Was macht aus einer Abfolge von Noten eine Sinfonie, was aus einer Sinfonie Beethovens Neunte? Was adelt ein Piano zum Bechstein, Fazioli oder Steinway? Anders gefragt: Wie entsteht aus etwas seiner Grundform nach Bekanntem ein Stück, das sich von allem anderen abhebt? Oder noch mal anders gefragt: Wie gelingt wirklich Großes? Darum soll es hier gehen. Aber keine Bange: Wir werden uns nicht länger nur in Gleichnissen üben, auch nicht mit der hohen Kunst klassischer Musik beschäftigen. Wiewohl es schon um Harmonielehre gehen wird, um Komposition, um Wohlklang. Denn all das – und mehr – zeichnet die neue Contest 63 CS aus.
Nüchtern betrachtet ist sie zwar auch nur ein Boot, definiert durch Strukturberechnungen, Volumen und Flächenverteilung, geprägt von Linien und Layout – mehrheitlich eine Übung in angewandter Mathematik also. Doch vermittelt sie, obschon visuell zurückgenommen, eine Aura des Besonderen, die sie entschieden von anderen Yachten aus Serienfertigung unterscheidet. Ja, man kann sie regelrecht unvergleichlich nennen. Muss man wohl auch. Denn ihr Preis ragt gleichermaßen über alle Üblichkeiten hinaus. Bei 3.448.620 Euro geht es los. Es ist jedoch höchst unwahrscheinlich, dass jemals ein Boot zu diesem Kurs geordert werden wird, ohne jegliche Extras.
Wählt man etwa das leistungsoptimierte Kohlefaser Rigg mit North 3Di Membranen, mit dem der Eigner der Baunummer eins sein Schiff veredelt hat, muss man den Gegenwert einer gut ausgestatteten 36 Fuß Yacht addieren. Der ebenfalls empfehlenswerte hydraulische Code Zero Furler, der knapp 300 Quadratmeter Tuch in weniger als 20 Sekunden geräuschlos wegzaubert, kostet so viel wie ein Kleinkreuzer. Und damit sind, trotz gehobener Grundausstattung, die Individualisierungsmöglichkeiten noch nicht einmal angerissen.
Die gefühlte Unendlichkeit des Budgets hilft fraglos, die Contest zur Ausnahmeerscheinung zu machen. Doch ist Geld nicht viel mehr als eine Grundvoraussetzung. Wenn es so einfach wäre, wenn der Preis eine Garantie für Exzellenz böte, würde die 63 CS ihre ohnehin überschaubaren Mitbewerber nicht so deutlich überragen. Genau das aber tut sie. Welche Meisterschaft sie dabei erreicht, erschließt sich bei genauerem Hinsehen schon auf den Fotos oben in der Galerie. Umso mehr aber vermittelt sich ihre Klasse, wenn man sie live und in Farbe erlebt. Besucher der boot Düsseldorf können sich aktuell davon in Halle 16 selbst einen Eindruck verschaffen.
Wir hatten Ende Oktober Gelegenheit, sie auch auf See zu erleben. Bei den Tests für Europas Yacht des Jahres stand sie uns zwei Tage lang in der Bucht von Palma de Mallorca bei sehr wechselhaften Bedingungen zur Verfügung: von Flachwasser mit gerade mal 1, 2 Beaufort bis hin zu einer Gewitterfront mit Starkregen und in Böen Windstärke 6, in denen wir sogar flugs ihre Sprayhood aus der Versenkung holten. Beide Extreme überwand sie mit einer geradezu provokativen Ungerührtheit. Nun mag nicht verwundern, dass eine gut 20 Meter über alles messende Yacht locker mit 22 Knoten Wind zurechtkommt, da sie konstruktiv auch mit dem Doppelten fertigwerden muss. Beeindruckend war es dennoch.
Selbst mit dem Performance Rigg blieb sie die Ruhe selbst. Auf tieferen Kursen kann sie den Druck auch ohne Reff parieren; am Wind rollt man das Groß ein Stück weit hydraulisch in den Baum – und schon geht’s weiter mit unverändert 8,5 Knoten Fahrt und angenehm gemäßigter Lage von um die 20 Grad. Wer partout Ruder gehen will, während der Regen fast waagrecht kommt, kann die Augen auch geschlossen halten. Denn die Contest vermittelt ein derart ungefiltertes Gefühl für die Druckverhältnisse am Blatt, dass sie sich nach Instinkt steuern lässt. Das bekommen so nur ganz wenige Yachten der Luxusklasse hin.
