Trailer-SpecialDie Eigenschaften des Anhängers richtig einschätzen

Lars Bolle

 · 25.03.2024

Trailer-Special: Die Eigenschaften des Anhängers richtig einschätzenFoto: YACHT/B. Scheurer
Bei nasser Fahrbahn verringert sich die Bodenhaftung der Reifen, der Bremsweg wird länger
Beim Fahren mit Trailer sind physikalische Gesetzmäßigkeiten besonders zu beachten. Ein Fahrsicherheitstraining schärft die Sinne und erhöht das Verständnis für das gesteigerte Gefahrenpotenzial. Wir waren mit einem Profi auf der Übungstrecke

Das war wieder keine richtige Bremsung!” Zum dritten Mal hintereinander schüttelt der Fahrsicherheitstrainer des ADAC den Kopf. Was? Was will er denn doch? Noch mehr Druck, und das Pedal verbiegt! Jedenfalls scheint es so. Doch der Coach ist unerbittlich:

Du musst richtig reinhämmern!!

Aber das muss man sich erst einmal trauen – schließlich hängt da nicht nur ein Trailer hinten dran, sondern auch ein Boot. Was, wenn sich etwas löst, der Anhänger ausbricht? Schon bei 30 Kilometern in der Stunde verzögert das Gespann beeindruckend, die Sicherheitsgurte im Pkw werden straff gezogen, der Körper ruckt deutlich nach vorn. Wie der Trainer erklärt, kann diese Verzögerung sogar bei so geringer Geschwindigkeit höher sein, als wenn man schneller unterwegs ist.

In dem Moment, in dem das Bremspedal vibriert und die Gummis über den Asphalt ruckeln, wird klar, dass Boot und Ladung bei diesen enormen Verzögerungskräften leicht zu Geschossen werden könnten. Damit hat sich ein gehöriger Respekt entwickelt, als es zu den Tests mit 40, 50 und 60 Kilometern pro Stunde geht. Am beeindruckendsten dabei ist, wie stark sich der Bremsweg verlängert, vor allem wegen des ungebremsten Anhängers. Von Ausbrechen oder Schlingern jedoch keine Spur: “Moderne Fahrassistenten wie das ESP erkennen auch, wenn ein Trailer angehängt wurde”, so der Coach, “und reagieren entsprechend.”

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Der Mythos vom Beschleunigen beim Schlingern

Schlingergefahr bestehe vor allem bei sehr hohen Anhängelasten und Seitenwind, wie etwa mit Wohnanhängern oder bei Berg­abfahrten. Ursache sei fast immer zu hohe Geschwindigkeit. Dagegen helfe nur Bremsen, die Geschwindigkeit zu verringern. Auf keinen Fall solle man auf der Autobahn beim Schlingern beschleunigen, das sei ein hartnäckig immer wieder verbreiteter, aber lebensgefährlicher Tipp.

Auf der Kurvenbahn zeigt der Trainer dann, dass es selbst ein Trailer mit weniger als 750 Kilogramm schafft, einen Allrad-Passat beim Bremsen mit dem Heck herumzudrücken. Solche Experimente sind freilich nur etwas für ausgebildete Profis; der Grat bis zum Umkippen des Hängers ist zu schmal für Normalfahrer. Doch auch ohne Stunt-Einlagen ist das Fahrsicherheitstraining beeindruckend genug hinsichtlich der erhöhten Kräfte, die wirken.

Jedem Gespannfahrer ist solch ein Training stark zu empfehlen – und unbedingt mit dem eigenen Trailer.


Dieser Artikel ist Teil eines Trailer-Specials:


Wie sich der Bremsweg bei mehr Speed verlängert

Bei 30 km/h ist es nur eine halbe Wagenlänge bis zum StillstandFoto: YACHT/B. ScheurerBei 30 km/h ist es nur eine halbe Wagenlänge bis zum Stillstand

Vollbremsung mit ungebremstem Trailer: In dem Moment, in dem die Vorderräder des Pkw den gelben Zylinder erreichen, tritt der Fahrer das Bremspedal durch. Wichtig: Nicht langsam die Bremskraft aufbauen, sondern mit einem kräftigen Stoß, dann den Druck auf das Pedal bis zum Stillstand aufrechterhalten.

Dazu ist auch eine entsprechende Sitzposition nötig, das rechte Bein darf bei vollem Druck nicht ganz gestreckt sein. Wie die Bilder zeigen, vervierfacht sich der Bremsweg bei doppelter Geschwindigkeit.

Ganz anders sieht es schon bei doppelter Geschwindigkeit (60 km/h) aus: Der Bremsweg hat sich vervierfachtFoto: YACHT/B. ScheurerGanz anders sieht es schon bei doppelter Geschwindigkeit (60 km/h) aus: Der Bremsweg hat sich vervierfacht

Zudem erhöht er sich gegenüber dem Fahren ohne Anhänger wegen der zusätzlich schiebenden Anhängerlast, erst recht, wenn der Trailer un­gebremst ist. So kann ein ungebremster Anhänger mit 750 Kilogramm das Zugfahrzeug deutlich mehr schieben als ein wesentlich schwererer, gebremster Trailer. Auch wenn es nicht vorgeschrieben sein sollte, ist gebremst ein leichter Trailer sicherer.

