Fridtjof Gunkel
· 10.07.2023
Nach Zeiten relativer Ruhe waren 2018 in der Werftenszene wieder durchaus spannende Zeiten im Segment der Großserienyachten angebrochen. Jeanneau modifizierte ihre Sun-Odyssey-Serie und schuf dabei grundlegend Neues wie das Walkaround-Cockpit. Beneteau aus demselben Werftenverbund überarbeitete die Oceanis-Linie. Bavaria Yachtbau brachte ebenfalls Boote unter 50 Fuß wie die Bavaria C42, die aus Werftsicht radikal anders wirken.
Und die Hansegroup? Der zweitgrößte Serienhersteller der Welt nach der französischen Beneteau-Gruppe kam in der Messesaison 2017/2018 mit gleich vier Neuheiten: 348, 548, 388 und die hier getestete 418.
Wille der Werft in Greifswald war es, die Kardinaltugenden der Hanseyachten weiter auszubauen: mehr Komfort und dazu mehr Segelleistung, die einfacher abrufbar ist. Man vertraute weiterhin auf die bewährten Rümpfe der anerkannt schnellen Konstruktionen des ebenso erfolgreichen wie vielseitigen Designteams von Judel/Vrolijk, investierte aber in allen anderen Bereichen. Bedeutet konkret, so Pascal Kuhn, Produktmanager Segelyachten: „Deck, Rigg, Kiele, Innenschalen, Möbel sind neu; das ist deutlich mehr als ein Facelift.“ Und man wolle mehr Licht und Transparenz im Innenraum anbieten. Dies ist angesichts der äußeren Erscheinungsmerkmale der Hanse 418 besonders offensichtlich.
Die simpel rechteckig geformten Rumpffenster aus Echtglas sind gegenüber dem Vorgängermodell deutlich gewachsen und günstiger platziert. Im Vorschiff gibt es zwei große Vorluks, zwei kleinere und zusätzlich ein festes Fenster im Dach. Sogenannte Lichthöfe beidseits des Niedergangs erhellen die Achterkabinen und den achteren Salon.
Aber: Nur mit optionalen Luken lässt sich in den Achterkabinen eine gute Lüftung erzielen; im Standard sind lediglich die Cockpitfenster zu öffnen. Auch im Salon ist Belüftung ein Thema auf der Hanse 418: Ließen sich auf dem Vorgängermodell 415 noch alle Aufbaufenster öffnen und so eine effektive Querbelüftung durchführen, ist jetzt nur noch ein kleines aufklappbares Fenster in der Pantryscheibe installiert. Das geht besser.
Weitere Neuerung im Cockpit ist der Wegfall der fest installierten Steuerduchten hinter den beiden Rädern zugunsten von optionalen hochklappbaren Sitzen. Das Heck ist somit komplett offen, wenn die aufpreispflichtige, per Hand ausklappbare Badeplattform nicht mitgeordert wird. Der in den ursprünglichen achteren Sitzduchten untergebrachte Stauraum wurde durch nutzbaren Platz im Cockpitboden darunter ersetzt. Dort lassen sich Leinen, Fender, Rettungsinsel und vieles mehr gut unterbringen. Eine weitere Backskiste gibt es in der Steuerbordducht; auf die gegenüber hat die Werft verzichtet, um der Achterkabine an Backbord mehr Kopffreiheit und einen großzügigeren Raumeindruck zu gewähren. Dort ist die Backskiste in der Ducht auch optional leider nicht erhältlich.
Technisch vielleicht wichtiger sind andere Änderungen: Die Werft bietet keine T-Kiele mehr an, die den Nachteil mit sich bringen, Treibgut wie Netze, Leinen oder Seegras aufzugabeln und kaum wieder freizugeben. T-Kiele seien im US-amerikanischen Markt und dort besonders an der Ostküste nicht zu verkaufen. „Außerdem“, so Matthias Bröker, Hanse-Betreuer im Konstruktionsbüro von Judel/Vrolijk, „wird der Kiel weniger effektiv, wenn die Finne über der Bombe länger ist als hoch.“ Der Lift sei dann geringer als bei einem L-Kiel, dessen schmalere Bombe flächenmäßig partiell der Finne zuzurechnen sei. Oder auch: Der L- Kiel erzeugt mehr Lift als der T-Kiel.