Das noch beeindruckendere Talent beweist sie freilich am unteren Ende der Skala, bei fünf bis acht Knoten Wind, wo sich Fahrtenboote generell schwertun. Die Contest 63 CS nicht.
Wir wollen mit der 63 CS die bestmögliche Balance zwischen Leistung und Langfahrttauglichkeit bieten, die es bisher gibt.”
Zwar braucht sie nach Wenden einen Moment, bis sie wieder auf Tempo ist ; auch der Wendewinkel – bei mehr Brise deutlich unter 90 Grad – weitet sich dabei auf fast 100 Grad. Mit 5,8 bis 6,5 Knoten Fahrt lässt sie aber jeden Gedanken an den Yanmar-Diesel vergessen.
Die äußerst präzise und direkte Steuerung erfordert in solchen Leichtwindphasen ein wenig Konzentration, weil zu viele oder zu große Impulse bremsen. Andererseits lässt sich die 63 CS sauber von einem Brisenstrich zum nächsten führen. Unter Code Zero überflügelt sie dabei auf Kursen um 60 bis 70 Grad Einfallswinkel mitunter sogar die wahre Windgeschwindigkeit – eine Disziplin, für die sonst Performance-Cruiser und Regattayachten bekannt sind.
Die Contest in der von uns gesegelten Ausstattung erreicht tatsächlich sportliche Dimensionen. Schon in der Standardkonfiguration verfügt sie über eine Segeltragezahl von 4,6 und ist damit dem Leistungssegment näher als dem reinen Tourenbereich. Das lässt sich aber noch signifikant steigern.
Der Kohlefasermast misst im Vergleich zum Rollmast aus Aluminium 30,30 statt 29,00 Meter über der Wasserlinie, was 15 Quadratmeter mehr Segelfläche am Wind bringt. Zusammen mit den Textilstagen spart das Carbon-Rigg zudem mehr als 200 Kilogramm Toppgewicht ein. Deshalb und weil der T-Kiel 3,30 statt 2,90 Meter tief geht, kann der Ballast um zwei Tonnen leichter ausfallen, bei gleichbleibender Stabilität.
So optimiert springt die Segeltragezahl auf 4,9, ohne dass sich der Charakter der Contest dadurch grundlegend verändern würde. Sie ist und bleibt ein souverän antretendes Seeschiff, das seine Crew mit allen Annehmlichkeiten eines feinen Strandhotels verwöhnt. Sie kommt nur schneller ans Ziel und macht unterwegs nochmals mehr Spaß.
Arjen Conijn, der Hüter der Marke, sagt: „Als familiengeführte Werft haben wir nicht den Druck von Investoren. Wir müssen uns nicht in eine Richtung drängen lassen, in der wir uns nicht wohlfühlen.“ Alles im Entwicklungsprozess sei langfristig ausgelegt, betont der Holländer, der in dritter Generation die Geschicke des Unternehmens steuert. „Das erlaubt es uns, unsere Wurzeln zu bewahren und dennoch immer wieder neue Wege zu gehen.“
Als er vor 20 Jahren von seinem Vater Fritz die Leitung des renommierten Yachtbaubetriebs übernahm, waren Contests vor allem für ihre Stäbigkeit und ihre makellose Verarbeitung bekannt. Sie zeigten zwar auch technische Finessen: in den 80er-Jahren etwa die aus dem America’s Cup abgeleiteten Flügelkiele oder von den 90ern an das Vakuum-Injektionsverfahren bei der Herstellung der Rümpfe. Doch erst nach und nach modernisierte und dynamisierte Arjen Conijn die Modellpalette grundlegender, ohne anderweitig Kompromisse einzugehen.
Die 63 CS ist das vielleicht beste Beispiel für die Strategie, sagt er. „Sie vereint die Gemütlichkeit und Qualität eines skandinavischen Kreuzers mit dem Luxus und dem Laisser-faire einer Yacht fürs Mittelmeer.“
Diese Breitbandigkeit zählt zu den besonderen Stärken der 63 CS. Denn sie lässt sich dadurch sehr gut an die Wünsche ihrer Eigner anpassen. „Die Baunummer eins zeigt, was maximal an Performance möglich ist“, sagt der Werftchef. „Aber auch die Standardversion segelt sehr gut. Und in Kürze liefern wir eine Version für eine Weltumsegelung mit Kuttertakelung und Selbstwendefock aus.“
Die „bestmögliche Balance zwischen Leistung und Langfahrttauglichkeit“ solle sie bieten. Das hatte Arjen Conijn den Ingenieuren und Designern von Judel/Vrolijk & Co ins Lastenheft geschrieben. Wenn man so will, bildet sie die goldene Mitte zwischen einer Grand Soleil, Swan oder Solaris auf der einen und einer Oyster, Hallberg-Rassy oder Amel auf der anderen Seite. Eine durchaus ambitionierte, wenn nicht gar kühne Positionierung, weil sie Kompromisse erzwingt.
