Nils Theurer
· 28.08.2024
Gerade erst feierte die Klassenvereinigung der Aphrodite 101 ihren 40. Geburtstag - natürlich am Bodensee, wo ein Großteil der Szene aktiv ist. Dort holte das schnittige Zehn-Meter-Boot zahlreiche Regatta-Siege, die den guten Ruf untermauerten. Auch als Gebrauchtboot ist die Aphrodite gefragt.
Bei der Konfessionsbestimmung der Aphrodite 101 ist sich Werftinhaber Antonius Ott sicher: „Es ist ganz klar ein katholisches Boot.“ Pause. Weil es übers Wasser läuft? Oder ist’s ein Kirchenschiff, werden Aphrodite 101 gar mit Weihwasser getauft? „Nun“, grinst er, „du musst halt alles im Knien erledigen.“ Denn lediglich gebückt, im Sitzen oder eben in Büßerposition ist ein Verweilen möglich. Ein Meter und sechsunddreißig Zentimeter lassen sich von den Bodenbrettern bis zur Kajütdecke messen.
Eigner Klaus-Peter Stengele stört das nicht, mit seiner Baunummer 471 aus dem Jahr 2002 gewann er zwei 101 World Cups. Wir notieren auf seinem Boot erst 7,4 Knoten bei Raumwind und kneifen dann schärenkreuzerhaft Höhe: Mit knapp 6 Knoten Speed, einem Wendewinkel unter 80 Grad, ohne Ruderdruck. Und zwar trotz der erwartbaren Krängung.
Mit diesen Eigenschaften entsprach und entspricht die Aphrodite 101 exakt den Vorgaben des segelbegeisterten Jörgen Juul Rasmussen († 2004). Er gab den Auftrag für sein gut segelndes und einfach zu bedienendes Wunschboot an das Designer-Duo Jan Kjærulff und Paul Elvstrøm. So entstand 1976 die 9,50 Meter lange Elvstrøm 95/Mungo im schwedischen Halmstad. Dort verlängerte man die Form sogleich um 60 Zentimeter, benannte sie 101 für die jetzt 10,10 Meter Länge. Damit das Schiff in die dänische Handicap-Regel passte, wurde die Verlängerung wiederum 15 Zentimeter zurückgebaut, aber der Name blieb. 15 erste Einheiten baute John Macintoshs Werft dann auf der Isle of Wight, deutlich mehr laminierte die Bianca-Werft in Rudkøbing bis zu ihrer Insolvenz 1987. Bachs Bootswerft im dänischen Farsø führte die Produktion fort.
1994 gingen Form und Rechte an Ott Yacht in Meersburg. Dort entstanden die Baunummern 400 bis aktuell 494. Denn die 101 wird immer noch gebaut. Mit der Bodenseeproduktion wurde ein 150-Prozent-Vorsegel klassenkonform, Backstagen ermöglichen seitdem die höhere Vorstagspannung. Klaus-Peter Stengele setzt sie auch bei seiner Selbstwendefock durch, „das kommt auf die Vorliekskurve an, manche Profile brauchen das“.
Antonius Ott liefert hingegen zunehmend Neuboote ganz ohne Backstagen aus. „Die Püttinge sind vorhanden, und das Nachrüsten ist einfach, aber heute wissen viele nicht, was sie damit anfangen könnten“, kommentiert er den von ihm beobachteten Wandel über mehrere Jahrzehnte. „Die Hälfte der Schiffe verkaufe ich zweimal, ein Viertel sogar dreimal“, erläutert Ott die zusätzliche Bedeutung seiner Werft als Drehscheibe. „Ich taxiere Verkaufswilligen ihr Boot und sage, was zu tun ist für eine Veräußerung. Mit den Arbeiten gehe ich in Vorleistung und erst, wenn das überholte Boot verkauft wird, bekommt der Voreigner den Erlös abzüglich Refitkosten und Marge.“
Sieben Neue baute Ott während der vergangenen zehn Jahre. „Natürlich ist die 101 ein Plastikeimer“, da gibt sich Ott realistisch, „trotzdem hat sie sich wenigstens am Bodensee etabliert wie etwa ein Drachen, ein 30er- oder auch 45er-Schärenkreuzer.“ Kjærulff hatte tatsächlich einen weitgehend zeitlosen Riss entworfen, der gefällt.
Klassenobmann Olivier Grobet, 55, hatte sich diese Sehnsucht erfüllt und eine Neue bestellt, seine SUI 487 „Fantasea“ stammt aus dem Jahr 2010. „Die 101 hatte ich immer schon gesehen, und ihre Eleganz gefiel mir. Eine Dynamic 35 hatte ich mir noch angeschaut, für unseren Liegeplatz wäre sie allerdings zu lang gewesen. Eine X-99 hätte gepasst, und sie wäre gegen die 101 ein Raumwunder gewesen. Aber mir wurde gesagt, sie sei nur mit großer Crew gut zu handhaben“, erläutert Grobet seine Überlegungen.
