Pascal Schürmann
· 16.04.2018
Mit Versicherungen fürs eigene Boot kennt sich kaum ein Segler wirklich aus. Entsprechend macht viel Halbwissen die Runde. Thomas Gibson klärt auf
Thomas Gibson ist Leiter und Prokurist bei Firmenich Yachtversicherungen. Der gelernte Schifffahrtskaufmann ist selbst begeisterter Segler, zudem beschäftigt er sich seit seiner Jugend mit dem Bau und der Technik von Booten. Seit über 25 Jahren vertreibt er Policen für Wassersportler. In seiner täglichen Arbeit kommen ihm immer wieder Fälle unter, in denen Bootseigner von teilweise oder gänzlich falschen Annahmen hinsichtlich ihres Versicherungsschutzes ausgehen. Für die YACHT hat Gibson daher die zehn verbreitetsten Irrtümer zusammen- und richtiggestellt.
Falsch! Die private Haftpflichtversicherung zahlt in der Regel nicht für Schäden, die aus dem Gebrauch einer Segelyacht mit Hilfsmotor resultieren. Ausgenommen davon sind bei einigen Versicherern Surfboards oder kleinere Jollen. Andere Privathaftpflichtversicherer hingegen schließen bestimmte sportliche Aktivitäten sowie die Benutzung entsprechender Geräte oder Fahrzeuge explizit von der Haftung aus.
Beispiel: Ein Skipper verschätzt sich beim Anlegemanöver und beschädigt mit dem Anker den Seezaun des Nebenliegers. Damit nicht genug, bricht der sich beim Versuch, die ankommende Yacht abzuhalten, auch noch den Fuß. Folge: Der Unfallverursacher muss für sämtliche Schäden, die aufgrund des Personenschadens sehr teuer werden können, geradestehen. Ohne eine Bootshaftpflicht haftet er mit seinem Privatvermögen!
Der Begriff "Feste Taxe" bedeutet nichts anderes als die Festlegung eines festen Betrages beziehungsweise einer pauschalen Versicherungssumme. Der Begriff "Taxe" ist dabei mitunter missverständlich, zumal er im gewöhnlichen Gebrauch kaum bekannt ist. Unterm Strich dient er der Streitvermeidung im Schadenfall. Das funktioniert aber nur, wenn die Versicherungsbedingungen entsprechend eindeutig formuliert sind und nicht anders ausgelegt werden können. Ungemach kann etwa dann drohen, wenn in den Bedingungen eine zeitlich begrenzte "Feste Taxe" vorgesehen ist, zum Beispiel für die Dauer von fünf Jahren. Denn was passiert bei einem Schadenfall, der danach eintritt? Kritisch können auch Formulierungen sein wie "sofern die Versicherungssumme bei Abschluss der Versicherung dem Wert des Schiffes entspricht, gilt diese als Feste Taxe" oder "die Versicherungssumme hat bei Abschluss der Versicherung dem Wert des Bootes zu entsprechen".
Beispiel: Der Eigner einer lange versicherten Yacht erleidet einen Totalverlust. Die Versicherung zahlt ihm jedoch statt der ursprünglich vereinbarten Versicherungssumme lediglich den deutlich geringeren Zeitwert der Yacht aus. Sie beruft sich auf eine Klausel im Vertrag, derzufolge die "Feste Taxe" nur während der ersten fünf Versicherungsjahre Bestand hatte.
Wer sein Boot selber beschädigt, etwa, weil er es auf Grund setzt oder beim Anlegen mit dem Steg kollidiert, müsste ohne Bootskaskopolice die Reparatur aus eigener Tasche zahlen. Dieses Risiko mag mancher bewusst auf sich nehmen. Darüber hinaus sollte aber bedacht werden, dass sich selbst bei einem vermeintlich durch einen Dritten verursachten Schaden nicht automatisch eine Haftung nach § 823 BGB ableiten lässt. Dies ist häufig der Fall, wenn ein Schaden infolge eines technischen Versagens eintritt. Denn im Gegensatz zur Kfz- Versicherung gilt in großen Teilen der Wassersportversicherung nach wie vor der Grundsatz der Verschuldenshaftung. Das heißt, wenn der Schadenverursacher aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht haften muss, bleibt der Geschädigte auf seinen Kosten sitzen – es sei denn, er hat eine Bootskaskoversicherung. Schließlich: Eine Haftpflicht befriedigt nicht nur
Ansprüche Dritter, sondern wehrt auch ungerechtfertigte Ansprüche ab. Bis man zu seinem Recht kommt, können daher Jahre ins Land gehen. Auch in einem solchen Fall fährt man mit einer eigenen Kaskopolice besser.
Beispiel: Infolge eines Kurzschlusses in der fachmännisch installierten Navigationselektronik bricht Feuer aus und greift auch auf die benachbarten Yachten über. Oder: Während des Anlegemanövers reißt der neue Bowdenzug des Gashebels, sodass die Yacht ungebremst ein anderes Schiff rammt und beschädigt. In diesen Fällen haften die Eigner nicht zwangsläufig für die Schäden an den anderen Booten!