Wir haben bei der Konstruktion besonders auf Struktur und Gewichtsverteilung geachtet. Das spürt man beim Segeln.”
Die Konstrukteure aus Bremerhaven machten daraus eine Tugend. Eine Kern-Crew von drei Mitarbeitern um Chef Johan Siefer widmete dem Projekt all ihre Erfahrung und Hunderte von Mannstunden. „Es ist ein unheimlich gut entwickeltes Boot. Vor allem bei den Systemen unter Deck und der Struktur haben wir viele Schleifen gedreht und auch Gewicht gespart, etwa durch eingeformte Flansche, die bessere, effizientere Verbindungen ermöglichen“, sagt Siefer. „Deshalb passen Gewicht und Schwimmwasserlage hier auch außerordentlich präzise.“
Als Benchmark galt Judel/Vrolijk zunächst die bestehende Flotte und deren DNA, insbesondere bei der Steifigkeit. „Eine Contest soll der Crew ein sicheres Gefühl vermitteln und große Reserven“, sagt der Studioleiter. Und dann war die Frage: Wie gelingt das, ohne gleichzeitig zu schwer zu werden? „Das hat auch deshalb gut geklappt, weil wir über die Jahre zusammen mit der Werft wirklich große Fortschritte erzielt haben“, so Johan Siefer. „Früher hätte eine Contest dieses Formats 36 Tonnen gewogen. Jetzt sind wir unter 32 Tonnen geblieben, in der Performance-Version sogar deutlich unter 30.“
Und noch etwas glückte den Architekten: Die 63 CS sieht auf eine angenehm zurückhaltende Art umwerfend gut aus. Sie folgt in den Linien im Wesentlichen der 50 CS und der 495, die 2023 Premiere feierten, wirkt aber nicht zuletzt wegen ihrer Größe besser proportioniert und gestreckter. Der optisch nach achtern verlängerte Aufbau macht sie dynamischer, das Deckshaus ist noch besser integriert. „Das wird man auch in 20, 30 Jahren noch gern anschauen“, meint Johan Siefer.
Gewöhnungsbedürftig erscheint allein die Positionierung der Rumpffenster, die auf zwei Ebenen liegen und mittschiffs zweimal verspringen. In Verbindung mit der nachtblauen Lackierung des Testboots fällt das kaum ins Auge. An einem weißen Rumpf aber wird es irritierend wirken, zumal die Fensterflächen sehr groß sind. Selbst mit weißen Punkten bedampft, lässt sich das nicht ganz kaschieren.
Vermutlich hat die Werft auf ihren Werbefotos deshalb alle Fenster unsichtbar retuschiert und auf dem Segelplan einige ganz weggelassen. Es bleibt jedoch die einzige Irritation in einem sonst makellosen Auftritt, der auch das stattliche Format der Yacht und ihren hohen Freibord vergessen macht.
Weil sie als Owner-Driver-Boot konzipiert ist, verfügt die 63 CS im Standard nicht über ein Crew-Quartier. Wer ein solches vorsehen will, kann die Segellast im Bug als Multifunktionsraum ordern. Sie bleibt auf See dann weiterhin als Stauraum für Gennaker und Code Zero nutzbar, kann aber im Hafen oder vor Anker mittels Klappkoje zur Schlafstatt für den Bootsmann umgebaut werden – eine sinnvolle Lösung.
Das Vorschiff hielt Judel/Vrolijk vor dem Mast völlig frei von allen Aufbauten oder Beschlägen. Es ist eine einzige Augenweide, mit fein verlegtem Deck, dessen Stäbe sich, auf Butt gesetzt, in der Mittelplanke treffen. Unterbrochen wird die Symmetrie nur durch die bündig eingesetzten Luken, deren Ränder mit Rahmenhölzern abgesetzt sind. So und nicht anders muss das.
Hydraulische Furler halten den Bedienaufwand ebenso wie die Laufwege von Leinen an Deck minimal. Fallen werden an Elektrowinschen neben dem Mast geholt und gefiert. Der Rest lässt sich per Knopfdruck von den beiden Steuerständen aus bedienen, die etwas erhöht hinterm Gästecockpit liegen. Dazwischen ist die zentrale Großschotwinsch auf einem Podest festgebolzt – in sicherer Entfernung von der Crew und doch jederzeit im Zugriff.