Die 101 sei das gutmütigere Schiff, hatte man ihm gesagt, und das stimme auch. Die Bedienung zu zweit klappe, vor allem bei den Hafenmanövern, „Segeln ginge auch allein“. Seitdem der Pegel am Bodensee auch über den Sommer stärker schwankt, stellen sich die 1,70 Meter Tiefgang regional aber als Hindernis heraus. Olivier Grobet ist rundum zufrieden mit seinem Boot, besserte allerdings die Unterdeck-Rollfockanlage nach: „Es gibt nun eine doppelkardanische Decksdurchführung von Bartels. Sie ist dicht und schlägt auch nicht mehr schlafraubend bei viel Wind.“
Die Stegnachbarn Helen und Norbert Scherrer kamen 20 Jahre nach ihren Segelscheinen eher zufällig zu einem Liegeplatz und suchten nach einer passenden Yacht. „Wir sind bestimmt keine guten Segler“, ist sich Helen sicher. „Ich hatte zunächst auch gesagt, ohne mich – ich habe ja noch andere Hobbys. Aber nun bin ich mit unserer 101 doch völlig begeistert, es ist super.“ Sie hatten das privat erworbene Gebrauchtboot für einen Refit an Ott Yacht gegeben, es gab neue Polster, einen Carbon-Großbaum und einen Gennaker. „Wir haben ihn heute zum ersten Mal ausgepackt und sind geflogen.“ Schade sei, dass es Hundekojen statt von oben zugänglicher Backskisten gäbe, außerdem stehe das Wasser bei Lage in der Cockpit-Sitzkante, lenzbar nur durch Wenden oder Schöpfen. Sie nahmen an der Tourenwoche der Klassenvereinigung teil, „sehr nette Leute“, kommentiert Norbert.
Und noch eine 101 läuft in den Hafen, eine ältere Einheit mit Treadmaster-Belag. Deren Refit leisten die vier Eignerinnen und Eigner Stück für Stück selbst, auch das klappt offenbar. Antonius Ott bemerkt zu Gebrauchten: „Bianca-Schiffe haben meist Osmose. Das sanieren wir regelmäßig, aufgrund des wasserdichten Epoxids sind sie dann besser als neue Schiffe.“
„Das Baujahr ist nicht so wichtig“, rät Klaus-Peter Stengele. „Biancas sind etwas leichter, haben dafür aber oft gruselige Flockbeschichtung innen, eine Riesensauerei beim Entfernen.“ Weitere Tipps: „Die später zugelassenen Zweigangwinschen lohnen, vorhandene Spiausrüstung ist gut bei Regatta-Lust.“ Bei Bianca-Yachten sei das vordere Schott zu überprüfen und das gewölbte Vorluk, für das es keinen Ersatz gäbe. Möglicherweise undichte Ruderwellenführungen und weiche Vordecks, Relingspfosten und Vorsegelschienen seien zu beachten. Ältere haben einen fest im Salon installierten Tisch, der störe eher, vor allem, wenn der Salon mittels zweier Einsätze zu einer großen Doppelkoje ergänzt wird, die oben 2,00 und unten 1,42 Meter breit ist.
Die YACHT schrieb in ihrem Test 1979: „Die Aphrodite 101 ist vor allem ein reinrassiges Segelboot, kein ,Wohnwagen zur See‘.“ Auch auf längeren Nord- oder Ostseetouren werde man damit zufrieden sein. Klaus-Peter Stengeles Fazit heute: „Die 101 ist schon ein sehr, sehr gutes Schiff für Pärchen oder die kleine Familie mit dem nicht ganz so kleinen Geldbeutel.“
Stand 05/2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
Aktuell Isophthalsäureharz-Handlaminat mit NGA-Gelcoat, frühere Baunummern oftmals mit Osmoseschaden, teilweise saniert. Kiel mit Edelstahlbolzen
Ursprünglich für mehrtägige Törns gedacht, wird die Aphrodite heute hauptsächlich für Daysailing und Regatten genutzt. Stehhöhe ist nicht vorhanden, dafür eine recht hübsche Silhouette ohne Aufbau. Statt Kajütvolumen wartet die 101 mit schlankem Rumpf und soliden Eigenschaften auf. Gut: Es gibt eine aktive Klassenvereinigung
Die Klassenvereinigung ist – vor allem am Bodensee – aktiv und führt Regatten (alle zwei Jahre einen „World Cup“) und Flottillen-Törns durch. In Dänemark ist die 101 immer noch als nationale Klasse eingestuft. www.aphrodite101.com
Entsprechend der allgemeinen Lage stehen Aphrodite 101 derzeit nur vereinzelt zum Verkauf. Sowohl für einen Kauf von privat wie von Ott Yacht ist die bis heute andauernde Fertigung für Ersatzteile und Beratung ein deutliches Plus.
Der Gebrauchtboottest der Aphrodite 101 erschien zum ersten Mal in YACHT-Ausgabe 4/2022 und wurde für diese Onlineversion überarbeitet.