Uwe Janßen
· 07.11.2016
Zum zweiten Mal Terror-Opfer: Die Gruppe Abu Sayyaf hat in den Philippinen eine deutsche Seglerin erschossen und ihren Partner entführt
„Ich bete zu Gott, dass sie uns nicht wieder erwischen“, sagte Skipper Jürgen Kantner, 70, 2009 im Interview mit der YACHT nach seiner Entführung durch somalische Piraten. Seine Gebete wurden offenbar nicht erhört. Zwar fehlt noch eine Bestätigung des Auswärtigen Amts, aber es bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass Kantner und seine Partnerin Sabine M. erneut Opfer von Terroristen geworden sind.
In der Inselgruppe Tawi-Tawi in der Sulusee, sie zählt zum Kerngebiet der islamistischen Abu Sayyaf, griffen die Terroristen nach eigenen Angaben eine Yacht an, kidnappten den Skipper und töteten seine Partnerin. „Sie versuchte auf uns zu schießen, da haben wir sie erschossen“, erklärte ein Sprecher der Terrorgruppe. Bei der weiblichen Leiche auf der am frühen Sonntagmorgen (Ortszeit) bei der Insel Laparan aufgefundenen Yacht befand sich nach Behördenangaben tatsächlich ein Gewehr. Die Yacht führte die deutsche Flagge und trug den Namen „Rockall“.
Spätestens nach Ansicht der Fotos, die die philippinischen Behörden veröffentlichten, ist klar: Das überfallene Schiff gehört in der Tat Jürgen Kantner. Diesen Namen nennt zudem das Entführungsopfer in einem Telefongespräch mit dem „Philippine Daily Inquirer“. Auch die Altersangabe passt. Somit spricht alles dafür, dass es sich bei den Opfern um die beiden Auswanderer aus Schwaben handelt.
Die "Rockall"-Crew hat 2008 bereits ein Martyrium durchlitten. Nach Entführung ihrer Yacht vor der jemenitischen Küste wurde sie nach Somalia verschleppt und 52 Tage lang als Geiseln unter kaum menschenwürdigen Bedingungen festgehalten und gequält, Scheinhinrichtungen inklusive. Nach Angaben der „Bild“ seien seinerzeit 600.000 US-Dollar für ihre Freilassung bezahlt worden.
Der YACHT beschrieben die beiden Opfer ausführlich die Umstände des Überfalls und ihrer Zeit in Geiselhaft. Sie kündigten an, ihren Törn fortsetzen zu wollen (Ausgabe 22/08). Sie besaßen schließlich an Land nichts mehr von Wert, alle Ersparnisse steckten im Schiff.
Tatsächlich holte Kantner seine Yacht unter abenteuerlichen Umständen aus Terroristenhand zurück (YACHT 16/09) und berichtete darüber direkt aus Somalia in einem bemerkenswerten Beitrag für YACHT online. Anschließend setzte das Paar seinen Törn nach Südostasien fort.
Hier beschreibt Kantner den Ablauf des Überfalls und seine Rückhol-Aktion:
Danach schien endlich alles nach Wunsch zu verlaufen. Die „Rockall“ besegelte Thailand und Malaysia, und Sabine M. plante, ihre schlimmen Erfahrungen in einem Buch zu verarbeiten. Dazu ist es nicht mehr gekommen.
Unverständlich bleibt, warum sich die "Rockall“ überhaupt in der Sulusee aufhielt. Dem Skipper musste das Risiko, so tief im Terroristengebiet, bekannt sein. Seit der Entführung der deutschen Crew von der "Catherine“ vor zwei Jahren an einen noch viel weiter von der Verbrecher-Hochburg entfernten Ort warnt das Auswärtige Amt ausdrücklich vor Aufenthalten in dieser Region: „Die Abu Sayyaf ist für Entführungen sowohl von philippinischen Staatsangehörigen als auch von Ausländern verantwortlich, die vor allem auf Mindanao und in der Sulu-See immer wieder vorkommen. In der Sulu-See kann es auch zu Übergriffen auf Segel- und Tauchboote kommen....Von Reisen nach Zentral- und Westmindanao inklusive der Zamboanga-Halbinsel, in die Mindanao-See, in die Sulu-See inklusive Süd-Palawan und seiner Inseln sowie der südlichen Inselgruppen Cagayan de Tawi-Tawi-Islands, Turtle Islands und alle Sulu-Islands (Basilan, Jolo, Tawi-Tawi u.a.) zwischen Mindanao und Ost-Malaysien wird dringend abgeraten.“
Die YACHT veröffentlicht in ihrer Ausgabe 24/2016 (ab dem 16. November am Kiosk) ein Spezial zu diesem Thema. Darin äußert sich die von Bord der „Catherine“ in der Sulusee ebenfalls von Abu Sayyaf entführte Henrike Dielen über die Umstände des damaligen Überfalls. Außerdem stellen wir eine neue Studie vor, aus der sich ein sehr guter Leitfaden für die Risikobewertung von Revieren ableiten lässt.