RechtÄnderungen der Schiffssicherheitsverordnung – Mehr Sicherheit oder nur mehr Bürokratie?

Benyamin Tanis

 · 25.04.2025

Recht: Änderungen der Schiffssicherheitsverordnung – Mehr Sicherheit oder nur mehr Bürokratie?Foto: Thomas Eisenkrätzer
Die Betreiber von Traditionsschiffen profitieren von den neuen Regelungen.
Seit dem 30. November 2024 gelten Änderungen der Schiffssicherheitsverordnung (SchSV). Sie sollen mehr Schutz bringen und Bürokratie abbauen. Halten sie diese Versprechen wirklich? Ein kritischer Blick auf die Neuerungen.

Die novellierte Schiffssicherheitsverordnung (SchSV) besteht aus einem Text, der so viele Querverweise und Verschachtelungen enthält, dass es dem typischen Anwender schwerfallen dürfte, die neuen Regelungen zu verstehen und zu interpretieren.


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Entsprechend schwierig ist es, sie verständlich darzustellen und die Auswirkungen auf gewerblich genutzte Sportboote einzuschätzen. Die Dienststelle Schiffssicherheit definiert die wesentlichen Änderungen auf ihrer Website wie folgt:

  • Die Sicherheitsanforderungen an gewerbsmäßig genutzte Kleinfahrzeuge (z. B. Wassertaxis) werden erhöht.
  • Kleinfahrzeuge, die nicht gewerblich zu ideellen Zwecken eingesetzt werden, benötigen keine Schiffssicherheitszeugnisse.
  • Die Schiffssicherheitsverordnung gilt auch nicht für Sportboote, die nur privat zu Sport- und Freizeitzwecken bestimmt sind.
  • Die bisher erforderlichen Gleichwertigkeitsbescheinigungen für kleinere Schiffe unter ausländischer Flagge in deutschen Küstengewässern entfallen.
  • Der Einsatz von kleinen Fahrgastschiffen in der Wattfahrt und für die Helgoländer Hafenfähre wird vereinfacht.
  • Für die Magnetkompassregulierung von Schiffen sind keine staatlich bestellten Prüfer mehr erforderlich.
  • Behörden können für ihre Behördenschiffe ein eigenes Besichtigungswesen anwenden.
  • Für Traditionsschiffe gelten längere Übergangsfristen.

Viele offene Fragen

Aus der Wassersportbranche erreichen uns seit Veröffentlichung der neuen Regeln am häufigsten Fragen zu folgenden Punkten:

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  1. Yachten, die Tagesfahrten unter deutscher Flagge anbieten, sollen künftig mit Inhabern von Berufspatenten zu besetzen sein.
  2. Die aktuell häufigsten CE-Konformitätsbewertungsverfahren der Hersteller von Sportbooten entsprechen den neuen gesetzlichen Anforderungen für die CE-Konformitätsbewertung von gewerblich genutzten Sportbooten nicht mehr, sodass keine neuen Schiffssicherheitszeugnisse für die gewerbliche Nutzung von Sportbooten ausgestellt werden können.

Die geänderte SchSV definierte Kleinfahrzeuge ursprünglich als Frachtschiffe mit einer Länge unter 24 Meter Länge. Darunter wären unter anderem auch Sportausbildungsfahrzeuge ab 8 Meter Länge gefallen, die für die Ausbildung zum Erwerb insbesondere von Sportbootführerscheinen eingesetzt werden, Kojencharterboote und Fahrzeuge, die mit Gestellung einer Besatzung gegen Entgelt zu Sport- und Freizeitzwecken überlassen werden. Im Klartext: Sportboote, die nicht privat oder zur Bareboatcharter genutzt werden, hätten künftig als Frachtschiffe (§ 6 Absatz 1, i.V.m. Anlage 1a, Teil 6, Kapitel 1, Ziffer 1 SchSV) gegolten. Hier hat das Ministerium jedoch bereits nachgebessert und durch einen Erlass vom 27.03.2025 die neue Gesetzeslage an den Bedarf der Branche angepasst.

