Sag mal, Sebastian, kannst du schon sagen, wie der Sommer wird? Wo sollte ich dieses Jahr am besten hinsegeln?“
Unzählige solcher Fragen erreichen mich derzeit, entweder auf Social Media oder auch direkt am Steg. Zumindest auf Letzterem geschieht das meist mit einem Augenzwinkern. Die Menschen wissen schon, dass eine saisonale Wettervorhersage unmöglich ist.
Klar, ich könnte behaupten, dass der Sommer in den einzelnen Monaten wieder wärmer ausfallen wird als im Klimamittel von 1961 bis 1990. Damit würde ich zu 99,9 Prozent recht haben. Aber das ist mittlerweile ein Leichtes, denn in den letzten Jahren gab es kaum noch Monate, die kühler ausgefallen sind.
Zur Erklärung: Für das Klimamittel nimmt man die Temperaturen, Niederschlagsmengen oder auch Sonnenstunden der einzelnen Monate über 30 Jahre, mittelt diese Werte und setzt sie für einzelne Standorte als normal an. Somit wissen wir, dass wir auf Basis dieser 30 Jahre zum Beispiel in Rostock im Juli mit einer Durchschnittstemperatur von etwa 19 °C, einer Niederschlagsmenge von 82 Millimetern und einer mittleren Sonnenscheindauer von gut zehn Stunden rechnen können.
Regen und Sonne sind so eng miteinander verknüpft und so wetterabhängig, dass wir hier kaum genaue Prognosen für Monate im Voraus stellen können.
Aber bei den Temperaturen geht es bergauf. Ungebrochen und auch weiter ziemlich steil. Global gesehen in der Luft, aber auch im Wasser.
Ein Ende ist nicht in Sicht. Und das stellt uns vor große Herausforderungen. Denn gerade im Sommer, wenn die Luft heiß ist, sie dann noch heißer werden kann, ist dies ein guter Nährboden für schwere Unwetter.
Denn in Mitteleuropa müssen wir immer damit rechnen, dass uns Fronten, sprich Tiefausläufer überqueren. Wenn die Luft sich vorher erwärmt hat, kann sie mehr Feuchtigkeit speichern. Je wärmer es global wird, desto mehr Feuchtigkeit verdunstet aus den Meeren in die Luft.
Diese Feuchtigkeit ist der Energieträger in der Atmosphäre. Ist mehr davon vorhanden, macht sich das bei Wetterprozessen durch größere Regenmengen und stärkere Böen bemerkbar.
Regen mag Segler dabei vielleicht nicht so sehr stören wie jemanden an Land, der dann den Keller leerpumpen muss. Interessant wird das beschriebene Phänomen für ihn aber hinsichtlich der stärkeren Böen. Kräftigere Schauerzellen haben eben auch potenziell stärkere Winde.
Ob im Hafen oder unterwegs, können diese Mensch und Material schnell strapazieren. Auch Begleiterscheinungen wie Hagel oder Gewitter sind dabei nicht zu unterschätzen.
Doch solche Wetterlagen entstehen oft recht kurzfristig und sind daher nicht langfristig vorherzusagen. Zwar wissen wir Meteorologen schon relativ früh, wenn eine Unwetterlage droht. Wo genau dann die Schauer mit den Gewittern entstehen und exakt hinziehen werden, sehen wir aber erst im Regen- oder Gewitterradar am betreffenden Tag selbst.
Daher muss man als Crew bei solchen Vorhersagen auf Sicht fahren und seinen Zielhafen so wählen, dass man sicher fest ist, bevor die Unwetter aufziehen.
Anders sieht es mit der Großwetterlage und dem Jetstream aus. Der zeigt bereits sieben bis zehn Tage im Voraus, wie sich das Wetter entwickeln wird. Denn durch ihn werden Tiefs und Fronten gesteuert. Dieses Starkwindband und seine darunterliegende Luftmassengrenze dienen als Trennung zwischen kalter Luft im Norden und warmer im Süden, und zwar das gesamte Jahr über.
Wird diese Linie nun nach Norden in Richtung Skandinavien verschoben – liegen beispielsweise die Nord- wie auch die Ostsee auf der warmen Seite in dieser Luft, kann sich ein Hoch sehr gut etablieren.
Ist die Grenze gar über Nordskandinavien gedrückt worden, hat das Hoch über Mitteleuropa sogar eine Verbindung zu einem Skandinavienhoch. Ein Garant für eine sehr langlebige und stabile Lage. Das sahen wir im Mai bereits sehr eindrücklich.
Insbesondere in der Höhenströmung stellt sich das dann so dar, dass man auf der Wetterkarte den großen griechischen Buchstaben Omega sieht, wenn man den Verlauf mit einem Stift nachzeichnet, von dem dieses typische Omegahoch seinen Namen hat.
