RechtWie der Klimawandel den Yachtbereich verändert

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 · 01.08.2024

Recht: Wie der Klimawandel den Yachtbereich verändertFoto: Stephen Cordory
Dicke Luft: Seit dem 1. Januar 2024 gilt das EU-ETS auch für den See- und Schiffsverkehr, also auch für Yachten. Bis dato fallen allerdings nur Formate mit einem Innenraumvolumen von 5.000 Gross Tons und mehr unter die Richtlinie
Der Klimawandel ist eine drängende globale politische Frage und stellt möglicherweise die wichtigste Herausforderung unserer Zeit dar. Der Einsatz gegen den Klimawandel betrifft nicht nur unseren Alltag, sondern auch die Yachtbranche und wird weitreichende Veränderungen mit sich bringen. EU-ETS ist ein Schlagwort, das in der Schifffahrt sowie im Yachting für umweltbezogene Veränderungen sorgt

Das EU-ETS ist schnell zu erklären und tatsächlich kein neues politisches Instrument. Die europäische Klimapolitik arbeitet seit Langem darauf hin, dass alle Mitgliedstaaten bis 2050 klimaneutral sind (net zero). Das Ziel der Europäischen Union (EU) ist es, die Treibhausgas-Emissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Hier setzt EU-ETS an: Der europäische Emissionshandel (also das EU Emission Trading Scheme – genannt EU-ETS) zählt bereits seit 2005 zu den zentralen Klimaschutzinstrumenten der EU und ist insbesondere auf die Industrie ausgerichtet. Das EU-ETS basiert auf der sogenannten Treibhausgas-Emissionszertifikate-Richtlinie und soll auf eine kosteneffiziente Verringerung von Treibhausgas-Emissionen hinwirken.

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Die Grundidee des ETS

Auf diesem Wege soll das formulierte Ziel der EU – Klimaneutralität – und damit ein Ziel des Klimaschutzübereinkommens von Paris erreicht werden. Die Grundidee des ETS ist eigentlich betriebswirtschaftlicher Natur. Mit dem politischen Willen und der Notwendigkeit, den Klimawandel zu stoppen, setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Belastung von Umweltressourcen lediglich begrenzt möglich und Belastungsberechtigung damit in sich als werthaltig zu betrachten ist. Sinken erlaubte Belastungsgrenzen, steigt der Preis der Belastungsberechtigung – dies legt die Grundlage für das gesellschaftspolitische Instrument EU-ETS. Der CO2-Ausstoß wird bepreist bzw. mit dem Recht, ein gewisses Maß CO2 ausstoßen zu dürfen, gehandelt.

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Darf es noch etwas Detailwissen sein? Dem EU-ETS liegt das Cap & Trade System zugrunde: Mithilfe einer jährlich sinkenden Obergrenze (Cap) wird festgelegt, wie viele Treibhausgas-Emissionen von den betroffenen Anlagen insgesamt ausgestoßen werden dürfen. Unter Berücksichtigung dieser Obergrenze geben die Mitgliedstaaten eine bestimmte Menge an Emissionszertifikaten („Allowances“) aus, die entweder versteigert oder von den Betroffenen auf dem EU-Kohlenstoffmarkt erworben werden können. Die Zertifikate können frei gehandelt werden (Trade), wodurch sich ein Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen bildet. Die steigende CO2-Bepreisung soll es wirtschaftlich interessant machen, die Treibhausgas-Emissionen (weiter) zu reduzieren und so einen entscheidenden Anteil zur Erreichung der Klimaziele beitragen. Nach Angaben der EU-Kommission hat dieses System beispielsweise inzwischen dazu geführt, die Emissionen von Kraftwerken um 37 Prozent zu senken.

EU-ETS im Yachting – was gibt es Neues?

