Uwe Janßen
· 03.11.2014
"Stoff für einen Kriminalfilm": Nach einer irrwitzigen Vorgeschichte fliegt eine Familie aus Pirmasens auf – mit tonnenweise Drogen
In einer gemeinsamen Erklärung der Staatsanwaltschaft Zweibrücken, des Zollfahndungsamts Frankfurt/Main und der Polizeidirektion Pirmasens geben sich sogar die ausgebufften Profis aus der Drogenfahndung verblüfft – der spektakuläre Fall einer Schmugglerfamilie aus Pirmasens biete „genug Stoff für einen spannenden Kriminalfilm“. Da wären: „durchbrochene Polizeisperren, wilde Verfolgungsfahrten, Sicherstellungen von mehr als einer Tonne Haschisch, Gefängnisflucht, Sicherstellungen von hochwertigen Fahrzeugen und Schmuggelbooten, Inhaftierung von elf Personen in Spanien und Deutschland, Vermögensabschöpfungsmaßnahmen im Volumen von 8,5 Millionen Euro.“
18 Monate war ein Ermittlerteam der Schmuggelbande auf den Fersen, seit April vorigen Jahres. Da durchbrach ein Porsche Cayenne im spanisch-französischen Grenzgebiet mehrere Polizeisperren und wurde bald darauf verlassen aufgefunden. Bei der Untersuchung des Fahrzeugs entdeckte die Polizei 60 Kilogramm Haschisch.
Die Spur führte zu einer 60-Jährigen und ihrem 64 Jahre alten Ehemann aus Pirmasens, die einen Handel mit Autos und Booten betrieben – wie sich bald herausstellte, „zur Verschleierung ihrer illegalen Geschäfte“. Die Polizei ermittelte: Die Eheleute und ihr 31 Jahre alter Sohn gehörten einer international agierenden kriminellen Organisation an, die per Boot aus Afrika Drogen nach Europa importierte und bis hinauf nach Finnland flächendeckend vertrieb.
Ein Joint-Investigation-Team kommt den Drogenschmugglern auf die Spur
Um den Verbrechern auf die Spur zu kommen, bildeten die Ermittler eine gemeinsame deutsch-spanische Gruppe. Solch eine multinationale Truppe heißt im Polizeijargon „Joint Investigation Team“, in diesem Zusammenhang eine in besonderem Maß treffende Bezeichnung.
Im Juli brachten dessen Mitglieder die Ehefrau und Mutter auf der A62 auf Höhe Landstuhl in einem VW Touareg auf – mit 42 Kilogramm Haschisch auf dem Weg nach Skandinavien. Die Frau kam in Untersuchungshaft, trug aber Behauptungen vor, „die weitere Ermittlungen erforderlich machten“. Die Verdächtige wurde im Januar 2014 aus der Untersuchungshaft entlassen – und umgehend wieder aktiv. Gleiches gilt für den zwischenzeitlich in Spanien inhaftierten Sohn, dem die Flucht aus einem Gefängnis gelang.
Die Familie organisierte im Februar 2014 einen weiteren Drogentransport über das Mittelmeer. Aber sie blieb im Visier der Fahnder. Aus Marokko kommend, wurde die Segelyacht „Lady Blue“ im Hafen La Duquesa südlich von Malaga sichergestellt und durchsucht. Etwa eine Tonne Haschisch befand sich an Bord.
Diese Niederlage, einhergehend mit hohem finanziellem Verlust, befeuerte die Aktivitäten der Kriminellen nur noch mehr. Die „Pirmasenser Zelle" trennte sich, so die Behörden, von ihren Hintermännern in Marokko und zog eine eigene Organisation auf, der sich ein 50-Jähriger und seine 46 Jahre alte Ehefrau anschlossen, beide ebenfalls aus Pirmasens. „Vertraut arbeitsteilig, eingespielt und äußerst konspirativ“, wie die Polizei beschreibt, ging es in gewohntem Stil weiter.
Zugriff auf der L 700
Der Spuk endete vor einigen Tagen mit einer Polizeiaktion auf der L 700 bei Hornbach in der Südwestpfalz. Dort stoppten die Beamten einen kleinen Konvoi aus „Aufklärungsfahrzeug" und Drogentransporter, besetzt mit den Altbekannten. In der Seitenverkleidung ihres Opel Astra Cabrio fanden sich 30 Kilogramm Haschisch.
Nun griffen die Drogenfahnder durch. In Malaga und Melilla, der spanischen Enklave in Nordafrika, und hierzulande in Pirmasens, Hagen und Frankfurt/Main wurden insgesamt 20 Personen vorläufig festgenommen, elf kamen in Untersuchungshaft. Mehrere Tatfahrzeuge, Boote und „Vermögenswerte in siebenstelliger Euro-Höhe" wurden sichergestellt.
Dieser Fall ist nurmehr ein weiterer in einer Reihe ähnlich gelagerter: In jüngerer Vergangenheit häufen sich solche Meldungen über Drogenschmuggel per Yacht. Erst im September war eine aus der Karibik kommende Yacht vor Irland aufgebracht worden – mit Kokain im Wert von 100 Millionen Euro.