Alexander Worms
· 15.03.2024
Ja, die Achtziger – das waren noch Zeiten. Da schreibt eine junge Werft aus Bayern doch allen Ernstes in den Prospekt für das neue Flaggschiff mit Blick auf die üppig ausgestattete Kajüte: „Bavaria 890, die Komfort-Yacht.“ So weit, so gut. Aber dann: „Damit Sie sich auch hart am Wind mal einen harten Drink mixen.“ Was heute unmöglich wäre, traf seinerzeit offenbar den Zeitgeist.
Denn schließlich wurde diese damals kleine Werft im letzten Jahr 45 Jahre alt und ist in den über vier Jahrzehnten zu einer der weltweit größten ihrer Art aufgestiegen. Dazu hat ein Stück weit die 890 beigetragen. Wie viele gebaut wurden, kann selbst die Werft nicht mehr sagen, nur der Zeitraum ist bekannt: Zur boot Düsseldorf 1981 wurde begonnen, und schon 1984 war wieder Schluss. In dieser Zeit sind immerhin zwischen 100 und 200 Einheiten entstanden.
Die 890 ist eine echte Yacht. Dank hohem Freibord und geschützter Plicht vermittelt das Schiff Geborgenheit, auch unter Deck. Mahagoni-Ausbau und ursprünglich dunkle Polsterstoffe sowie kleine Kajütfenster sorgen für das ehedem angesagte Kellergefühl im Salon. Klar, denn Vorbilder der Werft aus Giebelstadt waren keine Geringeren als die Finnen mit ihren Swans, denen wollte man auch in puncto Solidität nacheifern. Ein durchgängig überlaminierter Rumpf-Deck-Übergang etwa und satte 44 Prozent Ballastanteil stehen dafür.
In der Kajüte freuen sich Segler über bequeme Sitzplätze am großen Tisch. Der ist höhenverstellbar und kann die Koje im Salon auf eine Breite von 1,10 Metern bringen, damit taugt sie bestens als Seekoje – allerdings nur für Menschen, die nicht größer als 1,80 Meter sind, denn die Länge beträgt nur 1,90 Meter. Das gilt im Übrigen für alle Kojen und die Stehhöhe auf der 890. Da die Deutschen pro Dekade im Schnitt um 1,5 Zentimeter größer werden, war das damals in Ordnung, aus heutiger Sicht sind die Kojenlängen jedoch knapp. Laut Werftprospekt sind die Vorschiffskojen 2,05 Meter lang – das ließ sich auf dem Testschiff nicht bestätigen. Im YACHT-Test 1982 musste eine Version mit anderer Aufteilung ran. Damals befand sich der WC-Raum, beidseitig verschließbar mit Schiebetüren, zwischen Salon und Vorschiff. Die Pantry an Steuerbord neben dem Niedergang lag da, wo auf dem Testschiff der kleine WC-Raum ohne Waschbecken untergebracht ist.
Gut: Dadurch, dass in der Aufteilung mit separatem WC-Raum der Innenausbau um etwa einen halben Meter nach vorn rutschte, entstand Raum für einen Ölzeugschrank im Salon. Welche der beiden Aufteilungen vorteilhafter ist, bleibt dem persönlichen Geschmack überlassen. Erkennbar ist jedoch schon damals der Wunsch nach einem separierten WC-Raum.
Die Variantenvielfalt zeigt sich überdies beim Antrieb. Im Originalprospekt ist von einem Volvo-Diesel mit 18 PS und Saildrive die Rede. Im Testboot verrichtete ein Faryman an einer Welle den Job; auch der, so der Eigner, sei Erstausrüstung. Wie immer bei älteren Motoren gilt: Nach knapp 40 Jahren ist das Ende des Lebens in Sicht, eine Neuinvestition steht an. Der Motorraum ist groß und durch eine Luke im Cockpitboden erreichbar, Raum für ausladendere Maschinen vorhanden. Ein Wellenantrieb ist beim Austausch flexibler, da spezielle Adapter nicht erforderlich sind; damit ist man bei der Wahl des Fabrikats weniger eingeschränkt.