Bereits seit 2012 unterliegt der innereuropäische Luftverkehr dem EU-ETS. Eine Änderung der Treibhausgas-Emissionszertifikate-Richtlinie aus dem Juni 2023 sieht nun vor, dass das EU-ETS ab dem 1. Januar 2024 auch für Treibhausgas-Emissionen aus dem See- und Schiffsverkehr gilt. Sie werden sich nun fragen, ob Sie ebenfalls betroffen sind. Zuvor möchten wir die Bedeutung der Emissionen auf See für die europäischen Klimaziele einmal verdeutlichen: Der Schiffsverkehr ist für rund vier Prozent aller Treibhausgas-Emissionen der EU verantwortlich. Tendenz steigend. Beim maritimen Sektor handelt es sich im europäischen Vergleich um den Bereich mit den am schnellsten steigenden Treibhausgas-Emissionen. Dies ist vor allem auf die Zunahme des internationalen Handelsvolumens auf dem Seeweg zurückzuführen, sicher spielen aber auch Yachten, deren durchschnittliche Größe seit Jahren beständig ansteigt, eine Rolle.

Was bedeuten diese Zahlen und Tendenzen für die Erreichung der Klimaziele? Tatsächlich werden die durch Schiffe verursachten Emissionen im Vergleich zum Stand von 2020 (!) im Jahr 2025 um zwei Prozent und im Jahr 2050 um 80 Prozent sinken müssen. Konkret bedeutet das, dass ab 2025 – bei sinkender Emissionsberechtigung – 40 Prozent der für 2024 emittierten Treibhausgase, die in den Anwendungsbereich dieser Vorschriften fallen, von Emissionszertifikaten gedeckt sein müssen. 2026 wird der Wert auf 70 Prozent der für 2025 emittierten Treibhausgase erhöht. Ab 2027 schließlich sind 100 Prozent der für 2026 und jedes Folgejahr emittierten Treibhausgase zu zertifizieren.

Fällt Ihre Yacht in den Anwendungsbereich des EU-ETS?

Um die Gretchenfrage des EU-ETS beantworten zu können, müssen Sie folgenden Hintergrund kennen: Im Jahr 2023 wurde neben der grundsätzlichen Erstreckung des EU-ETS auf die Schifffahrt auch eine aus dem Jahr 2015 stammende Verordnung, die sogenannte EU-MRV-Seeverkehrsverordnung, geändert. Diese Verordnung ist ebenfalls zentral, denn sie gibt Aufschluss über den Anwendungsbereich der Regelungen des EU-ETS. Die EU-MRV-Seeverkehrsverordnung gilt nunmehr für Schiffe und Yachten ab einer Bruttoraumzahl von 5000 (also 5000 Gross Tons). Damit sind die meisten existierenden Yachten zunächst einmal noch immer vom Anwendungsbereich der EU-ETS ausgenommen. Die Frage ist allerdings, wann eine erneute Erweiterung des Anwendungsbereiches ansteht.

Wie funktioniert nun EU-ETS für die Yachten, die tatsächlich in den (noch) engen Anwendungsbereich fallen? Für die Zwecke des Emissionshandels werden die Emissionen gemessen und bepreist: „die während der Fahrten zur gewerblichen Beförderung von Gütern oder Personen von dem letzten Anlaufhafen dieser Schiffe zu einem anderen Anlaufhafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zum nächsten Anlaufhafen sowie beim Aufenthalt in einem Anlaufhafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats freigesetzt werden.“

Auch die räumliche Anwendung der Vorschriften ist detailliert geregelt – ein Paradies für Bürokraten. EU-ETS erfasst Schiffe, die zwischen Häfen von zwei Mitgliedstaaten fahren, Schiffe, die von einem EU-Hafen in einen Nicht-EU-Hafen fahren; und umgekehrt. Der Unterschied ist nun, dass für Fahrten zwischen zwei EU-Häfen Zertifikate für 100 Prozent der Emissionen erworben werden müssen und für Fahrten von bzw. zu nur einem EU-Hafen lediglich für 50 Prozent der Emissionen. Quizfrage: Was ist mit Emissionen, die von einem Schiff in einem EU-Hafen verursacht werden? Richtig, diese sind zu 100 Prozent durch den Kauf von Zertifikaten zu kompensieren.

