Amel 50 im TestModernes Fahrtenboot der 50-Fuß-Luxusklasse

Jochen Rieker

 · 19.04.2024

Die Boote der Werft galten lange als konservativ, fast abgehoben vom Marktumfeld. Vorbei!
Foto: EYOTY/Julien Girardot
Die Amel 50 ist wie wenige andere Serienyachten prädestiniert für lange Schläge. Das waren ihre Vorgängerinnen auch stets. Doch die von Olivier Racoupeau konstruierte Slup geht weiter

Die Liste, die es in dieser Form und Vollständigkeit bei keiner anderen Serienbootswerft gibt, ist ein internes Dokument. Kein Eigner wird sie je zu sehen bekommen. Denn das, was sie umfasst, wird an Bord sein, wenn Amel die neue Yacht übergibt. Fast hundert Positionen sind darin aufgeführt: Öl- und Kraftstofffilter etwa, ein Satz Zinkanoden, ein Impeller, ein Keilriemen, Schäkel, Überbrückungskabel für die Batterien, eine Dose WD-40, Schmierfett für Winschen und Propeller – was man halt so braucht, wenn man länger autonom auf See sein will.

Es sind jedoch nicht nur Ersatz- und Verschleißteile, die zur ungewöhnlich umfangreichen Ausstattung zählen. Auch Deckschrubber und Bootshaken gehören dazu, eine Pumpe fürs Beiboot, ein Flaggenstock samt Nationale, die Salingsflaggen Charlie und November. Unter Deck geht die Fürsorge der Werft noch weiter: Zwölf Kissen finden sich auf der Liste, zwei Bademäntel, zwei Satz Hand- und Strandtücher, zwei Heißluftföhns, 30 Müllbeutel und 40 Kleiderbügel, um nur einiges zu nennen. Nebst, das versteht sich in Frankreich von selbst, zwei Flaschen Champagner, einer Flasche Pineau, je einer Flasche Cognac und Wein, 16 Flaschen Evian oder Vittel, einem Dosen- und einem Flaschenöffner.

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Das Rundum-sorglos-Paket ließe sich als bloße Nettigkeit abtun, als Selbstverständlichkeit gar angesichts des durchaus stolzen Einstandspreises von 1.249.500 Euro. Doch es ist weit mehr als das. Die interne Liste der Liebenswürdigkeiten ist Teil und Ausdruck ebenjenen Konzepts, das die Yachten von Amel seit jeher auszeichnet. Konstruiert und gebaut für ein Leben auf dem Wasser, sollen sie ihre Crew sicher und komfortabel überallhin bringen. Das ist keine kleine Aufgabe. Umso konsequenter versucht die Werft, dies umzusetzen – was sich keineswegs in der Ausstattung mit Schaumwein oder Reinigungsschwämmen erschöpft.

Moderne Konstruktion

Tatsächlich verfolgen die Franzosen ihre Mission mit fast preußischem Ernst und schwäbischer Gründlichkeit. Das ließ sie früher bisweilen schrullig wirken, weil Firmengründer Henri Amel, obschon durchaus innovativ seiner eigenen Agenda folgend, sich dennoch manchen technischen Neuerungen verschloss. Inzwischen aber haben die Mitarbeiter die Werft übernommen und eine beispiellose Modernisierungswelle in Gang gesetzt. Viele typische Alleinstellungsmerkmale haben sie bewahrt, gleichzeitig jedoch neue Akzente gesetzt.

Die Amel 50 signalisiert schon mit ihren Linien, dass sie Anschluss an den Zeitgeist sucht. Ihr lotrechter Steven, der hohe Freibord, ihre große Breite, die sich nach achtern kaum verjüngt, und die insgesamt eher kantige Formensprache heben sie von ihren Vorgängerinnen deutlich ab. Ein fest angeschlagener Bugspriet aus Edelstahl verlängert den Rumpf, dient als Halterung für den Anker und als Anschlagpunkt für Code Zero oder Gennaker. Zudem gibt es erstmals Doppelruder an einer Amel, die für eine bessere Kontrollierbarkeit bei Lage sorgen sollen.

Die sichtbarste Änderung zu ihren 55 und 64 Fuß großen Schwestermodellen findet sich jedoch über Wasser. Erstmals seit fast einem halben Jahrhundert baut Amel mit der 50er wieder eine Slup. Davor waren alle Boote als Ketsch geriggt, was eine bessere Anpassung an die Bedingungen auf See und eine höhere Kursstetigkeit mit sich brachte, aber auch einen erhöhten Bau- und Bedienaufwand. Vorbei!

