“Heute konnte man das Zusammenspiel von Wind und Temperatur sehr schön erkennen, am besten am Beispiel von Fehmarn“, sagt Sebastian Wache in die Kamera. „Grüne Hölle“, hatte er das Fernsehstudio zuvor genannt. Kein Wunder, sind doch alle Wände um ihn herum und auch der Fußboden grün. Nur so ist es möglich, dass später im TV hinter dem Diplom-Meteorologen die Fehmarnsundbrücke eingeblendet werden kann. Das passiert allerdings erst in der Bearbeitung. Wache erklärt also vor einem für ihn unsichtbaren Bild, wie der auflandige Südwind in nur 14 Kilometer Entfernung vom Sund für einen Temperaturunterschied von acht Grad gesorgt hatte. Diese Art der Wetterpräsentation quasi im Blindflug sei anfangs gewöhnungsbedürftig gewesen. Doch mit der Zeit werde dies zur Routine. „Dass man nicht sieht, worüber man spricht, nimmst du irgendwann gar nicht mehr wahr.“
Wache ist einer von zwölf Meteorologen aus dem Team der von Dr. Meeno Schrader gegründeten Firma Wetter-Welt, die in Kiel ihren Sitz hat. Die beiden gehören zu den bekannten Gesichtern des Unternehmens. Sie sind es, die fast täglich den Menschen auf den Kanälen des NDR das Wetter vorhersagen und erklären. „Auch wenn ich immer nur zwischen anderthalb und zwei Minuten Zeit habe, versuche ich doch, den knapp 300.000 Zuschauern des Schleswig-Holstein-Magazins das Wettergeschehen bestmöglich näherzubringen“, erzählt Wache.
Neben der Vorliebe für alles, was am Himmel passiert, hegt Wache – genau wie sein Chef – eine große Leidenschaft fürs Segeln. Eben deshalb sind es auch Schrader und er, die den meisten Seglern von Veranstaltungen wie der Kieler Woche, der Nordseewoche oder der Travemünder Woche bekannt sind. Darüber hinaus sind die Experten der WetterWelt abseits der Regattabahn für Segler im Einsatz. Sie stellen beispielsweise Langfahrern ihren Routing-Service zur Verfügung. Meist werden sie engagiert, um Seglern das optimale Zeitfenster oder den hinsichtlich der Wetterentwicklung perfekten Weg für eine Ozeanpassage zu berechnen.
Zu ihren Kunden aus dem Umfeld der Weltumsegler und Segelabenteurer gehörten viele Jahre lang unter anderem Dr. Heide und Erich Wilts. Daneben vertrauen deutsche Regatta-Offshore-Profis wie Melwin Fink und Lennart Burke oder Sanni Beucke auf das Know-how der Kieler. „Wenn ein Skipper beispielsweise von den Kanaren zu den Kapverden segelt, stecke ich ihm hier die grünen Punkte als Route ab“, erläutert Wache, während er auf seinen Computerbildschirmen mit unzähligen geöffneten Karten und Werkzeugen mal hierhin, mal dahin klickt.
„Es ist aber wichtig, dass die Segler verstehen, dass diese Wegpunkte nicht als Bahnmarken verstanden werden. Häufig sage ich den Crews, wenn der Dreher schon früher kommt, fahrt ihn aus und wartet nicht, bis ihr meinen Punkt erreicht.“ Es sei schon vorgekommen, dass sich Crews beschwert hätten, weil sie zu stoisch nach Waches Plan navigiert hatten, statt auf unvorhergesehene Windänderungen zu reagieren.
Meine Arbeit für Segler macht mir Spaß. Aber es ist auch eine große Verantwortung, Crews sicher über die Meere zu leiten.« - Sebastian Wache
Die meisten seiner Routings erstellt Wache, indem er verschiedene Wettermodelle und deren Vorhersagen vergleicht und die nach seiner Erfahrung wahrscheinlichste Variante ermittelt. „Für Regattakurse lasse ich häufig am Ende noch einmal das vielen Seglern bekannte Programm ‚Expedition‘ den perfekten Kurs berechnen“, so Wache. „Das aber eher, um sicherzugehen, dass mir ja nichts durch die Lappen gegangen ist.“
Beim Wetter-Routing greift er sowohl auf frei zugängliche als auch auf kostenpflichtige Daten zurück. Darüber hinaus hat die Firma WetterWelt eigene Programme entwickelt, um Prognosen erstellen zu können.
Das Portfolio der Kieler beschränkt sich nicht nur auf Segler. „Meine Kollegen und ich beraten zum Beispiel auch Reedereien oder Kapitäne von Containerschiffen und versuchen, den für sie schnellsten und günstigsten Weg zu finden“, erklärt Wache.
Nach einem kurzen Gang über den Flur stehen wir vor einer Tür. „Das hier ist unser Server-Raum“, erklärt Wache beim Öffnen der Tür. Neben verschiedensten Kartons mit allerlei Kabelsalat ragt direkt vor dem Fenster ein imposanter Server-Turm in die Höhe. Wetter habe nun einmal sehr viel mit der Verarbeitung von teils enormen Datenmengen zu tun, meint er.
