Im Januar 1911 erscheint in der YACHT ein „Aufruf zur Gründung eines Deutschen Kreuzer-Yacht-Verbandes“. Dessen Zweck soll es sein, die Erfahrungen seiner Mitglieder zum Nutzen von Yachtreisen zusammenzutragen. Alle Interessenten sollen der Redaktion ihre Adressen mitteilen.
Am 19. März 1911 treffen sich im Hotel „Central“ beim Berliner Bahnhof Friedrichstraße insgesamt 56 Herren. Unter ihnen sind die Hafenstädte des Nordens und Berlin stark repräsentiert, aber auch aus Bayern und vom Rhein sind Interessenten angereist. Die Versammlung bestimmt Dr. E. Mylius, Verfasser des ersten deutschen Handbuches für Fahrtensegler, „Der Küstensegler“, erschienen 1904 bei Wedekind in Berlin, zu ihrem Gründungsvorsitzenden.
Man will, so beschließt sie, die vielen Schwierigkeiten aus dem Weg räumen, unter denen die Tourenfahrer in fast allen deutschen und ausländischen Häfen leiden. Ehrenamtliche Helfer sollen in jeder Hafenstadt der Küste und des Binnenlandes den Verbandsmitgliedern unentgeltlich die notwendigen Auskünfte über Liege- und Ankerplätze, Proviant- und Reparaturmöglichkeiten geben. Sie sollen Hafen-, Lotsen- und Zollverhältnisse genau kennen, um als „eine Art Konsul“ die deutschen Segler zu unterstützen.
Der neue Verband soll zudem sein Augenmerk auf „Heranbildung des Nachwuchses“ sowie das „Chartern billiger Tourenyachten“ richten. Und es sollen in allen Häfen zuverlässige Bootsleute verpflichtet werden, die Aufsicht und Wartung der Verbandsyachten übernehmen.
Die erste Interessenvertretung der Fahrtensegler war geboren. Schon im Gründungsjahr wurde ein Wettbewerb für seetüchtige Yachten ausgelobt, 1914 wurde das erste “Ostsee-Handbuch” veröffentlicht, und bis 1915 zählte die Organisation bereits über 500 Mitglieder.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs brachte die Aktivitäten der Kreuzer-Abteilung weitgehend zum Stillstand. Trotzdem blieb der Kontakt zu den Mitgliedern und auch zum Deutschen Segler-Verband bestehen, der immer mehr Interesse am Fahrtensegeln zeigte. Ende 1917 wurde beschlossen, die Kräfte zu bündeln, und der Deutsche Kreuzer-Yacht-Verband wurde zur Kreuzer-Abteilung des DSV.
Nach dem Krieg war die Verbandsarbeit aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Lage zunächst schwierig. Dennoch setzte sich die Kreuzer-Abteilung weiterhin für die Interessen ihrer Mitglieder ein, insbesondere wenn es darum ging, bürokratische Hürden bei Hafenverwaltungen und Behörden abzubauen und den Papieraufwand bei Yachtreisen zu reduzieren. Die Geschäftsstelle des DSV übernahm immer mehr alltägliche Aufgaben, gab Informationen zum Fahrtensegeln heraus und verkaufte Bücher und Karten. 1922 führte die Kreuzer-Abteilung erstmals ihren Fahrtenwettbewerb durch.
Bereits in den frühen Jahren wagten einige abenteuerlustige Segler mit ihren Yachten die Reise in weit entfernte Gebiete. Kapitän Carl Kircheiß kehrte im Dezember 1927 als erster deutscher Weltumsegler nach Hamburg zurück, nachdem er knapp zwei Jahre zuvor mit seiner 22 Meter langen Yacht “Hamburg” aufgebrochen war. Zu den Wegbereitern des Fahrtensegelns gehörte auch Hans Domizlaff, der mit seiner Yacht “Dirk III” bis nach Hammerfest in den hohen Norden Norwegens und zu den Färöern segelte. Im Jahr 1931 zog die Atlantiküberquerung von Ludwig Schlimbach auf der “Störtebeker I” große Aufmerksamkeit auf den deutschen Segelsport.
Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde der DSV, einschließlich der Kreuzer-Abteilung, wie viele andere Sportorganisationen, dem politischen System untergeordnet. Anstelle gewählter Führungskräfte bestimmten nun von der NSDAP ausgewählte “Führer” die Arbeit des Verbandes. 1938 organisierte die Kreuzer-Abteilung die “Deutsche Ostsee-Regatta”, die über 380 Seemeilen von Warnemünde über Bornholm nach Kiel führte. Hundert Seekreuzer aus dem In- und Ausland nahmen daran teil. Doch dies war vorerst die letzte Großveranstaltung dieser Art. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 kam der Segelsport fast vollständig zum Stillstand.