Die neue Bedeutung gewerblicher Nutzung

Ausgehend von den genannten Bestimmungen ist die Frage der Nutzung eines Schiffes zur „gewerblichen Beförderung“, das heißt zu gewerblichen Zwecken (Commercial Purpose) von entscheidender Bedeutung. Was bedeutet ein Commercial Purpose, und wann ist er anzunehmen? Zunächst ist der Begriff der Gewerblichkeit der Nutzung einer Yacht ein Begriff, der im Zusammenhang mit deren Registrierung aufkommt. Yachten werden beispielsweise oftmals dann als „commercial“ registriert, wenn sie in einem gewerblichen Charterbetrieb laufen. Die konkreten Voraussetzungen hängen vom Ort der Registrierung ab. Hat der kommerzielle Charterbetrieb nun zur Folge, dass für die verursachten Treibhausgas-Emissionen automatisch Zertifikate gekauft werden müssen?

Die Ausweitung des EU-ETS auf den Seeverkehr sowie die dem EU-ETS zugrunde liegenden Erwägungen lassen dies vermuten. Und doch kommt es entscheidend auf den Einzelfall an. Ausschlaggebend ist dabei, wie der Terminus Commercial Purpose auszulegen ist. Leider findet sich keine universelle Definition dieses Begriffes. Es werden einige Beispiele genannt, die nicht mehr unter die Bezeichnung Commercial Purpose fallen. Die Erwägungen in der EU-MRV-Seeverkehrsverordnung muten geradezu lustig an, versucht man, sie auf eine Großyacht zu übertragen. So heißt es:

„[…] sollten darin keine Überwachungs-, Berichterstattungs- und Prüfungsanforderungen für Schiffsbewegungen und Tätigkeiten festgelegt werden, die nicht der gewerblichen Beförderung von Gütern oder Personen dienen, wie beispielsweise das Ausbaggern, das Eisbrechen, die Rohrverlegung oder Tätigkeiten auf Offshore-Anlagen.“

Nun wird wohl in den seltensten Fällen eine Superyacht für derartige Zwecke verwendet werden; gewerblich genutzte Superyachten sind also zumindest nicht von vornherein aus dem Anwendungsbereich des EU-ETS ausgenommen. Fallen sie aber damit automatisch in den Anwendungsbereich?

Bei der Vercharterung eines Schiffes liegt nahe, dass diese vorrangig zur Gewinnerzielung erfolgt, was wiederum einem kommerziellen Zweck entsprechen würde. Klar bestimmt ist dies indes nicht. Der europäische Gesetzgeber beschränkt sich lediglich auf die Aussage, dass Schiffe, die für nicht-kommerzielle Zwecke verwendet werden, nicht dem Anwendungsbereich der EU MRV-Seeverkehrsordnung unterfallen. Es zeichnet sich daher ab, dass der Frage der Gewinnerzielungsabsicht der mit der Yacht unternommenen Tätigkeit im Zuge der anstehenden Grenzziehungen eine ganz erhebliche Bedeutung zukommen wird. Weitere Auslegungshinweise können aus der Definition von Kreuzfahrtschiffen und aus der gewerblichen Luftfahrt abgeleitet werden.

Ob aber die sich hier ergebenden Unterscheidungen auch auf Yachten übertragen werden können, ist noch unklar. Letztlich wird jeder Einzelfall zu bewerten sein. Sicher ist, dass derjenige, der vermeiden möchte, bei gewerblicher Registrierung seiner Großyacht über das EU-ETS zu stolpern, diese Problematik zeitnah betrachten sollte.

EU-ETS ist für weite Teile des Yachtmarktes momentan lediglich eine Entwicklung am Horizont. In welcher Weise zukünftig auch kleinere Yachten einbezogen werden, bleibt abzuwarten. Die augenblicklichen politischen Diskussionen im Verkehrssektor lassen vermuten, dass zeitnah weitere Entwicklungen anstehen könnten. Es bleibt also spannend.


Experten für alle Fragen des Yachtrechts

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Die Yachtanwälte Dr. Tim Schommer (tim.schommer@clydeco.com) und Dr. Volker Lücke (volker.luecke@clydeco.com) betreuen seit über 18 Jahren Yachtmandate aus dem In- und Ausland. Sie beraten im Rahmen der Planungs- und Bauphase, des An- und Verkaufs, der Eignerstruktur, des Yachtbetriebs inklusive Versicherung, Crewing und Charter sowie der Abwicklung von Schäden und Ansprüchen Dritter.


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