Fridtjof Gunkel
· 28.05.2024
Kleine Deckshausyachten mögen empfindsamen Betrachtern als etwas knubbelig erscheinen, zu hoch im Aufbau, schwer, klobig gar. Aber dann greift immerhin der auf bootstechnische Belange übertragene Hochhauseffekt: von außen nicht so hübsch, aber wenn man drin und oben ist, freut man sich über die formidable Aussicht.
Deckshausyachten, jene am Markt recht seltene, weil teure und kojenknappe Spezies, bieten im konsequenten Fall nicht nur einen großen Aufbau für viel Licht im Boot, sondern auch eine erhöhte Sofagruppe, die den Rundumblick im Sitzen ermöglicht und vielleicht sogar einen Innensteuerstand, an dem sich das Boot mit Rad oder Autopilot bei Schlechtwetter dirigieren lässt.
Der Bootstyp richtet sich an kleine Crews, typischerweise Paare, die auf lange Fahrt gehen, die Saison verlängern oder beides möchten. Aber im Vergleich zum entsprechenden Boot konventioneller Aufteilung sind weniger Kammern und Kojen machbar. Deckssalonyachten mit erhöhter Sitzgruppe sind somit recht selten, wobei es in der Vergangenheit recht interessanten Zuwachs durch Typen von Moody gibt, die zur Hansegroup gehören.
Unelegant, hoch, wenige Kojen? Das war gestern. Die Deckssalon-Experten von Nordship, die bislang eine konventionelle Linie in den Größen 36, 38, 40 und 43 herausbringen, starteten eine neue Produktreihe. Und dies recht ambitioniert. Die Inhaber-geführte kleine Werft in Lunderskov bei Kolding auf Jütland, zu der auch Faurby Yachts gehört, hat kundengetrieben gleich geklotzt. Den Anfang macht eine 570, eine 500 ist im Bau, kleinere Einheiten sollen folgen.
Das Flaggschiff ist ein erneuter Beweis dafür, dass es leichter fällt, große Yachten hübsch zu gestalten als kleine. Der Aufbau konzentriert sich auf ein Bauteil hinter dem Mast, der Rest des Decks ist eben. Mit elliptischen dunklen Fenstern, welche die Dachsäulen kaschieren, wirkt das Deckshaus wie aus einem Guss, kommt geradezu elegant daher. Die Scheiben bestehen aus zweischichtigem Verbundglas, das sehr fest ist und isoliert. Der Einsatz des Materials und die Umsetzung ist sanktioniert nach der Norm ISO 12216. Der Rumpf selbst weist moderne Linien mit recht steilen Abschlüssen, festem Bugspriet und breitem geschlossenem Heck auf. Der tiefe Kiel in zwei Varianten besteht aus einer Edelstahlfinne mit einem Bleitorpedo, die Maßnahme für einen niedrigen Gewichtsschwerpunkt.
In der Nordship 570 DS vereinen sich Stil, Komfort und Performance, wie sich beim Test im Kleinen Belt zeigt. Ungewohnt ist zunächst das Cockpit: Der Boden liegt inklusive der Steuerstände auf Decksniveau. Der Bereich ist dreigeteilt: Gästecockpit mit Durchgang zu den Rädern, wo auch die Winschen bedient werden, dahinter wiederum ist noch reichlich Platz an Deck – also quasi ein hochgelegenes, nach achtern offenes Mittelcockpit. Der Rudergänger steht mit guter Übersicht und schnellem Zugriff auf die hübsch großen Edelstahlwinschen des dänischen Herstellers Andersen im generösen Format 62 und 52, elektrifiziert und per Knopfdruck von den Rad-Paneelen aus zumindest dichtholbar.
Das ist genauso komfortabel wie das Setzen und Bergen, sprich das Ein- und Ausrollen der Tücher, das ebenfalls elektrisch geschieht. Neben dem Komfort ist die schiere Leistungsfähigkeit unter Segeln eine große Stärke des Bootes. Die Nordship segelt sehr hoch, mit einem Wendewinkel unter 90 Grad und gutem Speed an der Kreuz. Einfallende Böen setzt sie gut um, der Ruderdruck an den beiden per Ketten und Kardanwellen angelenkten Blättern hält sich in den gewünschten Grenzen, das Boot erweist sich als steif und stets kontrollierbar, auch im Grenzbereich zur Segelverkleinerung. Die Nordship 570 DS wendet zügig und kommt schnell wieder auf Zielgeschwindigkeit, die obendrein recht einfach abrufbar ist. Schön: Es macht Spaß, die große Nordship zu steuern, das ist bei einem Boot dieser Größe keine Selbstverständlichkeit.
Die Sicht von den Rädern aus nach vorn ist gut, der Stand sicher. Zum Sitzen sind die Sülls mit einer Höhe von 33 Zentimetern jedoch etwas zu flach geraten, das ist unergonomisch. Hier sollen Polster Abhilfe schaffen. Nicht hübsch, aber bequem, sinnvoll und somit denkbar wären gar drehbare Schalensitze, wie man sie von den Outremer-Katamaranen kennt. „Kein Problem. Wir setzen um, was der Kunde will. Das hier hat mit Serienbau kaum noch etwas zu tun“, beschreibt Nordship-Mitinhaber und Co-Geschäftsführer Thomas Dan Hougaard das Wesen der neuen Custom-Linie.
Die als German Cupper System ausgeführte Großschot, beidseits achtern auf die Winschen geführt, ist vom Rad aus bei Bedarf schnell gefiert und arbeitet ohne Traveller. Die Hebelstopper des italienischen Herstellers Antal leisten bei der Arbeit mit den Fallen und Schoten hervorragende Dienste.