Berufspatent auf Sportbooten

Bis zur Änderung der SchSV war die gewerbsmäßige Nutzung von Sportbooten nur dann zugelassen, wenn das Schiff gewerbsmäßig auch ausschließlich zu Sport- und Freizeitzwecken genutzt wurde. Sport- und Freizeitzwecke liegen typischerweise nicht vor, wenn bei gewerbsmäßigen Fahrten die Personenbeförderung im Vordergrund steht, wie beispielsweise bei Wassertaxis oder bei gewerbsmäßigen Fahrten aus touristischen Motiven, wie es bei Hafenrundfahrten und Veranstaltungsfahrten wie Disco-,Geburtstags- und Hochzeitsfahrten der Fall ist, und auch nicht bei Seebestattungen.

Nach der Änderung der SchSV sind diese bislang ausgeschlossenen Nutzungsarten künftig zulässig. Ab jetzt können also auch Sportboote als Taxi oder für Hafenrundfahrten genutzt werden. Allerdings reichen dann die amtlichen Sportbootführerscheine nicht mehr als Befähigungsnachweise aus. Das Gesetz verlangt hier nunmehr nautische Berufspatente.

Diese Erweiterung des gewerblichen Einsatzzwecks von Sportbooten ist also für den geneigten Hobbyskipper ohne Bedeutung, denn ein nautisches Berufspatent lässt sich nicht mal eben so erwerben wie ein Sportbootführerschein. Und so hat diese Öffnung eigentlich nur für Inhaber von Berufspatenten oder Reedereien Bedeutung, da diese ab jetzt auch Sportboote für kommerzielle Zwecke nutzen können.

Aus der Branche wird uns nun jedoch vermehrt gemeldet, dass die Dienststelle Schiffssicherheit, welche für die Vergabe von Schiffsbesatzungszeugnissen zuständig ist, Charterbetreibern die Ausstellung von Besatzungszeugnissen für Sportbootführerschein-Inhaber aufgrund der angeblich abweichenden Nutzung der jeweiligen Charteryachten verweigert.

Gesetzeskonform oder nicht, sorgt die aktuelle Praxis der Dienststelle Schiffssicherheit bei Betreibern von Charterflotten unter deutscher Flagge für Verunsicherung und mangelnde Planungssicherheit. Völlig unklar ist die Situation überdies bei den unzähligen Sicherungs- und Trainerbooten bei kleineren und größeren Regatten.

CE-Konformitätserklärungen nach SchSV

Schon vor der Änderung war für die gewerbliche Nutzung eines Sportbootes eine CE-Konformitätsbescheinigung nötig. Also nichts Neues, sollte man meinen. Allerdings steckt der Teufel wie immer im Detail: Die geänderte Gesetzeslage sah zunächst ein ganz bestimmtes Konformitätsbewertungsverfahren vor (§ 6 Absatz 1, i.V.m. Anlage 1a, Teil 6, Kapitel 1, Ziffer 5.2 SchSV).

Grundsätzlich sehen die einschlägigen Vorschriften zur Produktsicherheit (wie etwa die Sportbootrichtlinie 2013/53/EU und der Beschluss Nr. 768/2008/EG) mehrere mögliche Wege (sogenannte Module) zum Nachweis der CE-Konformität vor. Bei Serienschiffen wird die Konformität in der Regel, abhängig von der Entwurfskategorie (A,B,C,D) und der Schiffslänge, nach den Modulen A, A1 oder B+C bestätigt. Bei diesen Modulen handelt es sich im Wesentlichen um interne Fertigungskontrollen der Werften, mit oder ohne Baumusterprüfungen oder überwachte Produktprüfungen, welche durch eine „benannte Stelle“, eine unabhängige Prüfstelle, durchgeführt werden.

Boote, die von Vereinen ausschließlich zur nicht kommerziellen Ausbildung genutzt werden, brauchen künftig kein Schiffssicherheitszeugnis mehr.