In den Nachkriegsjahren wagten sich einige mutige Segler bald wieder aufs Wasser, doch erst im Sommer 1950 durften deutsche Yachten wieder außerhalb der Landesgrenzen segeln. 1953 hielt die Kreuzer-Abteilung ihre erste Jahrestagung nach dem Zweiten Weltkrieg ab und setzte dabei Prioritäten für die zukünftige Arbeit: den Ausbau von Stützpunkten, die Senkung von Hafengebühren und die Herausgabe eines Hafenhandbuchs.
Wenige Jahre später hatte das Fahrtensegeln eine neue Ikone: Rollo Gebhard. Der gebürtige Österreicher überquerte 1956 auf seiner 5,50 Meter langen Hansa-Jolle „Solveig“ einhand das Mittelmeer. Ein Jahr später segelte er allein durch den Suezkanal, das Rote Meer und in den Indischen Ozean. Mit „Solveig II“, einem 5,60 Meter langen Boot, überquerte er 1963 den Atlantik. In New York angekommen, wurde Gebhard begeistert empfangen. Die Zeitungen brachten seitenlange Reportagen, und er trat in TV-Shows auf.
1964 zählte die Kreuzer-Abteilung des DSV rund 1.500 Mitglieder. Zeitgleich wurde der Deutsche Motoryachtverband kooperatives Mitglied im DSV. Dadurch war es erstmals auch für Motorbootfahrer möglich, der Kreuzer-Abteilung beizutreten. Nur ein Jahr später rief die Organisation ihre „Informationsstelle Mittelmeer“ ins Leben.
Ende der 1960er sorgte Wilfried Erdmann für Schlagzeilen: Er segelte als erster Deutscher allein um die Welt. Es folgte der Wassersportboom der siebziger Jahre. Die meisten Boote und Yachten wurden jetzt nicht mehr aus Holz, sondern aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) gefertigt. Die Schiffe konnten damit wesentlich preiswerter hergestellt werden, was breiten Bevölkerungsschichten den Zugang zum Wassersport ermöglichte. Auf Initiative von Hans-Otto Schümann, dem dreimaligen Admiral’s-Cup-Gewinner, wurde 1971 der Club der Kreuzer-Abteilung (CKA) gegründet. Sein Ziel war, Segler ohne traditionelle Vereinsbindung an den organisierten Wassersport heranzuführen.
Das Konzept bewährte sich: Der CKA entwickelte sich zum größten Verein des Deutschen Segler-Verbandes. Auch die Kreuzer-Abteilung wuchs rasant: 1977 hatte sie bereits 9.000 Mitglieder, 1982 waren es mehr als 15.000. Im Jahr 1979 startete die Kreuzer-Abteilung das Projekt „Sauberes Chartern“. Diese Aktion sollte die Mitglieder davor schützen, auf unseriöse Bootsvermieter reinzufallen. Den größten Zuspruch erfuhr die Kreuzer-Abteilung des DSV 1998 mit insgesamt 25.000 Mitgliedern.
Doch noch im selben Jahr kam es zum Streit. Ein Teil des damaligen Vorstandes der Kreuzer-Abteilung strebte die Unabhängigkeit vom Deutschen Segler-Verband an, andere wollten wie gewohnt weiterarbeiten. Man konnte sich nicht einigen, und die Kreuzer-Abteilung verlor auf einen Schlag rund 3.500 Mitglieder.
Wilfried Erdmann sorgte in den Jahren 2000/2001 erneut für eine sportliche Sensation. Er segelte allein und nonstop um die Welt – diesmal aber gegen die vorherrschenden Windrichtungen. Dieses Wagnis schafften vor ihm weltweit erst vier Segler.
Aber auch normale Freizeitsportler erbringen im neuen Jahrtausend großartige Leistungen. So zum Beispiel Manfred und Heidemarie Brandes, die im Sommer 2009 auf ihrer nur neun Meter langen Yacht einen 4.000-Seemeilen-Törn von Rostock nach Norwegen bis über den Polarkreis in die Barentssee segelten. Im März 2010 wurden sie dafür mit dem Commodore-Preis der Kreuzer-Abteilung des DSV geehrt.
Die Kreuzer-Abteilung des DSV trägt dieser neuen Lust an weiter Ferne Rechnung. Sie stellt ihren Mitgliedern die nötigen Revierinformationen auf ihrer Website zur Verfügung. Rat und Hilfe vor Ort im In- und Ausland bieten die mehr als 200 Stützpunkte und Reviervertreter. Beliebt und oft schnell ausgebucht sind die Aus- und Weiterbildungskurse der Kreuzer-Abteilung des DSV. Wer einfach nur wissen will, wie eine Yacht sicher auf See und zurück in den Hafen geführt wird, kann ein Skippertraining buchen.
Heute zählt die Kreuzer-Abteilung rund 16.000 Mitglieder.