Gut: Die Fallen werden mit Pilotleinen durchgeholt, bis sich Augen an den Tampen an Rutschern auf Schienen am Mast haken lassen. Diese werden bei Bedarf mit kurzen Hilfsfallen an einer Mast-Winsch bedient und dann wieder mit den Rutschern fixiert. Das spart Tauwerk im Cockpit und hält die Fallen besser als Stopper. Das Achterstag wird mit einem kräftigen Hydraulikspanner des Rigglieferanten Seldén auf Zug gebracht, eine bewährte Lösung bei dieser Bootsgröße.
Gelungen: das Gästecockpit. Satte 2,50 Meter lang sind die Duchten, deren großer Abstand zueinander durch einen 1,20 Meter langen und somit veritablen Tisch parzelliert wird, der obendrein einen Kühlschrank anbietet. Nicht, dass der Gang unter Deck allzu beschwerlich fiele: Die fünfstufige Treppe ist bequem begehbar, auch im Seegang und nicht sehr steil.
Im Salon empfängt einen die deckssalontypische Rundumsicht, die Sitzgruppe auf gehobenem Niveau sowie eine riesige längsorientierte Pantry. Die ist serienmäßig bereits mit Tellern, Tassen und Gläsern für zehn Personen bestückt sowie auf Wunsch mit mehreren Kühl- und Gefrierkombinationen und dem hervorragend seetauglichen Ofenkocher mit fünf Brennern von Force 10. Obendrein: Kochen und Spülen mit freiem Blick aufs Wasser oder Hafengeschehen – herrlich. Dort im Deckshaus ließe sich obendrein ein Innensteuerstand unterbringen.
Der 170 PS starke Volvo Penta, der einen wellengeführten dreiflügeligen Faltpropeller antreibt, sitzt unter dem Salonboden, damit ist achtern Platz für eine fast fürstliche Achterkabine. An diese schließt sich ein WC-Raum mit großer separater Dusche an, deren Fußraum satte 77 mal 80 Zentimeter misst. Und daran ein auch von außen zugänglicher Werkraum mit Arbeitsfläche und Schraubstock, Platz für Werkzeug. Und daran wiederum ein bekriechbarer Technikraum unter der Sitzgruppe mit einer Türhöhe von immerhin 1,20 Metern.
Platz für Gerätschaften, ein willkommener Punkt für die lange Fahrt und ein Leben oder zumindest viele Tage an Bord. So ist denn auf dem Testboot neben einem Generator und einem Waschtrockner auch eine kontrollierte Be- und Entlüftungsanlage installiert, wie sie vermehrt im Wohnungsbau zu finden ist. Das Gerät bringt den Innenraum auf gewünschte Komfortwerte von Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Raum für Weiteres wie die Entsalzungsanlage und mehr ist ebenfalls vorhanden.
Zwischen Salon und der niedrigeren Achterkabine liegen auf deren Niveau im Durchgang die Navigationsecke sowie zwei Etagenkojen. Ein prima Platz für die Frei- oder die Standby-Wache auf langer Fahrt.
Das Vorschiff teilen sich drei Kabinen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und somit verschiedenen Vorlieben und Gästesituationen entgegenkommen. Halb unter der Sitzgruppe gibt es eine schöne Mittelkammer mit 1,70 Meter breiter Koje; warum sie nur 43 Zentimeter über dem Fußboden liegt, erklärt sich jedoch nicht. Gegenüber befindet sich eine Stockbettkammer mit klappbaren Kojen der Breite von rund 70 Zentimetern. Im Vorschiff die Kabine für die Lieblingsgäste mit viel Platz und Stauraum. Alle Mitsegler teilen sich den vorderen Nassbereich, wobei WC und Dusche in separaten Räumen untergebracht sind. Der Ausbau auf dem Testboot erfolgte im Nordship-typischen Stil mit feinem, seidenmatt lackiertem Khaya-Mahagoni in traditioneller Verarbeitung mit soliden Umleimern und blitzsauberer Arbeit auch in verborgenen Ecken. CEO Hougaard: „Hell, dunkel, anders – für die Oberflächen geht alles!“
In der Summe ihrer Eigenschaften ist die Nordship 570 DS mehr oder weniger konkurrenzlos. Keine der in dieser Größenklasse agierenden Hersteller bietet Deckssalonboote mit erhöhter Sitzgruppe an. Die Moody DS 54 kommt dem nahe, verfolgt aber wiederum ein anderes Cockpitkonzept mit tiefer liegender Wanne auf demselben Niveau wie der Deckssalon.
Kleine Serie, großes Schiff, hochwertigste Komponenten, Assistenzsysteme und Vollausstattung sowie eine Wünsch-dir-was-Gestaltung: Die Kombi ist ohne Frage die teuerste; über zwei Millionen kostet die Nordship 570 DS. Das Boot lässt sich jedoch auch ohne dieses Budget genießen. Der Eigner des Testschiffes bietet damit in Kroatien Kojencharter an (nordship-faurby-charter.de).
Handauflegeverfahren. GFK-Sandwich mit Schaumkern, Vinylesterharz. Alle Schotten an Rumpf und Deck laminiert
Stand 5/2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
Nordship Yachts, Fabriksvej 5, 6640 Lunderskov, Dänemark. Tel. 0045/75 55 91 55. www.nordship.dk
Die größte Nordship segelt und steuert sich ausgesprochen gut, bietet hohen Komfort an und unter Deck, ist sauber und individuell ausgebaut, hat Platz für Crew und Gerät. Ein Topboot auch für die weltweite Fahrt
Der Artikel erschien erstmals in YACHT 23/2021 und wurde für die Online-Version aktualisiert.