Ist ein Saildrive verbaut, so gilt es grundsätzlich, auf das Alter der Membrane und den Zustand des Öls im Antrieb zu achten. Bei einer weißlichen Verfärbung sind verschlissene Simmerringe zu befürchten.
Schließlich gleiten die Tücher am Mast empor. Es handelt sich um das Binnenrigg, denn das Schiff stammt ursprünglich vom Bodensee. Und wie macht eine junge Werft aus einem normalen ein Binnenrigg, ohne dabei einen größeren Mast kaufen zu müssen? Zunächst wandert der Anschlagspunkt des Vorstags von 7/8 in den Masttopp und der des Baums nach unten – sogleich entsteht mehr Segelfläche. Allerdings ist der Baum jetzt fast schon gefährlich tief angebracht. Bei jeder Wende oder Halse heißt es Kopf einziehen, und eine Sprayhood ist kaum mehr möglich.
Sicherlich kann in Zusammenarbeit mit einem Segelmacher der Lümmel hochgesetzt werden, was das Problem löst. Das Binnenrigg muss also kein K.-o.-Kriterium sein. Allerdings ist zu bedenken, dass die zusätzlichen Quadratmeter dem Schiff durchaus auf die Sprünge helfen, denn so macht die Bavaria am Wind bei 8 Knoten Wind schon Spaß. Die neue Genua steht gut, und auch das betagte Groß mit seinem ausgewehten Profil schiebt bei dem Wetter zufriedenstellend. Jetzt spielt die Bavaria eine Stärke aus, die man ihr nicht unbedingt zusprechen würde: Sie segelt außergewöhnlich agil.
Wendewinkel um die 80 Grad bei Geschwindigkeiten von rund 4,5 Knoten sind angesichts der Bedingungen super Werte. Der hohe Ballastanteil kommt nicht so sehr zum Tragen. Doch selbst bei mehr Wind, versichert uns der Eigner, verhält sich die Bavaria wie eine deutlich größere Yacht.
Auch, dass mit Axel Mohnhaupt ein Konstrukteur am Werk war, der Erfahrung aus America’s-Cup-Kampagnen mitbrachte und als Strömungsmechaniker wusste, was einen Rumpf schnell macht, kommt der 890 zugute: ganz leichter Ruderdruck, sehr gefühlvoll an der Windkante und fast schon etwas nervös auf dem Ruder. Solcherlei Leichtfüßigkeit hätte man nicht erwartet. Übrigens befanden die Kollegen anno 1982, dass die 890 zu wenig kursstabil sei für eine Fahrtenyacht und empfahlen, dahingehend nachzurüsten.
Wer unbedingt eine Version mit Steuerrad möchte, kann auch die bei der 890 finden. Allerdings mit Kompromissen: Der Abstand von achterer Bank im Cockpit und Rad ist zu klein, der Rudergänger kann daher nicht im Stehen steuern. Um vom Süll aus die Richtung anzugeben, ist das Rad zu klein und Sitzen auf der völlig ebenen achteren Bank bei Lage ebenso wenig empfehlenswert. Zudem geht vieles der Sensibilität am Ruder durch die Umlenkungen verloren. Mithin die bessere Wahl: die Pinne.
Bei ihrer Verwendung ist jedoch eine gute Organisation im Cockpit erforderlich. Die Großschot läuft am Traveller auf dem Brückendeck, eine eingespielte Crew könnte die Rollen an den Leinen tauschen, denn an die Vorschot gelangt der Rudergänger bestens. Die Duchten sind etwas zu kurz zum Liegen, denn es fehlt achtern das Stück beidseits des Steuers, wo der Rudergänger offenbar stehen soll, wenn er pilotiert.
Gut gelungen sind die Staumöglichkeiten: Sowohl an Steuerbord als auch im Heck gibt es riesige Lagerräume, die allerdings wie auf dem Testschiff einen Zwischenboden benötigen, will man nicht immer kopfüber nach Leinen und Fendern tauchen. Ebenfalls prima nutzbar: der Raum für die Rettungsinsel im Cockpit. Da war man der Zeit voraus.
