RechtMüssen Papierseekarten laufend berichtigt werden?

YACHT-Redaktion

 · 22.03.2025

Papierseekarten sind auf Sportbooten Pflicht. Fraglich ist, ab wann sie bei Polizeikontrollen als veraltet gelten müssen.
Foto: YACHT/B. Scheurer
Der langjährige Seeunfalluntersucher Jürgen Albers nimmt Stellung zur Frage, wann Papierseekarten bei Polizeikontrollen an Bord als aktuell akzeptiert werden sollten.

Viele Sportboote haben heutzutage als Hauptnavigationsmittel einen GPS-Kartenplotter mit digitaler Seekarte, was nach der derzeitigen Rechtslage leider nur als zusätzliches Hilfsmittel gilt. Dabei hat diese Form der elektronischen Navigation einen erheblichen Vorteil gegenüber der Arbeit mit Papierseekarten: Weil nämlich das Gerät im Hintergrund automatisch auf der elektronischen Seekarte den Track aufzeichnet, hat der Skipper mehr Zeit für den Ausguck und um das Sportboot sicher zu führen.


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Für den Fall, dass der Kartenplotter ausfällt, müssen nach derzeitiger Rechtslage als Backup Papierseekarten an Bord sein. Der Gesetzgeber und auch der Deutsche Segler-Verband (DSV) sind der Meinung, dass diese – zugelassen sind neben den amtlichen Seekarten auch sogenannte nichtamtliche Sportbootkarten – mit den Nachrichten für Seefahrer (NfS) auf den neuesten Stand aktualisiert sein müssen. Die Vorschriftenlage wird von Schifffahrtsjuristen jedoch anders gesehen. Das und warum die NfS auch gar nicht dazu geeignet sind, nichtamtliche Seekarten zu aktualisieren, versuche ich nachfolgend zu erklären.

Seit über 60 Jahren bin ich auf eigenem Kiel auf dem Wasser. Angefangen auf der Optimisten-Jolle, gefolgt von OK-Jolle und Jollenkreuzer bis hin zum denkmalgeschützten 25-Meter-Giekewer „Frieda“. Mein Studium habe ich dadurch finanziert, dass ich mit verhaltensauffälligen Jugendlichen in Jugendwanderkuttern auf Elbe und Ostsee gesegelt bin. Wir hatten damals an Bord nur einen Kompass und alte Seekarten, auf denen die Steuerbordtonnen noch schwarz bezeichnet waren, obwohl es schon das Betonnungssystem A gab – mit Grün an Steuerbord.

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Legendär waren später die Fahrten mit in Kunststoff eingeschweißten Karten aus der Luftfahrt, mit denen man schöne Zielfahrten mit dem Funkpeiler nach Bornholm machen konnte – angekommen sind wir immer. Da ich heute überwiegend auf der Ostsee segle, werden die Seekarten bei mir, wie bei vielen anderen erfahrenen Freizeitseglern auch, nicht regelmäßig aktualisiert, sondern nach rund fünf Jahren ausgetauscht, weil sie dann durch den Gebrauch verschlissen sind.

Nur einen Kartenplotter an Bord zu haben reicht nicht

Die Berufsschifffahrt fährt heutzutage überwiegend mit elektronischen Seekarten auf ECDIS-Anlagen (Electronic Chart Display and Information System) mit zugelassener Hardware, Software und den tagesaktuellen digitalen Seekarten-Daten sowie weiteren Informationen. Wenn noch amtliche Papierseekarten an Bord sind, dann sind es aus Kostengründen die British Admiralty Charts und nicht die Seekarten vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH).

Nachdem die Herausgabe der vom BSH speziell für Sportboote hergestellten kleinformatigen Seekarten eingestellt wurde, haben sich mehrere private Seekartenhersteller am Markt positioniert, die ihr Produkt natürlich in jedem Jahr neu verkaufen möchten.

Vor diesem Hintergrund muss man die von der Wasserschutzpolizei an den deutschen Küsten 2024 durchgeführten Maritime Safety Days sehen. Dabei wurden von Freizeitseglern Bußgelder für Ordnungswidrigkeiten (OWi) verlangt, wenn sie nur einen Kartenplotter mit digitalen Seekarten oder wenn sie veraltete, nicht aktualisierte Papierseekarten an Bord hatten.

Die in Deutschland hergestellten nichtamtlichen Seekarten entsprechen nicht allen Vorgaben der Internationalen Hydrographischen Organisation.

Es ist leider richtig, dass es eine OWi darstellt, wenn nur Kartenplotter an Bord betrieben werden. Für eine nicht wöchentlich aktualisierte Papierseekarte ein Bußgeld zu verlangen gibt die derzeitige Gesetzeslage in Deutschland jedoch gar nicht her.