Diese Arten der Konformitätsbewertung wären aber mit der Gesetzesänderung nicht mehr ausreichend gewesen. Die Anforderungen an das Bewertungsverfahren sind darin nämlich verschärft worden, was bedeutet hätte, dass nahezu keine Yacht die notwendigen Konformitätsprüfungen durchlaufen hätte.

Die durch das geänderte Gesetz verlangten Prüfmodule wurden bislang für Sportboote im Serienbau praktisch nie angewendet. Was nicht bedeutet, dass die Schiffe nicht den Anforderungen der neuen Schiffssicherheitsverordnung entsprochen hätten. Aber die Papiere wären nicht in Ordnung gewesen, und jedes Schiff hätte theoretisch nachträglich neu zertifiziert werden müssen. Eine solche Nachzertifizierung schließt das neue Gesetz jedoch aus, da das dafür vorgesehene Modul „PCA“ (Post Construction Assessment) von der Verordnung gar nicht anerkannt wird.

Nach intensiven Bemühungen des Verbands für Maritime Wirtschaft Deutschland hat das Verkehrsministerium an dieser Stelle jedoch bereits nachgebessert. Alle gängigen CE-Prüfverfahren sollen anerkannt werden. Durch einen Erlass des Ministeriums gilt die Neuregelung bereits jetzt.

Gewerbliche Kleinfahrzeuge

Eine der größten Änderungen betrifft gewerblich genutzte Kleinfahrzeuge, also beispielsweise Wassertaxis oder Charterboote. Hier werden die Sicherheitsanforderungen deutlich verschärft. Das klingt zunächst sinnvoll – schließlich geht es um den Schutz von Passagieren und Besatzung. Doch wurden hier wirklich sinnvolle Maßnahmen getroffen oder einfach pauschal die Daumenschrauben angezogen?

Während bisher beispielsweise in bestimmten Bootsklassen tragbare Feuerlöscher ausreichten, werden nun teilweise feste Löschanlagen gefordert. Das erhöht zwar die Sicherheit an Bord, kann aber für kleinere Betriebe hohe Kosten und unverhältnismäßigen technischen Aufwand bedeuten.

Auch zusätzliche Rettungsmittel klingen zunächst gut – aber wenn dadurch wertvoller Platz auf ohnehin kleinen Booten verloren geht, ist fraglich, ob das die Sicherheit tatsächlich verbessert oder einfach nur Bürokratie schafft. Viele kleinere Anbieter dürften es schwer haben, die neuen Vorgaben zu erfüllen. Insofern besteht die Gefahr, dass weniger Boote auf dem Wasser verkehren, was negative Auswirkungen auf Tourismus und maritime Vielfalt haben könnte – und es stellt sich die Frage, ob diese Entwicklung wirklich sinnvoll und gewollt ist.

SchSV sorgt für weniger Bürokratie

Gute Nachrichten für Segelvereine und gemeinnützige Organisationen: Boote, die ausschließlich zur Ausbildung genutzt werden, brauchen künftig kein Schiffssicherheitszeugnis mehr. Bisher musste ein Segelclub, der Jugendkurse anbietet, denselben Sicherheitsnachweis erbringen wie ein kommerzieller Charterbetrieb – inklusive regelmäßiger Prüfungen und umfangreicher Dokumentation. Das bedeutete Zeitaufwand und Kosten, die für einen rein ehrenamtlich geführten Verein oft schwer zu stemmen waren. Mit dem Wegfall dieser Pflicht wird der Wassersport für Vereine und ihre Mitglieder deutlich zugänglicher.

Wegfall der Gleichwertigkeitsbescheinigung

Bisher mussten ausländische Kleinfahrzeuge nachweisen, dass ihre Sicherheitsstandards den deutschen Vorschriften entsprechen – ein bürokratischer Aufwand, der nun wegfällt. Das erleichtert den Zugang zum deutschen Wassersport-Markt und fördert den grenzüberschreitenden Bootsverkehr. Doch warum gab es diese Pflicht überhaupt so lange? War diese Bescheinigung wirklich überflüssig, oder wurde hier eine sinnvolle Kontrollinstanz gestrichen? Es bleibt abzuwarten, inwiefern sich in dieser Neureglung doch versteckte Nachteile verbergen.