Tiefs werden weit um ein solches Druckgebiet herumgeführt, und wer sich in dessen Einflussbereich aufhält, kann sich auf viel Sonnenschein, aber meist auch recht wenig Wind einstellen.
Diese Omegalage kann nun aber auch mal verschoben sein. Ist das Hoch nur leicht ausgeprägt, profitiert man weiter von dem Sonnenschein, hat dabei aber auch recht guten Wind zum Segeln.
Liegt es dagegen über Großbritannien oder dem Baltikum, ist es nur dort sommerlich und sonnig. Die Segelreviere der Nord- und Ostsee geraten in dem Fall aber an den Rand dieses Hochs, wo kalte Luft aus dem Norden in diese südlicher gelegenen Gebiete strömen kann.
Da das Wasser dann jedoch häufig schon warm ist und auch die Sonne viel Kraft hat, das Land aufzuheizen, ergibt sich in dieser Konstellation oft eine Situation, in der kalte Höhenluft über warmer Bodenluft liegt.
Diese beiden Luftmassen tauschen sich dann schlagartig und vertikal aus. Kräftige Schauerwolken bis hin zu Gewittern mit Hagel bilden sich. Und das immer wieder, bis sich die blockierende Wetterlage mit dem Omegahoch im Westen oder Osten wegbewegt oder auflöst.
Solche stabilen Hochs, die sich nicht oder nur sehr langsam bewegen, sehen wir immer öfter auf den Wetterkarten, da die Luftmassen global wärmer werden.
Das kann sogar zu solch bizarren Situationen führen, dass sich sogenannte Heat Domes bilden. Wie eine Käseglocke wird die heiße Luft an Ort und Stelle gefangen, heizt sich immer weiter auf, und ein Austausch umliegender Luftmassen ist nicht mehr möglich. Etwas, was wir bisher verstärkt in der Mittelmeerregion beobachten – so kamen im letzten Sommer etwa die 48 Grad auf Sardinien zustande.
In unseren Breiten kommt es vor allem auf die Entwicklung des Höhenwindes an. Und die Stärke dieses Jetstreams nimmt im Sommer immer häufiger ab.
Der schwächere Höhenwind neigt dann dazu, ebenfalls Wellen auszubilden, in denen sich stabile Hochs entwickeln können. Und Studien zeigen, dass auch der sich abschwächende Golfstrom zu solchen blockierenden Hochs über Europa beiträgt.
Wetterlagen werden also in gewisser Weise stabiler und damit quasi ja auch einfacher vorherzusagen, doch kommt es natürlich darauf an, in welcher Welle des Höhenwindbandes man sich dann befindet.
Ich erinnere nur an letztes Jahr. Von April bis Anfang Juli zeigten sich für gut zwölf Wochen unentwegt Hochs über Europa. Die Befürchtung war, dass wir eventuell wie im Jahr 2018 bis in den Spätherbst mit weiteren Hochs und einer massiven Dürre rechnen müssen.
Doch fielen nach der trockenen Phase der Juli und August anschließend komplett ins Wasser, inklusive Sturm zur ORC-Weltmeisterschaft. Plötzlich lagen wir auf der anderen Seite des Hochs. So waren wir gefangen in einer Art Tiefdruckautobahn, auf der die Tiefs wie an einer Perlenkette von Island und Norwegen immer wieder mit reichlich Regen und Wind über Nord- und Ostsee zogen.
Und ist man dann erst einmal gefangen in den Tiefdrucklagen, sind kaum noch Wetterfenster da, um überhaupt reichlich Seemeilen machen zu können. Steckt man dagegen mitten unter dem Hoch, fehlt trotz bestem Wetter dann oft der passende Segelwind.
Grundsätzlich gilt mittlerweile: Hochs und Tiefs, die sich regelmäßig abwechseln, gibt es kaum noch. Kein Wunder, dass viele nach der Saison resümieren, dass es in der Zeit, in der man los war, entweder zu wenig oder zu viel Wind gab.
Auch in diesem Jahr zeigen sich bereits wieder stabile Omegahochlagen, die unser gesamteuropäisches Wetter über längere Phasen bestimmen. Und selbst wenn all diese Erkenntnisse ein Bild vom bevorstehenden Sommer aufzeigen können, weiß im Detail noch niemand, was uns genau der Segelsommer bringen wird.
Schon gar nicht in den einzigen zwei bis drei Segelwochen, die man dann in den Ferien vielleicht nur Zeit hat.
Allerdings ist so ein Sommer lang und die gesamte Segelsaison ja noch ein Stückchen länger, sodass noch immer ausreichend perfekte Segeltage zu erwarten sind. Ich drücke auf jeden Fall allen die Daumen, die passenden Winde zur rechten Zeit zu finden. Und sollte es Unsicherheiten in den Wetterlagen geben, gibt es ja immer Möglichkeiten, jemanden zu fragen, der sich damit auskennt.