Gleichwohl ist die Amel 50 kein gewöhnliches Fahrtenboot. Selbst in der Luxus­klasse, der sie eindeutig zuzuordnen ist, hebt sie sich nach wie vor deutlich von der Konkurrenz ab. Da sind, zum einen, konstruktive Eigenheiten. Die tiefe Bilge etwa dient hier als Sammler für Grauwasser und ist dafür zum Salon hin eigens abgedichtet. Es gibt deshalb weit weniger Rumpfdurchbrüche und Seeventile als auf anderen Yachten dieses Segments – ein Plus an Sicherheit und Wartungsfreundlichkeit.


Die Konkurrenz: weitere Modelle der 50-Fuß-Luxusklasse

Contest 50 CS: Dank eines modernisierten Decks und hübscher Linien wirkt die viel gefragte Mittelcockpityacht aus Holland noch immer aktuell. Der Ausbau ist makellos, die Aufteilung sehr variantenreich
Foto: ContestYachts

Motor, Generator und andere Installa­tionen sind ebenfalls zentral in einem von der Plicht aus gut zugänglichen Maschinenraum untergebracht. Der ist so weitläufig, dass Servicearbeiten eine wahre Freude sind. Wenn nötig, können sämtliche Aggregate demontiert und durch die große Klappe an Deck gewinscht werden. Die Crew bleibt von derlei Plackerei unter Deck vollkommen unbehelligt – ein Komfortmerkmal, nach dem man anderswo lange suchen muss.

Auch die Plicht selbst ist in dieser Form unerreicht. Von einer festen Scheibe samt Hardtop überspannt, bietet sie Schutz vor fast allen Unbilden des Wetters. Im Sommer lässt sie sich durch ein Fenster in der Mitte und zwei Luken im Dach angenehm belüften. Bei Regen oder Kälte kann man die Seiten mittels Stoffbahnen aber auch komplett abschotten.

Komfort und Bedienungsfreundlichkeit sind hartnäckige Tugenden der Amel 50

Hohe Sülls umschließen das große Cockpit, das so sicher wirkt wie eine Trutzburg. Zum Bedienen der Segel muss die Crew ihren Rückzugsort nie verlassen – alle Schoten lassen sich von hier bedienen, die Rollanlagen für Groß, Genua und Stagfock sogar auf Knopfdruck vom Steuerstand aus.

Der liegt an Backbord und ist so reichhaltig instrumentiert, dass sich der Wachgänger fast auf einem modernen Frachter wähnt. Vom drehbaren Sessel aus hat man tatsächlich alles im Griff und, wichtiger noch, im Blick. Ein geradezu erhebendes Gefühl stellt sich hier ein. Amel lässt Genua, Stagfock und Code Zero von Incidences, einer der namhaftesten französischen Segelmachereien, im Unterliek eigens höher schneiden, um die Voraussicht nicht einzuschränken. Aerodynamisch bringt das Druckverluste mit sich, bietet aber andererseits ein entscheidendes Sicherheitsplus in stark befahrenen Küstenregionen, wo Ausguck zu gehen unerlässlich ist.

Spätestens hier zeigt sich, mit welcher Zielstrebigkeit die Werft ihre Philosophie verfolgt. Während andere Bootsbauer sehr wohl Kompromisse zugunsten von Ästhetik und Dynamik machen, bleibt Amel den für die Marke typischen Tugenden wie Komfort und Bedienungsfreundlichkeit geradezu hartnäckig treu.

Verbesserte Leistung

Beim Test vor La Rochelle ist das durchaus zu spüren. In einer für den Herbst unüblich leichten Brise tut sich der 19-Tonner erwartungsgemäß etwas schwer, seglerisch zu glänzen. Dazu bräuchte das Boot 4 Beaufort oder mehr, die uns an zwei Tagen in Folge verwehrt bleiben sollen. Doch hat die Amel im Vergleich zu ihren Schwestern unverkennbar an Temperament gewonnen.