Berichtigungswesen des BSH nur bedingt nutzbar

Diesen Sachverhalt habe ich mit ausführlicher Begründung der Wasserschutzpolizei, dem DSV und dem zuständigen Ministerium in Bonn mitgeteilt. Die Wasserschutzpolizei hat bisher nicht geantwortet, das Ministerium, Fachreferat WS 23 (Sicherheit in der Sportschifffahrt), hat geschrieben, dass es zulässig ist, nichtamtliche Seekarten zu nutzen, die jedoch laufend durch die wöchentlich erscheinenden NfS zu aktualisieren sind. Das Ministerium verkennt jedoch, dass für nichtamtliche Seekarten das Berichtigungswesen des BSH nur bedingt genutzt werden kann. Die NfS werden speziell für die nach der INT-Normung der Internationalen Hydrographischen Organisation (IHO) hergestellten BSH-Seekarten herausgegeben, nachzulesen in der jährlich im Januar erscheinenden NfS Nr. 1.

Diese amtlichen Seekarten sind anders nummeriert und bezeichnet als die nichtamtlichen. Eine Aktualisierung auf Basis der NfS kann unter Umständen gar nicht in eine nichtamtliche Sportbootkarte eingetragen werden, weil das zu ändernde Symbol anders dargestellt ist oder fehlt. Die in Deutschland hergestellten nichtamtlichen Seekarten sind unterschiedlich und entsprechen, wie deren Bezeichnung schon sagt, nicht unbedingt den Vorgaben der IHO hinsichtlich eines einheitlichen Kartenbilds mit identischen Symbolen, Farben, Kartenzeichen und Beschriftungen.

Die NfS eignen sich daher nicht zum Aktualisieren der nicht vom BSH herausgegebenen Seekarten. Einige Hersteller haben deshalb einen eigenen Berichtigungs-Service, jedoch erfolgt die Herausgabe nur wenige Male pro Saison. In seinem Schreiben beruft sich das Referat WS 23 auf den § 13 Abs. 1 Nr. 2 der Schiffssicherheitsverordnung (SchSV). Diese Vorschrift begründet Verhaltenspflichten. Sie beginnt mit „auf der Brücke“, gefolgt von einer alphabetischen Aufzählung von notwendigen Unterlagen.

Pflicht zum Mitführen aktualisierter Papierseekarten?

Auf Sportbooten gibt es in der Regel aber gar keine Kommandobrücken, bei kleinen Booten noch nicht mal einen Navigationstisch. Auch die in der Vorschrift geforderten amtlichen Handbücher und Unterlagen sucht man auf Sportbooten vergebens, denn es ist regelmäßig weder Platz für sie noch für die amtlichen Seekarten im DIN-A0Format noch für die Aufbewahrung der NfS des laufenden Jahres sowie der vorangegangenen zwei Jahre.

Aus diesem nachvollziehbaren Grund gibt es in der SchSV auch jeweils die Ausnahme, dass die aufgezählten amtlichen Dokumente und insbesondere amtliche Ausgaben von Seekarten an Bord privat genutzter Sportboote nicht mitgeführt werden müssen. Auch der Verweis des § 13 SchSV auf den Abschnitt C.1.4 der Anlage 1 ist eindeutig nicht für Sportbootfahrer bestimmt. In Nr. 3 – Amtliche nautische Veröffentlichungen – wird unter expliziter Bezugnahme auf die Ausnahme von SOLAS Kapitel V Regel 2 Abs. 2, Regel 19 Abs. 2.1.4 und insbesondere auch auf Regel 27 hingewiesen.

SOLAS, Safety of Life at Sea, ist ein internationales Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See und legt Mindeststandards für die Sicherheit von Schiffen fest. Das Regelwerk entstand schon 1913 in Reaktion auf den Untergang der „Titanic“. SOLAS Kap. V gilt zwar auch für Sportboote, jedoch kann die Verwaltung (das Ministerium) nach Regel 1 Abs. 1.4 festlegen, in welchem Umfang bestimmte Regeln für Schiffe mit einer Bruttoraumzahl unter 150 Tonnen keine Anwendung finden. Regel 27 SOLAS besagt, dass die Seekarten für die beabsichtigte Reise angemessen und auf dem neuesten Stand sein müssen. Der Normgeber (das Ministerium) hat in Anlage C.1.4 Nr. 3 jedoch ausdrücklich und zweifelsfrei festgelegt, dass diese Vorschrift nicht für privat genutzte Sportboote gilt, und somit bestimmt, dass Regel 27 SOLAS dort keine Anwendung findet.

Abseits juristischer Kategorien ist dringend anzuraten, dass Sportbootfahrer, die das Wattgebiet befahren oder nachts segeln, die neuesten Seekarten nutzen.