Der Rudergänger kann zwischen gleich drei Positionen pro Seite wählen: stehend, auf dem seitlichen Süll sitzend, von wo man perfekt in die Windfäden der Genua sehen kann, oder zurückgelehnt auf den opulenten Sitzen, die Platz für zwei Personen bieten und sich zudem nach achtern drehen lassen. Zusammen mit den Heckkorbsitzen und Klappsesseln oder den Hockern vom Salon lässt sich so im Handumdrehen eine gesellige Achterdeck-Runde einrichten.
Unter dieser Seeterrasse verbirgt die Contest eine geräumige Dingi-Garage, die mittels Rollen und eines ausgeklügelten Schienensystems samt Holeleine das Ein- und Auswassern des Beiboots erleichtert. Die Badeplattform schließt den Bereich wasserdicht ab; spezielle Verriegelungshaken sichern die Tür zusätzlich. Und natürlich ist die gesamte Garage auch zur Kajüte hin abgeschottet, was das Boot im Fall eines Ruderverlusts unsinkbar macht.
Über die strukturelle Integrität muss man sich bei Contest keine Gedanken machen. Der Rumpf wird in einer durchgehenden Form am Stück infusioniert, nicht in zwei Hälften wie oft üblich. In einem zweiten Vakuum-Durchgang wird die gesamte Bodengruppe samt Schotten laminiert, komplett aus GFK, ohne Stahlrahmen, was einen homogeneren Verbund ermöglicht. Zum Aushärten werden Rumpf und Struktur 24 Stunden lang bei bis zu 60 Grad Celsius getempert. Auch dadurch hebt sich die 63 CS deutlich vom Gros des Serienyachtbaus ab.
Der Aufwand ist sogar erlebbar. Wenn das Schiff Druck bekommt und mit zehn, elf Knoten unter Gennaker nach Lee rauscht, hört man unter Deck – nichts. Kein Wimmern aus den Verbänden, kein Knarzen im Ausbau, kein Rattern der Türen in ihren Schlössern. Absolut nichts!
Es ist der vielleicht größte Luxus, dass einen diese Yacht so ganz mit sich allein lässt, sich nicht in den Vordergrund spielt, nicht aufdrängt, weder akustisch noch sonst wie. Das hat nicht nur mit der pedantisch hohen bootsbauerischen Qualität zu tun. Auch stilistisch ist die 63 CS eine Oase der Ruhe.
Ihre Einrichtung haben die Interieur-Designer von Wetzels Brown in Amsterdam entwickelt. Man kann sie am besten als wohnlichen Minimalismus beschreiben. Wie schon in ihren Rumpf- und Deckslinien gibt sich die Contest auch im Ausbau zurückhaltend, ohne es freilich an Wertigkeit und Gemütlichkeit fehlen zu lassen.
Das fängt beim makellosen Furnierbild an und zieht sich durch bis zu den unsichtbar in die Kanten der Schapps und Schubladen eingefügten Türschnäppern. Höchst subtil und handwerklich oberste Güte sind die geschlitzten und um 90 Grad gebogenen Holzverkleidungen am Haupt- und Achterschott. Für solche Perfektion und Sinnlichkeit muss man das Boot einfach lieben.
Dafür kann man ihm dann auch gern ein paar Lässlichkeiten nachsehen: den etwas mühsamen Zugang zum Maschinenraum übers Eignerbad etwa oder den Mangel an Haltegriffen im annähernd fünf Meter breiten Salon. Und selbst dafür wird die Werft im Zweifel noch eine Lösung finden. Denn ihr Leitspruch lautet : „Building dreams together“– gemeinsam Träume verwirklichen.
Für Arjen Conijn heißt das, auch da weiterzudenken, wo andere aufhören. „Wir sind vielleicht ein bisschen verrückt, was Detaillösungen angeht“, sagt er. „Aber das ist doch genau das, was eine Traumyacht auszeichnet.“ Die Entwicklung der Contest 63 CS ist für ihn deshalb noch gar nicht ganz abgeschlossen. Derzeit lässt er einen festen Dodger zeichnen, der den vorderen Teil des Cockpits überragen soll – eigentlich schwer vorstellbar, ohne die schiere Decksansicht zu brechen. Aber der Contest-Chef lässt sich davon nicht bremsen; er sprüht regelrecht vor Vorfreude. „Es wird etwas ganz Neues“, verheißt er. Noch mehr Varianz für seinen ohnehin schon multifunktionalen Luxustourer.