Monsterwellen, im Englischen als Rogue Waves oder Freak Waves bekannt, erreichen die doppelte Höhe der durchschnittlichen Wellen in einem Seegang, was besonders in schweren Stürmen zu gewaltigen Höhen führen kann. Dabei ist es nicht nur das überraschende Auftreten der Monsterwelle in einer ohnehin extremen Situation, sondern die steile Vorderseite, von der die Gefahr ausgeht.
Man geht man davon aus, dass das Phänomen weltweit pro Woche für den Totalverlust von zwei Schiffen verantwortlich ist. Ein bekanntes Beispiel mit deutschem Bezug ist das Verschwinden des Containerfrachters “München” im Jahr 1978 während eines Sturms im Nordatlantik. Die 28 Besatzungsmitglieder des 261 Meter langen Schiffes gelten seitdem als verschollen. Beschädigungen an einem aufgefundenen leeren Rettungsboot deuteten darauf hin, dass Monsterwellen mit einer Höhe von bis zu 35 Metern die “München” getroffen und zu einer so großen Schlagseite geführt hätten, dass sie später gesunken sei.
Aber auch in der Nordsee erzeugen außergewöhnliche Wetterlagen immer wieder Bedingungen, die zur Bildung von gefährlichen Monsterwellen führen. Ein solcher Fall wurde 2013 während des Orkans Xaver knapp 25 Seemeilen nördlich von Borkum dokumentiert: Damals traf eine Welle das immerhin 15 Meter hoch gelegene Zwischendeck der Offshore-Forschungsplattform “Fino” mit solcher Wucht, dass sogar Metall verbogen wurde und Messeinrichtungen im Wert von 120.000 Euro zerstört wurden.
Um die Gefahr für Schiffe und Offshore-Installationen wie Windparks besser einschätzen zu können und effektive Vorhersagemethoden zu entwickeln, führten das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) und das Helmholtz-Zentrum Hereon im Rahmen breit angelegter Forschungen nun ein besonderes Projekt durch - und die Studie Freak Waves II lieferte überraschende Erkenntnisse.
So zeigten die Untersuchungen, dass extreme Monsterwellen im beobachteten Seegebiet häufiger auftreten, als in der Theorie angenommen. Starke Gezeitenströme während einer Sturmperiode können zudem sowohl Häufigkeit wie auch Höhe der Wellen noch zusätzlich steigern. “Das ergab sich aber nicht nur in Situationen, in denen die Welle gegen die Strömung anlief, sondern überraschenderweise auch dann, wenn die Welle in die gleiche Richtung wie die Strömung lief“, sagt Ina Teutsch, Wissenschaftlerin am Helmholtz-Zentrum Hereon.
Für die Studie wurden insgesamt sechs Messbojen überwiegend aus dem Messnetz des BSH im Gebiet der Deutschen Bucht verwendet. Die Häufigkeit der Extremwellen unterscheidet sich dabei von Boje zu Boje. „An der Boje SEE im Flachwasser vor Norderney war etwa jede 5800. Welle eine Extremwelle im Untersuchungszeitraum, damit traten hier im Vergleich die meisten Extremwellen auf“, so Teutsch.
Eine mögliche Erklärung könnte dafür sein, dass sich in Regionen mit schnell ändernden Wassertiefen wie vor Norderney verstärkt sogenannte Solitone bilden - Wellenkämme, die lange stabil bleiben können. Nach Ansicht der Forscher könnten sie mit der Bildung von Monsterwellen im Zusammenhang stehen.
Mit zwei verschiedenen Ansätzen des Maschinellen Lernens, einem Teilbereich der Künstlichen Intelligenz, wurde versucht, die Wahrscheinlichkeit einer Monsterwelle in den kommenden zehn Minuten vorherzusagen. Beide Modelle zeigten bereits vielversprechende Ergebnisse. „Für eine operationelle Anwendbarkeit braucht es aber noch mehr Daten und eventuell eine Erweiterung der Methode in die Fläche“, erklärt Salika Thilakarathne, Wissenschaftler im Freak Wave II Projekt. Auch die Universität Kopenhagen beschäftigt sich bereits seit einiger Zeit mit einem ähnlichen Ziel.