Insofern besteht für die fachlich durchaus nachvollziehbaren Überlegungen des Ministeriums und auch des DSV, eine Pflicht zum Mitführen aktualisierter Papierseekarten auf privat genutzten Sportbooten zu konstruieren, juristisch betrachtet kein Raum.

Papierseekarten zu aktualisieren ist Sorgfaltspflicht

Abseits juristischer Kategorien ist es nicht nur im Sinne der „seemännischen Sorgfaltspflichten“, sondern auch im eigenen Sicherheitsinteresse jedoch dringend anzuraten, dass Sportbootfahrer, die beispielsweise das Wattgebiet befahren, nachts segeln oder ein neues, unbekanntes Seegebiet befahren, die neuesten und möglichst aktualisierte Seekarten für die Reiseplanung an Bord nutzen.

Eine OWi-bewehrte Verpflichtung, die Seekarten an Bord privat genutzter Sportboote laufend zu berichtigen, ist nach derzeitiger Rechtslage aber nicht zu erkennen. Leider sieht der Verordnungsgeber bisher keine Veranlassung, den Text der SchSV im Sinne der Wassersportler verständlicher zu formulieren. Und der Dachverband der Segler, der DSV, vertritt wohl auch eher die Interessen der Seekartenhersteller.

Um eine unberechtigte Bestrafung abzuwenden, ist zu empfehlen, die Papierseekarten immer auf dem aktuellen Stand zu halten. Auch mit dem nicht für diesen Zweck gedachten NfS-Berichtigungssystem.

Bastelstunde für Navigatoren

So wird mithilfe entsprechender Berichtigungsbögen, die von den Verlagen zur Verfügung gestellt werden, die Papierkarte auf den aktuellen Stand gebracht.

1. Vergleichen

HanseNautic, Kartenberichtigung (Hamburg, 20.12.2010)
Redakteur: Alexander WormsFoto: YACHT/B. Scheurer

Zunächst sollte man das kostenlose Aktualisierungs-PDF (links im Bild) des jeweiligen Karten­verlags herunterladen. Meist erübrigt sich damit der Kauf eines Papier-Berich­tigungssatzes (rechts). Mitunter jedoch ändert ein Anbie­ter etwa den Maßstab oder den Aus­schnitt einer Karte und legt sie als komplettes Ersatzblatt dem Berichtigungssatz bei. Ein Update per Online-PDF ist dann nicht mög­lich.

2. Lesen

HanseNautic, Kartenberichtigung (Hamburg, 20.12.2010)
Redakteur: Alexander WormsFoto: YACHT/B. Scheurer

Zunächst sämtliche Anwei­sun­gen des Berichtigungssatzes genau studieren und die Hinweise den jeweiligen Blättern des betreffenden Kartensatzes zuordnen. Ist für eine Änderung kein Deckblatt zum Aufkleben vorhanden, die neuen Angaben mit wasserfestem Stift in die Karte übertragen. Zu­vor die nicht länger aktuellen Informa­tionen vorsichtig mit Rasierklinge oder schar­fem Skalpell wegkratzen.

3. Ausschneiden

HanseNautic, Kartenberichtigung (Hamburg, 20.12.2010)
Redakteur: Alexander WormsFoto: YACHT/B. Scheurer

Ein Berichtigungs­satz enthält meist mehrere kleine Deck­blätter. Daher das PDF auf hochwerti­gem Papier farbig ausdrucken. Möglichst keinen Tintenstrahldrucker verwenden. Laserdrucke hingegen sind bei Nässe farbbeständig. In der Kaufver­sion sind die Deckblätter auf See­kartenpapier ent­halten. Deckblätter exakt an den Rändern entlang nacheinander ausschneiden, um Verwechslungen zu vermeiden.

4. Aufkleben

HanseNautic, Kartenberichtigung (Hamburg, 20.12.2010)
Redakteur: Alexander WormsFoto: YACHT/B. Scheurer

Sauber arbeiten und die Karte erst zusammenlegen, wenn der Kleber getrocknet ist. Beim Einpassen des Deckblatts helfen Küsten- oder Tiefenlinien bei der Orientierung. Bei den Papier-Updates ist jedes Deckblatt nur einmal vorhanden. Geht es kaputt, ist der Korrektursatz unvollständig. Zum Schluss auf jedem Blatt eines Kartensatzes am Rand den Stand der Aktualisierung vermerken und wer sie vorgenommen hat.


Jürgen Albers

Ehemaliger stellvertretender Direktor der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung Jürgen AlbersFoto: S. ReinekeEhemaliger stellvertretender Direktor der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung Jürgen Albers

Der 67-jährige Schiffbauingenieur war von 2002 bis 2023 stellvertretender Direktor der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung und ist seit Rentenbeginn wieder als Sachverständiger selbstständig. Albers segelt seit früher Jugend auf Nord- und Ostsee.

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