RechtWer haftet, wenn der Segelschüler Mist baut?

Pascal Schürmann

 · 05.07.2023

Recht: Wer haftet, wenn der Segelschüler Mist baut?Foto: YACHT/N. Günter
Manövertraining. Auf solchen und ähnlichen Törns tragen die Ausbilder eine besondere Verantwortung
Steht ein Segler während eines Ausbildungstörns am Steuer und manövriert das Boot auf die Pier, muss er in der Regel nicht für den entstandenen Schaden aufkommen. Das hat vorige Woche das Amtsgericht München entschieden

Hand aufs Herz, wer hat nicht schon mal im Eifer des Anlegemanövers Steuerbord und Backbord verwechselt? So auch ein Segelschüler, der 2022 an einem Ausbildungstörn in Kroatien teilgenommen hatte. Der Törn sollte ihn auf den Erwerb eines Sportküstenschifferscheins vorbereiten.

Keine grobe Fahrlässigkeit, wenn ein Schüler ein Manöver falsch ausführt

Zwei Tage vor dem Prüfungstermin sollte er auf Anweisung des Segellehrers einen Anleger fahren. Dabei steuerte er die Yacht auf eine Betonpier, weil er entgegen der Anweisung des Schiffsführers nicht nach Steuerbord fuhr. Infolge der Kollision entstand am Boot ein Schaden in Höhe von knapp 2.000 Euro.

Die Yacht war vom Veranstalter des Ausbildungstörns vor Ort gechartert worden. Der Ausbilder ersetzte daher dem Vercharterer den Schaden, wollte sich anschließend aber das Geld vom Segelschüler erstatten lassen. Dieser habe schließlich seine Anweisungen nicht befolgt. Der Segelschüler weigerte sich jedoch zu zahlen. Der Ausbilder ging vor Gericht.

Dort scheiterte er nun in erster Instanz mit seiner Klage. Das Amtsgericht München urteilte am 29. Juni, dass „der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Beschädigung des gecharterten Segelbootes hat. Ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB (i. V. m. Vertrag) wegen einer Pflichtverletzung des Beklagten anlässlich des Anlegemanövers besteht nicht” (Az. 191 C 14599/22).

Bei Segelschülern ist die Haftungsfrage analog zu Kfz-Fahrschülern zu behandeln

In der Begründung heißt es, dass an ähnliche Haftungsfälle aus der Ausbildungspraxis von Kfz-Fahrschülern angeknüpft werden könne. Nach dem geschlossenen Vertrag schuldete der Ausbilder dem Schüler eine Ausbildung zum Führen von Segelbooten. Der Beklagte sei also “Schüler” gewesen. Daher müsse auf die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ dieses Verkehrskreises abgestellt werden, also auf einen Segelschüler im Ausbildungsstand des Beklagten.

Der Ausbilder konnte nicht belegen, dass von einem Segelschüler dieses Ausbildungsstandes das fehlerfreie Ausführen des Anlegemanövers erwartet werden konnte und musste, so das Gericht weiter. Allein der Vortrag „entgegen der Anweisung das Ruder nicht Steuerbord gelenkt“ zu haben, versetze das Gericht nicht in die Lage, hieraus eine objektive Pflichtverletzung des Beklagten anzunehmen. Dazu hätte dargestellt werden müssen, warum der Schiffsführer nicht eingegriffen hatte oder nicht eingreifen konnte.

Segellehrer müssen jederzeit bereit sein einzugreifen

Der Schiffsführer hätte jedoch immer bereit sein müssen, selbst einzugreifen – wie ein Kfz-Fahrlehrer –, wenn der Schüler ein Manöver durchführen soll. Der Kläger trägt nicht vor, dass der Beklagte eine völlig fernliegende – und von seinem Ausbildungsstand nicht zu erahnende – Reaktion gezeigt oder Handlung vorgenommen hatte, die auch den Schiffsführer überraschen musste.

Vielmehr sei einer Ausbildung immanent, dass zuvor Gelerntes noch nicht sofort und immer fehlerfrei vom Schüler umgesetzt werde. Dieses Risiko trage der Ausbilder, nicht der Schüler.

Zudem meint das Gericht, “dass zugunsten des Beklagten ein privilegierter Haftungsmaßstab gilt: Die Auslegung des Vertrages ergibt, dass ein stillschweigender Haftungsausschluss bei einfacher Fahrlässigkeit vereinbart wurde. Insoweit muss nämlich der (großzügige) Haftungsausschluss zugunsten des Klägers auch reziprok für den Beklagten als Schüler gelten. Dies gilt erst recht, weil gegenüber dem Beklagten kein Hinweis auf die erheblichen Haftungsrisiken erfolgte. Eine grobe Fahrlässigkeit des Beklagten steht aber nicht im Raum.“

Das Urteil ist Stand 5. Juli 2023 noch nicht rechtskräftig; der Kläger kann noch Rechtsmittel einlegen.

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