Wieder in seinem Büro setzt sich Sebastian Wache an seinen Schreibtisch. Auf seinem linken Monitor hat er eine noch leere Excel-Tabelle aufgerufen, an deren Rand verschiedenste Symbole erklärt sind. „Hier trage ich ein, was später auf der Karte im Fernsehen eingeblendet sein soll“, sagt er. Nachdem er verschiedene Simulationen und gemessene Werte verglichen hat, füllt er nach und nach die leeren Spalten und Zeilen.
Auch wenn Anfang März nicht die Zeit ist, die Symbole für die Glättegefahr einblenden zu lassen, so gibt es verschiedene Parameter vorherzusagen: Luft- und Bodentemperatur, Windrichtung und -stärke, Bewölkung und mehr. „Außerdem lege ich das Bild fest, mit dem ich einsteigen möchte“, erläutert Wache. Später wird die Wahl auf die Fehmarnsundbrücke fallen, um den Zuschauern den windrichtungsbedingten Temperaturunterschied zu erklären.
Neben den Vorhersagen im Radio und im Fernsehen gibt Sebastian Wache in der Saison jeden Donnerstag seine Einschätzungen in Bezug auf die meteorologische Lage in seinem Podcast ab. In „Wassersport. Wochenend. Wetter“ geht er insbesondere auf die Wetterlagen an Nord- und Ostsee ein und beschreibt, wie sich Segler verhalten sollten. Aber auch Großwetterlagen sowie Stürme im Süden der Republik handelt er ab.
Wache ist 40 Jahre alt und Vater eines Sohnes. „Da mich das Wetter schon als Kind sehr faszinierte, stand für mich schnell fest, dass ich es zu meinem Beruf machen möchte“, erinnert er sich. Nach seinem Abitur im Jahr 2005 zog es ihn folglich zum Studium nach Kiel. „Da ich mein Studium am Geomar, dem Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, aber als recht klimalastig empfand, fing ich bereits als Student im zweiten Semester an, bei der Wetter-Welt zu arbeiten“, erzählt er. „Ich wollte mehr angewandtes Wetter mit direktem Draht zum Menschen machen.“
Nach einer dreijährigen Station als Umweltmeteorologe im Bereich der Geruchsgutachten und Ausbreitungsberechnungen habe es ihn schließlich zurück zu seinem jetzigen Arbeitgeber gezogen.
„Stopp du mal eben die Zeit, in der Sebastian redet“, meint der Kameramann am Ufer der Innenförde in Kiel. Der kurze Aufsager soll nur 35 bis 40 Sekunden lang werden. Dann gibt er Wache ein Zeichen und dieser legt los: „Im Norden ziehen...“
Nach exakt 37 Sekunden beendet er seinen Satz und nickt in die Fernsehkamera. Der Kameramann ruft: „Auf den Punkt, perfekt!“ Nachdem sie probeweise in die Audiospur reingehört haben, die ein zweiter Studiomitarbeiter mit einer großen Tonangel eingefangen hat, sind sie zufrieden. Nach etwa zehn Minuten ist alles fertig und der Aufsager von Wache kann später am Abend ausgestrahlt werden.
Während der Wintermonate, in denen auch Waches Schiff an Land steht, ist er häufig für Vorträge quer durch Deutschland unterwegs. „Ich werde sowohl von Segelvereinen als auch -schulen gebucht, um Wetterseminare abzuhalten und mein Wissen weiterzugeben“, erklärt er. „Wenn es nach all den Anfragen ginge, könnte ich von Januar bis März jedes Wochenende Vorträge In seiner Freizeit geht Wache gerne mit seiner Jolle auf der Kieler Innenförde segeln halten, um Menschen, meistens Seglern, etwas übers Wetter zu erzählen“, meint er flapsig. Daneben noch ausreichend Zeit für die Familie zu finden, sei nicht immer ganz einfach.
Ich kann hier mein Hobby mit meiner Leidenschaft für das Wetter verbinden. Ich berate nicht nur Segler, sondern gebe auch Seminare.« - Sebastian Wache
Sebastian Wache wagt darüber hinaus gerne den Blick über den Tellerrand: Das Klima der Erde hat es ihm angetan. Auf seinem Monitor ruft er eine Darstellung der Erde aus 30 Kilometer Höhe auf. „Wir Menschen sind dabei, regelmäßig Stoffe in die empfindliche Erdatmosphäre einzutragen“, erläutert er. „Wenn Elon Musk beispielsweise mehrmals die Woche Raketen ins All schießt, die zunächst durch alle Luftschichten fliegen, ist das ein unnatürlicher Eingriff in die Atmosphäre.“
Demnach würden die Raketen dafür sorgen, dass bei ihrem Verbrennungsprozess Wasserstoff freigesetzt würde, der da nicht hingehöre. „Wir sehen das jetzt schon anhand des Wolkenbildes“, sagt Wache. „Normalerweise sind in dieser Zeit nie so viele Wolken auf den Bildern zu sehen. Der Wasserdampf muss von der Verbrennung der Raketen stammen.“ Dies werde negative Auswirkungen da oben haben, ist sich der Diplom Meteorologe sicher. Das sei den meisten Menschen gar nicht bewusst.
Professioneller Meteorologe, ambitionierter Klimaschützer und passionierter Segler – mit dieser Kombination hat Sebastian Wache ganz offenbar nicht nur einen Beruf gefunden, sondern seine Berufung.