Zusätzliche Ausrüstung, die für eine kaskoversicherte Yacht angeschafft wird, ist in der Regel tatsächlich im Rahmen der bestehenden Versicherungssumme automatisch mitversichert. Aber: Ist der Wert einer echten Zusatzausstattung im Verhältnis sehr hoch – zum Beispiel das neue Teakdeck –, erhöht sich faktisch der Gesamtwert der Yacht. Die Versicherungssumme sollte dann entsprechend nach oben angepasst werden. Wird hingegen lediglich ein bereits vorhandener Gegenstand ersetzt, zum Beispiel ein alter gegen einen neuen Motor getauscht, ändert sich am Wert des Schiffes nichts, weil zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses der nun alte Motor ja auch jünger war. Es gilt also immer zu unterscheiden zwischen Werterhalt und Werterhöhung.
Beispiel: Eine Fahrtenyacht wird umfangreich für einen Langfahrttörn ausgerüstet. Die Zusatzausstattung (Passatsegel, Windsteuerung, Solarpaneele, Wassermacher etc.) erreicht dabei einen hohen fünfstelligen Wert, die ursprüngliche Versicherungssumme wird jedoch nicht verändert. Einige Zeit später sinkt das Schiff. Die Versicherung zahlt dann nur die vereinbarte Versicherungssumme. Für die verloren gegangene Zusatzausrüstung gibt es keinen zusätzlichen Ersatz.
Doch, das tun sie, und zwar per Gesetz (§19 VVG)! Vor Abschluss jeder Versicherung hat der neue Versicherer auf dessen aktive Nachfrage das Recht, vom Kunden Informationen zu Vorschäden oder "gefahrerheblichen Umständen" zu erhalten. Anhand dieser Angaben prüft der Versicherer schließlich, ob und wenn ja, zu welchen Konditionen er ein Risiko übernehmen möchte. Wer vorsätzlich und wissentlich maßgebliche Informationen zu Vorschäden oder andere zur Bemessung des Risikos erhebliche Zustände vorenthält, obwohl er danach gefragt worden ist, riskiert im Schadenfall unter Umständen Streit mit der Versicherung.
Gängige Kasko-Policen decken – über die reine Versicherungssumme (Feste Taxe) hinaus – auch Bergungs-, Wrackbeseitigungs- und Wrackentsorgungskosten in meist ausreichenden Dimensionen. Vorsicht ist aber geboten bei älteren Policen, wo diese Kosten nur zusätzlich in Höhe der Versicherungssumme mitversichert sind. Je niedriger dann die Versicherungssumme ist, desto größer das Risiko für den Eigner, im Schadenfall auf einem Teil der Kosten sitzenzubleiben. Empfehlenswert sind mindestens zwei Millionen Euro zusätzlich zur Versicherungssumme, um auf der sicheren Seite zu sein. Ungemach droht auch, wenn die Kosten der Bergung und Beseitigung nur dann gedeckt sind, wenn diese "auf behördliche Anordnung" erfolgt. Denn auch ein privater Marinabetreiber wird vom Eigner eines
gesunkenen Schiffes verlangen, dieses zu heben. Immerhin, die Kosten für die Beseitigung oder Verhinderung von Umweltschäden infolge einer Havarie sind im Rahmen der Bootshaftpflichtversicherung stets gedeckt.
Beispiel: Ein Eigner bringt sein Boot in einem privaten Hafen selbst ins Wasser. Dabei rutscht es so unglücklich vom Trailer, dass es auf die Seite kippt, voll Wasser schlägt und sinkt. Die Kaskoversicherung kommt zwar für den Schaden am Schiff auf, weigert sich aber mit Hinweis auf eine
entsprechende Vertragsklausel, auch die Kosten der Bergung zu übernehmen. Schließlich sei die Entfernung des Bootes aus dem Hafenbecken nicht von einer Behörde, sondern vom privaten Hafenbetreiber verlangt worden. Folge: Der Eigner bleibt auf den Kosten der Bergung sitzen.
Nur bei eindeutigem Verschulden oder einem nachgewiesenen grob fahrlässigen Verhalten seitens des Winterlagerbetreibers (siehe § 3) kann dieser unter Umständen haftbar gemacht werden – wenn zum Beispiel die eigenen Licht- und Kraftanlagen über Jahre nicht gewartet oder geprüft wurden und es dann zu einem Kurzschluss kommt. Solch einen Nachweis zu führen kann im schlimmsten Fall Jahre dauern. Und selbst, wenn eine Betriebshaftpflichtversicherung des Betreibers besteht, schließt diese zumeist Schäden an eingelagerten Booten aus oder deckt diese nur in einem sehr geringen Maße. Wer keine eigene Kaskoversicherung hat, die Schäden verschuldensunabhängig reguliert, geht im Zweifel also leer aus!
