und ist geradezu bequem. In Verbindung mit dem Pinnenausleger und der guten Erreichbarkeit der Großschot und des Achterstagspanners lässt es sich so auch über längere Strecken ermüdungsarm steuern.
Ebenfalls regattatauglich war der TBS-Belag auf dem Sandwichdeck. Sein Kleber verliert jedoch im Laufe der Jahre die Haftung, ein Austausch steht dann an. Auf dem Testschiff ist dies durch Teakfurnierplatten gelöst. Alternativ wäre die Erneuerung des schon vorhandenen Belags oder eine Lackierung möglich.
Echtes Raumgefühl will sich nicht einstellen in der schiffig-düsteren Kajüte, dafür ist die Stehhöhe zu gering. Gut 1,80 Meter sind es im Salon, ein Resultat von flachem Aufbau und wenig Unterwasserschiff. Allerdings ermöglicht die enorme Breite in der Schiffsmitte einen üppigen Salontisch, der abgesenkt zusammen mit der Backbordducht ein Bett für zwei bietet.
Vor dem Salon schließt sich ein WC-Raum an. Hier fehlt es an Stehhöhe und an Privatsphäre. Denn zur Vorschiffskoje ist der Nassbereich nur durch eine halbhohe Tür separiert, die bündig mit dem Kopfende des Bettes abschließt. Die wird man allerdings kaum schließen wollen, denn dann liegt die Crew vorn wie in einer Wabe ohne Licht und Belüftung. Nicht geeignet für klaustrophobisch veranlagte Menschen.
Gleiches gilt für den Einstieg in die Achterkoje. Sie ist zum Salon hin offen, wer hinein möchte, muss sich über den Hocker am Navitisch vorbeizwängen. Dann allerdings wartet eine Schlafstatt mit ausreichend Platz und Höhe.
Die Pantry verfügt über Doppelspüle, Eisbox, die auf den meisten Booten inzwischen mit einer aktiven Kühlung versehen wurde, und Kocher mit Ofen. Stauräume und Schapps gibt es viele, allerdings fehlt es an Arbeitsfläche. Da sich allerdings der wirklich große Salontisch in Greifweite befindet, ist das verschmerzbar.
Die Ausbauqualität im Inneren ist in Ordnung. Die Furniere scheinen ausreichend dick zu sein. Auch nach 30 Jahren im Familien- und Regattaeinsatz zeigen sich keine durchgenutzten Stellen. Beim Segeln knarzt nichts, was erstaunlich ist. Das liegt an einer Besonderheit der Fertigung bei Dehler: Obwohl in großen Stückzahlen produziert wurde, hat man immer zunächst Rumpf und Deck umlaufend auch von innen miteinander verklebt und überlaminiert und erst dann, Stück für Stück, die Möbel eingesetzt. Das sorgt für Extra-Stabilität.
Die Decke wurde in Form einer hellen GFK-Innenschale ausgeführt, Schrauben für Beschläge ragen in den Wohnraum. Das sieht nicht schön aus, ist jedoch enorm praktisch, wenn mal ein Teil im Laufe der Jahre leckt oder ausgetauscht werden muss. Die Schrauben sind ohne aufwändige Demontage von Innenverkleidungen schnell erreichbar, das ist erfreulich.
Egal ob Familienurlaub, langes Wochenende mit Freunden, harte Regatta oder einfach nur entspanntes Daysailing: Die Dehler macht alles mit. Sie lässt sich ordentlich bewohnen, aber auch ambitioniert um die Tonnen jagen. Dabei machen die vielen Trimmeinrichtungen Spaß, wenn man gern an Leinen und Streckern zupft.
Das Testschiff zeigte auch bei Details, wie etwa dem Gelcoat, keine Schwächen, was allerdings auch an guter Pflege durch den Eigner liegt.
Haarrisse oder Auskreidung? Fehlanzeige. Wer ein gut verarbeitetes und gepflegtes Exemplar erwischt, kann ruhig 30.000 Euro ausgeben. Bei Interesse für eine Optima sollte ein Auge auf mögliche Osmose geworfen werden. Ansonsten gilt: Einsteigen, Spaß haben und austauschen, was eben nach 30 Jahren so nach und nach den Geist aufgibt.
Die erste deutsche Großserienwerft blickt auf eine bewegte Geschichte. Nach diversen Pleiten und Eigentümerwechseln gehört sie seit 2009 zur Hansegroup.
Die 34 ST, für Steckmast, ist die entschärfte Version der IOR-Renner DB1 und DB2. Sie kommt ohne Backstagen. Die Optima 101 folgt mit an Deck stehendem Mast und ohne Kevlar im Rumpf. Sie ist deutlich günstiger als die 34 ST. Mit längerem Bugkorb und der Nasszelle achtern heißt das Schiff Optima 106. Für das Ausland nennt die Werft das Schiff wieder Dehler 34. Sie hat eine Selbstwendefock und ein Rad. Gebaut wurde der Rumpf von 1982 bis 1993 insgesamt etwa 1300-mal.
Je nach Alter und Zustand liegen die Preise zwischen 19.000 und 35.000 Euro.
Stand 09/2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
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Dehler Yachtbau GmbH, Meschede-Freienohl, www.dehler.com
Solide gebautes Schiff mit sportlichen Genen und entsprechend vielen Trimmeinrichtungen. Ideal für aktive Segler, die gelegentlich an Regatten teilnehmen. Der Ausbau ist voll urlaubstauglich
Der Artikel erschien zum ersten Mal in YACHT-Ausgabe 13/2012 und wurde für diese Onlineversion überarbeitet.