Die Gesamtverdrängung und der Ballastanteil sind weitgehend gleich geblieben. Ausgestattet mit Selbstwendefock und Großsegel, fällt die Segeltragezahl, welche die standardmäßige Segelfläche am Wind mit dem Gesamtgewicht in Relation setzt, durch einen Wert von 4,2 relativ gering aus.
Eine Genua nebst Schienen wird auch als Extra werftseitig mittlerweile nicht mehr angeboten. Für ein Plus an Tuch offeriert die Werft einen rollbaren Code Zero, der an eigenem Stag gesetzt und über die Spinnakerholepunkte (oder die Heckklampen) geschotet wird. Das Segel von Elvström läuft bei Hanse unter dem Namen Crossover, ist mit rund 77 Quadratmeter Fläche etwa doppelt so groß wie die Fock und kostet mit Furler von Seldén 6962 Euro extra.
Eine Alternative für mehr Druck auf tieferen Kurse wäre ein Gennaker, der sogar 120 Quadratmeter misst und ohne die Peripherie aus Fall, Schoten, Blöcken, Padeyes sowie vielleicht einem Bergeschlauch rund 3400 Euro kostet.
Und der Gennaker ist glücklicherweise zum Test vor Barcelona an Bord. Mit alter Dünung, die Mistralausläufer unter Missachtung der schwachen thermischen Winde auf die Küste schieben, braucht es Fläche und Geduld. Die Bedingungen taugen nicht für sinnvolle Messungen; schüttelt die Welle mal kurz den wenigen Wind nicht aus den Segeln, lässt sich ein Potenzial zwar erahnen, aber nicht belegen.
Als Zusicherung gehobener Segeleigenschaften muss der Verweis auf die renommierten Konstrukteure von Judel/Vrolijk & Co dienen und die Erfahrungswerte mit dem Vorgängerschiff, das immerhin über 200-mal gebaut wurde.
Was indessen feststellbar ist: Mit eindreiviertel Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag steuert sich das Boot mit den 90- Zentimeter-Rädern direkt genug. Im Standard sind übrigens optisch nicht zu dem Schiff passende Räder aus rostfreiem Stahl vorgesehen, dickere GFK-Teile von Carbonautica in Weiß oder Schwarz sind ein Extra.
Die Sicht nach vorn auf Wellen und Windfäden im Vorsegel ist gut, man sitzt relativ entspannt, kann sich aber nicht perfekt anlehnen. Der Rudergänger hat auf die achteren Winschen, zu denen auch die Fallen und Strecker geführt sind, direkten Zugriff. Somit ist das Boot perfekt einhandtauglich. Plotter und Kompass sind zentral an der Hinterkante des fest eingebauten Cockpittischs (für den ein Kühlschrank als Option angeboten wird) montiert. Während der Plotter noch gut ablesbar ist, trifft das auf den Kompass weniger zu. Zwei in Blickrichtung des Steuermanns oder zumindest auf den Steuersäulen angebrachte Nordzeiger wären sinnvoller. Alternative ist ein elektronischer Kompass mit großem Display an der Masthinterkante.
Die Leinen werden in seitlichen Staukästen wegsortiert. Die Großschot läuft vom Dach travellerlos und 1:4 untersetzt beidseits auf die Winschen, die Fock auf die Trommel an Steuerbord. In der Welle schlägt der Rutscher der Selbstwendefock von einer Seite auf die andere, auch ohne gesetztes Segel. Hier wären Stopper oder ein simples Leinenarrangement sinnvoll, das sich jedoch auch einfach selbst nachrüsten lässt.