Beispiel: Ein vom Hallenbetreiber unverschuldeter Kurzschluss in der Hallenbeleuchtung führt zu einem verheerenden Feuer, dem auch die in der Halle abgestellten Yachten zum Opfer fallen. Eigner, die keine Kaskoversicherung für ihre Boote abgeschlossen haben, erhalten in solch einem Fall keinerlei Schadenersatz. Gleiches gilt, wenn in ein Winterlager eingebrochen und Ausrüstung oder ganze Boote entwendet werden. Oder auch im Falle von Brandstiftung oder bei einem Feuer, dessen Verursacher nicht ermittelt werden können.
Falsch! Lediglich bei neueren auf dem Markt erhältlichen Deckungen verzichten die Versicherer bei kleineren Schäden bis zirka 10 000 Euro von sich aus auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit. Wenn heute indes ein Kaskoversicherer bei einem schweren Schaden von einer "grob fahrlässigen Herbeiführung" ausgeht, wird dessen Regulierung zwar anders als früher nicht mehr gänzlich abgelehnt. Doch gemäß dem seit 2008 gültigen Versicherungsvertragsgesetz (VVG) erstattet der Versicherer den Schaden voraussichtlich nur noch anteilig. Der eindeutige Nachweis der groben Fahrlässigkeit ist ohnehin rechtlich schwierig. Deren Grad wird in einem aufwändigen Verfahren ermittelt. Fachleute sprechen dabei von "quoteln".
Beispiel: Eine Yacht kollidiert in einer Schleuse mit einem bereits festgemachten Schiff, beide Boote werden beschädigt. Die herbeigerufene Wasserschutzpolizei stellt beim Schadenverursacher Alkoholkonsum fest. Daraufhin beruft sich dessen Kaskoversicherer auf grob fahrlässiges Verhalten und ersetzt an seinen Schiff nur einen Teil des Schadens. Fürs fremde Boot kommt seine Bootshaftpflicht voll auf, er muss aber damit rechnen, dass diese ihn in Regress nimmt.
Doch, durchaus! Die besseren am Markt erhältlichen Versicherungen verzichten bei vielen – zumeist unverschuldeten – Ereignissen wie Blitzschlag, Einbruchdiebstahl oder allein durch Dritte verursachte Kollisionen auf die Selbstbeteiligung. Die Prämienrückstufung im Folgejahr nach der Abwicklung eines Schadenfalls hält sich zudem mit durchschnittlich zehn Prozent der Jahresprämie in Grenzen. Ein Blick ins Kleingedruckte vor Vertragsabschluss lohnt also.
Beispiel: Diebe brechen eine Yacht auf und stehlen hochwertige Ausrüstung. Obwohl im Versicherungsvertrag ein Selbstbehalt von mehreren hundert Euro festgeschrieben wurde, ersetzt die Versicherung den Schaden vollständig. Im Folgejahr steigt lediglich die Versicherungssumme um etwa zehn Prozent.
Leider ist das althergebrachte Schadenfreiheitssystem, wie man es aus der Kfz-Versicherung kennt, durch die Vergabe von Vorausrabatten etwas verwässert. 40 Prozent Nachlass werden meist gleich zu Vertragsbeginn von den Versicherern gewährt. Eine weitere Reduzierung der Prämie erfolgt danach aber nicht. Hinzu kommen lediglich sogenannte "Schadenfreiheits- Rabattretter", die Kunden nach mehreren schadenfreien Jahren gutgeschrieben werden und die sie in einem dann folgenden Schadenfall vor einer Rückstufung in der Prämie absichern. Zusätzlich werden bei einigen wenigen Anbietern langfristig schadenfreie Kunden im Laufe der Zeit mit einer sich reduzierenden Selbstbeteiligung im Schadenfall belohnt.
Beispiel: Ein Eigner schließt für sein Schiff eine neue Kaskopolice ab und erhält auf die Jahresprämie gleich zu Anfang 40 Prozent Rabatt. In den Folgejahren sinkt die Prämie dann nicht weiter. Im Gegenteil: Macht der Versicherte in den ersten Jahren einen Schaden geltend, steigt die Prämie um etwa zehn Prozent. Erst nach fünf schadenfreien Jahren profitiert der Eigner von einem Rabattretter, der ihn in einem danach eintretenden Schadenfall vor solch einem Prämienanstieg bewahrt.
Vor Abschluss einer Bootsversicherung sollte stets eine individuelle Beratung erfolgen. Die im Artikel enthaltenen Informationen können diese nicht ersetzen, und sie stellen insbesondere weder eine Rechtsberatung noch einen Vergleich der am Bootsversicherungsmarkt erhältlichen Produkte dar. Sie liefern jedoch gute Anhaltspunkte, woraufhin man seine bestehende oder auch eine neue Police abklopfen sollte.