Dank langer Wasserlinie und mithilfe von Gennaker und Code Zero zeigt sie achtbare Leistungswerte. Insbesondere die Geschwindigkeit auf Kurs, ihre sogenannte „Straight line speed“, unterscheidet sich kaum vom Niveau der meisten Wettbewerber. Zwar läuft die Amel 50 nicht ganz so viel Höhe wie andere, und die indirekt übersetzte Ruderanlage vermittelt kein verwertbares Gefühl für die Strömungsverhältnisse an den beiden Blättern. Dafür läuft sie sauber geradeaus und erfordert kaum Korrekturen am Rad.

Olivier Racoupeau, dem Konstrukteur, ist ein effizienter Riss für lange Seereisen gelungen. „Natürlich ist es eine Amel“, sagt er. „Aber wir haben versucht, ihr neben Seegängigkeit und Souveränität auch bessere Segeleigenschaften mitzugeben.“

Flexibler Segelplan

Besonders leicht lässt sie sich veränderten Bedingungen anpassen. Code Zero und Gennaker sind in der Segellast im Bug verstaut; um sie zu setzen oder zu bergen, braucht es nur wenige Handgriffe. Bei mehr Wind gelingt der Wechsel auf kleineres Tuch sogar noch geschmeidiger – von der Genua zur optionalen Stagfock braucht es keine Minute, da beide permanent angeschlagen sind und elektrisch ein- und ausgerollt werden. Die Amel 50 ist damit und mit dem stufenlos reffbaren Rollgroß schon ab Werft für ein Windfenster von 5 bis 45 Knoten gerüstet, auch ohne Besanmast, eine auf Serienbooten selten große Bandbreite.

Als überraschend laut erwies sich bei der Baunummer 1 das Fahrgeräusch unter Maschine – sonst eigentlich eine Paradedisziplin aller Amels. Insbesondere in der Eig­nerkammer achtern lärmte es in unbotmäßiger Weise. Für die Werft ein neues Phänomen, setzte sie bisher doch auf einen selbst entwickelten Aquadrive, bei dem der Propeller an der Hinterkante der Kielfinne austritt. Die Amel 50 dagegen verfügt erstmals über eine herkömmliche Wellenanlage. Deren Schraubenschlag trifft auf Höhe der Doppelkoje auf den Rumpf, wo die Einbauten wie ein Resonanzkörper wirkten.

Die Werft hat darauf sofort reagiert. Zusätzliche Dämmmaßnahmen an der Bodengruppe sowie ein geänderter Propeller haben den beim YACHT-Test ermittelten Schallwert von 83 auf inzwischen 70 Dezibel reduziert. Damit liegt die Amel 50 bei Marsch­fahrt von 8,1 Knoten überall im normalen oder leisen Bereich. Alles andere wäre inadäquat, denn Eigner und Gäste sollen sich unter allen Umständen wohlfühlen – selbstverständlich auch dann, wenn es gilt, eine Flautenzone unter Maschine zu passieren.

Für einen angenehmen Aufenthalt an Bord hat die Werft einigen Aufwand betrieben. Unter Deck umfängt die Crew ein Ambiente gediegener Eleganz. Ja, man kann durchaus von einem Wow-Effekt sprechen. Durch ein Höchstmaß an natürlichem Licht und aufgrund stimmiger Farben wie Oberflächen wirkt die Yacht hell, aber nicht kühl, modern, aber nicht unbehaust – sondern einfach nur harmonisch-schön.

Hochwertiger Ausbau

Gestaltet hat das Interieur Isabelle Racoupeau, die Frau des Konstrukteurs, die dabei große Stilsicherheit bewiesen hat. Ebenso meisterhaft gelang die Umsetzung durch die Bootsbauer von Amel. Perfekte Passungen und minimale Spaltmaße zeugen vom großen handwerklichen Können und akribischer Detailarbeit.

Hochwertige Beschläge, aufwändige Lösungen finden sich überall im Schiff. So lassen sich die Schubladen am Schrankmodul, das Pantry und Salon verbindet, durch eine Nirostange auch für schwerstes Wetter sicher verriegeln. Wo sich Stauräume unter den Bodenbrettern verbergen, sind diese an Scharnieren befestigt, welche den Zugang vereinfachen. Die Duschtüren arretieren so bombenfest, dass sie sich auch bei grober See nie losrütteln werden. Vor- und Achterschiff sind akustisch derart gründlich vom Salon entkoppelt, dass kein Klönschnack auf dem Sofa die Nachtruhe der Mitsegler stört.