Die Bavaria 890 ist eine kompakte Yacht, sie vermittelt Sicherheit und Segelspaß. Robust gebaut ist sie obendrein, so findet sich auf dem Testboot kein einziger Haarriss im Gelcoat. Die Farbwahl der frühen Achtziger ist befremdlich, das Testschiff zeigt sich beige mit schwarzem Zierstreifen. Aber das ist mittels Folie oder Lack änderbar.
Für zwei Segler kann die Bavaria auch auf längeren Reisen viel bieten, dank des enormen Stauraumangebots und großer Tanks für Wasser und Diesel ist man unabhängig. Durch ein Probeliegen sollte jedoch herausgefunden werden, ob die Koje im Vorschiff ausreichend bemessen ist, denn sowohl in der Länge als auch in der Breite erreicht sie nicht den heutigen Mindeststandard.
Außerdem zu bedenken: In der gefragten Preiskategorie sind auch Schiffe mit separater Achterkammer und echter Nasszelle wie die Etap 28i (Test in YACHT 17/2017), Dehler 31 (YACHT 18/2013) oder Elan 331 im Angebot, die ebenfalls gut gebaut sind. Und zumindest bei den ersten beiden sind Ersatzteile noch problemlos erhältlich.
Vor dem Kauf unbedingt auf die Cockpit-/Decks-Beläge achten, ihr Austausch verlangt entweder Geschick und Zeit oder eine größere Investition. Auch die Deckenverkleidung in der Kajüte ist solch ein Punkt. Ansonsten spricht nichts gegen die 890.
Die Bavaria 890 ist solide gebaut. Dennoch gilt es, beim Kauf auf eventuell teure Details zu achten.
Die im Original verwendete Teakauflage auf Cockpitboden und Duchten hat drei Jahrzehnte nicht überstanden. Auf fast allen gebrauchten 890 gibt es mehr oder weniger gut gelöste Alternativen.
Zumindest das obere Lager war auf dem Testboot deutlich ausgeschlagen, Vibration im Ruder die Folge. Der Austausch ist einfach machbar, wenn das Schiff trocken steht. Die Lager sind Drehteile aus Kunststoff und als solche auch ohne Ersatzteilversorgung erhältlich.
Dauerbrenner bei Gebrauchtbooten sind die Aufbaufenster – zumeist aus Plexiglas, werden sie spröde und müssen ersetzt werden. Das ist schwieriger, als viele denken, soll es dicht sein und nicht reißen. Gut: Die Flächen auf der 890 sind klein, was den Austausch erleichtert.
Der Bugbeschlag ist ein Aluminiumgussteil. Das Material ist spröde, dieses hier hat bei einer Kollision Schaden genommen. Ersatz ist nicht erhältlich oder müsste aufwändig gefräst werden; eine Reparatur im eingebauten Zustand ist sehr schwierig. In diesem Fall müssen Alternativen für eine Ankerrolle bedacht werden.
Die geklebte Innenseite des Kajütdachs hat sich im Laufe der Jahre gelöst. PVC-/Velours-Fetzen hängen dann von der Decke. Ein Austausch ist möglich, erfordert jedoch ein gewisses Geschick. Auf dem Testschiff wurde das von einer Werft erledigt – das Ergebnis ist gut, aber eben auch kostspielig, da besonders die Entfernung des alten Klebers viel Zeit in Anspruch nimmt.
Rumpf/Deck in Sandwich, Handauflegeverfahren mit Iso-Harzen. Beanspruchte Stellen massiv
Stand 03/2024
Ein gelungener Kompromiss aus Segeleigenschaften und Raum. Die 890 ist ein sinnvoller Einstieg ins Yachtsegeln für zwei
Der Artikel erschien erstmals in YACHT 21/2017 und wurde für die Online-Version aktualisiert.