Also Motor an: Der serienmäßige Yanmar mit 39 PS schiebt das Boot auf 7,2 Knoten bei Marschfahrt mit 2600 Umdrehungen pro Minute. Die Geräuschbelästigung beläuft sich auf maximal 75 db(A) in der Achterkammer. Die Manövriereigenschaften zeigen sich nahezu unauffällig, lediglich die Rückwärtsfahrt mit eingekuppelter Maschine scheint etwas unwilliger zur einen als zur anderen Seite abzulaufen. Alternativ lässt sich ein 57-PS-Aggregat desselben Herstellers ordern. Die Maschine ist von allen drei Seiten gut zu warten, ebenso lassen sich Seewasserfilter und Saildrive-Seeventil einfach erreichen.
Dafür sorgen seitliche Klappen in den Achterkabinen und die einfach hochschwenkbare Niedergangstreppe. Die verläuft angenehm schräg ins Schiff und ist durch fünf Stufen bequem zu begehen. Der Salon wirkt hell und freundlich und durch einen vergrößerten Holzanteil, etwa am Hauptschott, gemütlicher als im Vorgängerboot.
Im Standard sind die Möbel mit dunklem, seidenmatt lackiertem Mahagoni furniert, der Fußboden ist mit heller Akazie beschichtet, die Arbeitsfläche schwarz mit weißen Sprenkeln. Wahlmöglichkeiten sind vier andere Hölzer, unter anderem die sogenannte französische Eiche wie auf dem Testschiff, dunklere oder hellere oder gestreifte Böden und eine cremefarbene Arbeitsplatte. Wählbar sind weiterhin zwei Grautöne für die Oberschränke. Ebenfalls Grundausstattung ist die lange Pantryzeile und nur eine Heckkabine an Backbord nebst großer begehbarer Backskiste auf der gegenüberliegenden Seite.
Egal, welche Version gewählt wird: Was positiv auffällt, sind die verschraubten und nicht knarzenden Bodenbretter, hochwillkommene Edelstahlhandläufe beidseits an der Decke, viele Spots, Leselampen und indirekte Beleuchtung (als Extra programmierbar) sowie die mit 475 Liter Gesamtkapazität sehr großen Wassertanks. Die 43 mal 25 Zentimeter großen Rumpffenster schaffen schöne Ausblicke besonders unter Segeln oder vor Anker.
Zu kritisieren sind die Schmelzsicherungen, die nach Auslösung selbst bei vorhandenem Ersatz nur aufwändig wieder zu aktivieren sind, und der in aufgeklapptem Zustand instabil wirkende große Salontisch.
Im Vorschiffsbereich sind fast noch die meisten Änderungen gegenüber der 415 erfolgt. Unter Wegfall der beiden seitlichen Sitze ohnehin fragwürdiger Sinnhaftigkeit wurde die Koje jetzt als Inselbett mit dem Kopfende nach vorn ausgestaltet. Das hat Schulterbreite gekostet, die Schlafstatt ist jetzt nur noch 1,45 Meter breit, die Gesamtfläche jedoch hat zugelegt. Und im Bett liegend sieht man durch das vordere Luk jetzt direkt in den Himmel …
Im Vorschiff ist auf Wunsch ein Duschbad zu haben, die Koje wird dann umgedreht und unter Verzicht des am Ankerkastenschott sitzenden Bücherregals nach vorn geschoben. In beiden Fällen verbleibt genug Fußraum in der großzügigen Vorschiffskabine, die in den überwiegenden Fällen als Eignerreich gewählt werden wird.
Auch das Bad wurde umgestaltet. Setzte die Werft früher auf einen Toilettenraum mit Waschbecken und angrenzender separater Dusche, befinden sich nun das (abdeckbare) WC und die Brause im selben Abteil. Die Maßnahme hat etwas Platz im Waschraum gebracht. Die Stehhöhe beläuft sich in diesem Segment auf mindestens 1,91 Meter; im Salon und auch in den Kabinen steigt sie auf bis zu 1,97 Meter an.
Windgeschwindigkeit: 8 kn (3 Bft.), Wellenhöhe: Dünung ca. 1 Meter
*Nach VPP ** Mit Gennaker
Mit Standardbesegelung ist die Segeltragezahl recht niedrig
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Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 02/2018 und wurde für diese Online-Version überarbeitet.