Es hat fast etwas Tresor-Ähnliches, in diesem Boot in See zu gehen oder vor Anker zu liegen, so solide wirkt hier alles, so beruhigend (über)dimensioniert. Vorschiff und Achterkammer lassen sich im Falle einer Havarie sogar wasserdicht abschotten – auch das ein Zeichen für Amels unbedingtes Streben nach Sicherheit.

Neu ist das alles nicht. Aber die technische Kompetenz kam noch nie so unaufdringlich, so lässig rüber wie bei der Amel 50. Während der Utilitarismus früherer Modelle noch prägender war, die Form häufiger der Funktion folgte, präsentiert sich die Neue aus La Rochelle erstaunlich unverkrampft. Sie bietet alles, was die Marke ausmacht, in einer höchst ansehnlichen und zeitgemäßen Verpackung. Nachdem die Werft zweimal in Folge leer ausgegangen war, wurde die Amel 50 zu Europas Yacht des Jahres 2018 gekürt. Die gelungene Synthese aus Substanz und Design, aus Solidität und Raffinesse hat ihr zurecht zum Sieg verholfen.

Die Messwerte zum Test der Amel 50

Windgeschwindigkeit: 7–10 kn (3 Bft.); Wellenhöhe: glattes Wasser; * Mit Code Zero; ** Mit Gennaker

Die Amel 50 im Detail

Riss der Amel 50 | Zeichnung: YACHT/N. CampeRiss der Amel 50 | Zeichnung: YACHT/N. Campe

Technische Daten der Amel 50

  • Konstrukteur: Berret/Racoupeau
  • CE-Entwurfskategorie: A
  • Rumpflänge: 15,51 m
  • Wasserlinienlänge: 14,51 m
  • Breite: 4,79 m
  • Tiefgang: 2,15 m
  • Theor. Rumpfgeschwindigkeit: 9,25 kn
  • Gewicht: 18,75 t
  • Ballast/-anteil: 5,4 t/29 %
  • Masthöhe über Wasserlinie: 22,50 m
  • Großsegel: 62,0 m2
  • Rollgenua (109 %): 64,0 m2
  • Maschine (Volvo Penta): 81 kW/110 PS
  • Kraftstofftank: 675 l
  • Frischwassertank: 600 l
  • Grau-/Schwarzwassertanks: 180 l

Rumpf- und Decks­bauweise

GFK-Schaumsandwich, in Vakuum-Infusion laminiert. Deck und Schotten geklebt und überlaminiert. Vier wasserdicht verschließbare Abteilungen. Guss­eisenkiel. Ruderwellen aus Edelstahl

Preis und Werft

  • Grundpreis ab Werft: 1.249.500 €
  • Standardausrüstung inklusive: Motor, Schoten, Reling, Positionslaternen, Batterie, Kom­pass, Polster, Pantry/Kocher, Lenzpumpe, WC, Segelkleid, Anker/Kette, Fender, Festmacher, Feuerlöscher, E-Kühlfach, Fäkalientank mit Absaugung, Antifouling inkl.
  • Garantie/gegen Osmose: 2/2 Jahre

Stand 04/2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!

Werft

Chantiers Amel S. A., 17183 Périgny Cedex, Frankreich, E-Mail: amel@amel.fr, Web: www.amel.fr

Vertrieb

Kronenberg Yachting, München, info@kronenberg-yachting.com

YACHT-Bewertung der Amel 50

Die Amel ist das derzeit modernste Fahrtenboot der 50-Fuß-Luxusklasse. Kein Wettbewerber bietet der Crew mehr Schutz und Komfort im Cockpit, keiner ein so besonderes Ambiente unter Deck. Eine absolute Empfehlung für lange, gut umsorgte Blauwassertörns

Konstruktion und Konzept

  • + Klare Ausrichtung auf Langfahrt
  • + Bis ins Detail konsequent umgesetzt
  • - Fülliger Rumpf, hoher Aufbau

Segelleistung und Trimm

  • + Mit Code Zero achtbares Temperament
  • + Extrem sicheres, geschütztes Cockpit
  • + Sehr einfache Handhabung

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Harmonisches Design unter Deck
  • + Viel natürliches Licht
  • + Sehr hochwertige Verarbeitung

Ausrüstung und Technik

  • + Umfangreiche Serienausstattung
  • + Hohe Wartungsfreundlichkeit
  • - Motor beim Testboot deutlich zu laut

Der Artikel erschien erstmals in YACHT 25/2017 und wurde für die Online-Version aktualisiert.

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