Die Zentrifugalkraft in Kurven

Wird bei Kurvenfahrten die Zentrifugalkraft unterschätzt, kann ein Anhänger ein gefährliches Eigenleben entwickeln. Denn wie beim Bremsweg gilt auch hinsichtlich der Zentrifugalkraft: doppelte Geschwindigkeit, vier­fache Kraft. Vor allem tief liegende Pkw mögen eine etwas zu forsch angefahrene Kurve noch verzeihen, bei Bootsanhängern sieht das anders aus; je höher der Schwerpunkt des Bootes auf dem Anhänger, desto eher kann es gefährlich werden.

Schon etwas zu viel Geschwindigkeit in einer Kurve oder Autobahnausfahrt, und der Trailer kann kippen. Dagegen ist der Fahrer so gut wie machtlos. Hebt der Anhänger erst einmal ein Rad, ist es meist zu spät. Mögliche Gegenmaßnahmen sind Gegenlenken, wobei dies in Kurven meist unmöglich ist, ohne in einer Linkskurve von der Fahrbahn abzukommen oder in einer Rechtskurve in den Gegenverkehr zu geraten.

Auf jeden Fall hilft eine Verringerung der Geschwindigkeit und damit der Zentrifugalkraft. Mit einem gebremsten Trailer mag das noch gelingen, ein ungebremster Trailer schiebt jedoch mit seiner vollen Masse gegen die im Winkel stehende Anhängerkupplung, was zum Ausbrechen des Hecks führen kann. Das Zugfahrzeug wird dann in die Kurve geschoben, also in den Gegenverkehr oder von der Fahrbahn. Deshalb Kurven immer höchstens mit der an­gegebenen Höchstgeschwindigkeit anfahren, lieber vorher den Speed noch etwas reduzieren.

Die Zentrifugalkraft lässt den Trailer in Kurven nach außen ziehenFoto: YACHTDie Zentrifugalkraft lässt den Trailer in Kurven nach außen ziehen

Manöver auf engstem Raum

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Das mag sich abgedroschen anhören, ist jedoch der allererste Ratschlag, den Gespann­fahrer verinnerlichen sollten. Denn je länger das Gespann, desto schwieriger wird es auf engem Raum. Ein wenig Wissen, viel Übung und moderne Regelelektronik können viele brenzlige Situationen entschärfen. Aber nicht alle. Das bedeutet: so langsam und mit so viel Umsicht wie möglich Auto und Anhänger rangieren – umso mehr, je enger es wird.

Das gilt aber nicht nur an der Rampe, beim Rückwärtsfahren oder bei Wende­manövern, sondern auch bei der vermeintlich unproblematischen Geradeausfahrt. Denn Gespanne mit Booten sind meist deutlich länger als etwa der Anhänger aus dem Baumarkt oder Pferdeanhänger. Damit befindet sich auch die Achse des Trailers und damit dessen Drehpunkt weit hinter dem Fahrzeug. Je länger dieser Abstand, umso weniger genau folgt der Anhänger dem Zugfahrzeug in Kurvenfahrt.

Häufig vergessen wird auch das Ausschwenken des Hecks des Anhängers. Ist es links oder rechts sehr eng, wie in Gassen oder beim Ausparken aus einer Parklücke, können leicht Schäden an anderen Fahrzeugen oder Hindernissen entstehen. Unsere Grafiken zeigen, wie das Zugfahrzeug zwar in der Regel gut um die Ecke kommt, der Trailer aber die Kurve schneidet oder ausschwenkt.

In allen Fällen gilt: Fahrer, die in solchen Situationen unsicher werden, sollten Ruhe bewahren und einen geeigneten Zeitpunkt zum Rangieren wählen, etwa wenn alle fraglichen Fahrbahnen leer sind. Vor allem aber sollten sie sich einweisen lassen – von einer zweiten Person, die vorher abgesprochene eindeutige Handzeichen gibt.

Links: so nicht, es drohen Schäden. Rechts: Weit ausgeschwenkt fährt der Trailer den idealen RadiusFoto: YACHTLinks: so nicht, es drohen Schäden. Rechts: Weit ausgeschwenkt fährt der Trailer den idealen Radius

Linke Bildhälfte: zu eng genommen
Der Trailer folgt in Kurven nicht exakt dem Fahrzeug, er beschreibt einen engeren Radius. Leichter ist das Linksabbiegen, da der Fahrer über die Schulter den Trailer sehen kann, rechts meist nur über den Außenspiegel. Wird die Kurve zu eng genommen, kann beim Linksabbiegen der Trailer in den Gegenverkehr geraten, rechts den Bordstein mitnehmen.

Rechte Bildhälfte: weit ausgeschwenkt
Deshalb sollte beim Kurvenfahren umso weiter ausgeholt werden, je enger die Kurve ist. Dabei beschreibt das Zugfahrzeug einen größeren Radius als eigentlich nötig, damit der Trailer auf dem idealen Radius die Kurve fährt. Das kann auch bedeuten, über die Gegenfahrbahn schwenken zu müssen. Dann ist besondere Aufmerksamkeit gefragt.

Überhang beachten

Je länger die Überhänge nach hinten, vor allem bei einem Mast, desto eher schwenken diese in Kurven nach außen und können Fußgänger oder Radfahrer gefährden oder beim Rechts­abbiegen in den Gegenverkehr geraten.

yacht/M4425103Foto: YACHT


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