Erleichterungen für Wattfahrten und Hafenfähren

Für bestimmte Fahrgebiete gibt es ebenfalls Änderungen. Kleine Fahrgastschiffe, die beispielsweise in der Wattfahrt oder als Hafenfähren eingesetzt werden, profitieren von vereinfachten Vorgaben. So müssen bestimmte Wattfahrtschiffe nun nicht mehr dieselben strengen Stabilitätsnachweise erbringen wie größere Seeschiffe. Auch bei den Anforderungen an Rettungsmittel und technische Ausrüstung gibt es Anpassungen, die den Betrieb erleichtern.

Änderungen bei der Magnetkompassprüfung

Eine eher technische Änderung betrifft die Magnetkompassprüfung. Bisher durfte die Regulierung von Magnetkompassen auf deutschflaggigen Schiffen nur durch solche Personen vorgenommen werden, die vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie oder einen IMO-Mitgliedsstaat anerkannt waren. Diese Vorgabe entfällt mit der Änderung der Schiffssicherheitsverordnung. Damit werden die Anforderungen an deutschflaggige Schiffe an die internationalen Verfahren angepasst. Außerdem standen im Ausland nur selten vom BSH oder einem IMO-Mitgliedsstaat anerkannte Kompassregulierer zur Verfügung.

Längere Übergangsfristen für Traditionsschiffe

Auch für Traditionsschiffe gibt es eine wichtige Änderung: Die Fristen für die Umsetzung der Sicherheitsanforderungen wurden verlängert. Das ist für die Betreiber der historischen Fahrzeuge eine große Erleichterung, da sie oft große Mühe haben, moderne Vorschriften mit dem Erhalt des maritimen Kulturguts zu vereinen. Hier zeigt sich, dass neue gesetzliche Regeln nicht ausschließlich zu Verschärfungen führen, sondern auch zu sinnvollen Anpassungen.

Fazit: mehr Sicherheit – aber zu welchem Preis?

Die neue Schiffssicherheitsverordnung bringt sinnvolle Erleichterungen, aber auch strengere Vorschriften. Während einige Änderungen echte Fortschritte darstellen, bleibt bei anderen die Frage offen, ob sie wirklich notwendig sind. Gerade für kleinere gewerbliche Anbieter werden die verschärften Regulierungen aktuell zum Problem. Gleichzeitig fallen einige bürokratische Hürden weg, was für Freizeitskipper und Vereine ein klarer Vorteil ist. Am Ende bleibt abzuwarten, wie sich die neuen Regeln in der Praxis bewähren. Wird der Wassersport wirklich sicherer – oder nur komplizierter? Und wie viel Regulierung ist eigentlich nötig, um den Spaß am Segeln, Motorbootfahren oder Wassersport nicht zu verlieren?

Die deutschen Branchenverbände (Bundesverband Wassersportwirtschaft und Deutscher Boots- und Schiffbauerverband) stehen derzeit in engem und konstruktivem Austausch mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr, um die praktischen Probleme, welche durch die gesetzlichen Änderungen entstanden sind, auszuräumen. Wir sind zuversichtlich, dass es hier schnelle und praxisorientierte Hilfe für die Branche geben wird, zumal das Ministerium bereits während des Gesetzgebungsverfahrens den engen Austausch mit Branchenvertretern gesucht hat.


Benyamin Tanis

Rechtsanwalt Benyamin TanisFoto: Kristina König/SoulpictureRechtsanwalt Benyamin Tanis

Der Segler und Rechtsanwalt aus Kiel berät und vertritt seine Mandanten seit vielen Jahren mit einem Team aus mehreren Anwälten, Boots- und Schiffbauern und mit einem europaweiten Netzwerk von Partnerkanzleien in allen rechtlichen Fragen rund um die Themen des Yachtsports vom Bootskauf über Steuer-und Zollangelegenheiten bis hin zur Abwicklung von Schadensfällen.

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