SeenotfallStrandung in der Nordsee: dramatische Rettung zweier Segler

Ursula Meer

 · 08.04.2022

Seenotfall: Strandung in der Nordsee: dramatische Rettung zweier SeglerFoto: Die Seenotretter - DGzRS/Frank Kahl
Als der Seenotrettungskreuzer der Station Hooksiel zur Rettung ausrückt, weiß niemand, wo genau sich die havarierte Yacht befindet. Eine gefährliche Suche in der Dunkelheit beginnt (Archivfoto)

Eine Segelyacht ist in der Nacht zu Donnerstag in den berüchtigten Nordergründen auf Grund gelaufen. Die Besatzung konnte gerettet werden – mit viel Glück

Bei 40 Knoten Wind mit starken Böen und Regen ist in der Nacht zu Donnerstag zwischen Weser und Elbe eine Segelyacht auf Grund gelaufen und gestrandet. Der Skipper konnte gegen 21 Uhr einen Notruf absetzen, danach brach zunächst die Verbindung zu dem havarierten Schiff ab. Die Revierzentrale "Weser Traffic" konnte eine Peillinie ermitteln, auf der sie die Yacht vermutete: Das gestrandete Schiff befand sich in den berüchtigten Nordergründen.

Die Seenotretter aus Hooksiel und Horumersiel begaben sich auf die Suche. Die Yacht hatte kein AIS. Erst 15 Minuten vor Erreichen des Havaristen konnte wieder Funkkontakt zu den Gestrandeten hergestellt werden. An der anderen Seite des Flachwassergebiets beteiligte sich die Bundespolizei ebenfalls an der Suche und setzte ein Beiboot aus. Zu sehen war das gestrandete Schiff aber zunächst nicht in der drei Meter hohen Brandung.

  Rot umrandet: der Ort der Havarie. Die Wassertiefe verringert sich dort abrupt von zehn auf weniger als zwei MeterFoto: Navionics
Rot umrandet: der Ort der Havarie. Die Wassertiefe verringert sich dort abrupt von zehn auf weniger als zwei Meter

Ein Tochterboot der Seenotretter folgte der Peillinie über die Nordergründe und entdeckte schließlich das Topplicht der Yacht. "Unter schwersten Bedingungen", so die Seenotretter, gelang es ihnen, das junge Ehepaar und seinen kleinen Hund abzubergen. Das Tochterboot hatte dabei mehrfach schwere Grundberührung. Die Crew des Schiffs wurde nach Hooksiel und von dort vorübergehend ins Krankenhaus gebracht. Die Zehn-Meter-Yacht musste aufgegeben werden und wurde südwestlich von Neuwerk angespült. Die Seenotretter konnten sie inzwischen sichern, um zu verhindern, dass sie in den Schifffahrtsweg vertreibt. Eine Bergung wird wohl erst stattfinden können, wenn sich das Wetter bessert.

Die Segler hatten angesichts der dramatischen Lage außerordentliches Glück. Warum und mit welchem Ziel sie bei den äußerst widrigen Bedingungen zwischen Elbe und Weser unterwegs waren, ist nicht bekannt. "Die Nordergründe sind ein sehr schwieriges und auch gefährliches Revier", weiß Nordseekenner und Buchautor Holger Peterson. "Viele wollen hier abkürzen auf dem Weg zwischen Elbe und Weser. Aber selbst bei wenig Wind sind sie schon kabbelig, und bei Starkwind bauen sich dort hohe, steile Wellen auf. Man hat keine Landsicht und wähnt sich womöglich schon in tiefem Wasser. Dabei sind einige Stellen nur zweieinhalb Meter tief – da kann es im Wellental schnell zu einer Grundberührung kommen", schildert Peterson. Seine Empfehlung: Wer vom Starkwind überrascht wird, sollte den Bogen außenrum fahren, auf 15 Meter Wassertiefe. "Das dauert nur eine Stunde länger und ist wesentlich sicherer", so Peterson.

Die schwere Havarie vom Donnerstag ist bereits die zweite an der Nordseeküste zu Saisonbeginn. Abkürzen wollte wohl auch die deutsche Segelyacht, die vor drei Wochen vor Terschelling auf Grund gelaufen ist. Nach einem Wassereinbruch musste die Crew ihr Schiff schnell verlassen und in eine Rettungsinsel übersteigen. Sie konnte in weniger als einer Stunde gerettet werden, nicht zuletzt auch, weil sie eine EPIRB aktiviert hatte.

  Selbst in der Morgendämmerung ist eine gestrandete Yacht schwer zu finden, wie hier die "Silence", die vor drei Wochen vor Terschelling auf Grund liefFoto: KNRM Vlieland
Selbst in der Morgendämmerung ist eine gestrandete Yacht schwer zu finden, wie hier die "Silence", die vor drei Wochen vor Terschelling auf Grund lief

Beide Fälle zeigen, dass sorgfältige Navigation in dem Tidenrevier mit seinen vielen veränderlichen Sandbänken unverzichtbar ist und selbst erfahrene Segler im küstennahen Bereich schon ab 5 Beaufort in gefährliche Situationen geraten können. Im Seenotfall ist dann ein schneller Funkspruch entscheidend. Grundsätzlich sollte jeder Freizeitskipper die Funkanlage zu Saisonbeginn testen und für den Seenotfall das Funknotschema bereithalten. Sie können es sich gratis hier herunterladen.

  Gerade im Notfall fällt konzentriertes Handeln schwer. Ein Funkschema am Kartentisch kann helfen, einen korrekten Funkspruch abzusetzenFoto: YACHT
Gerade im Notfall fällt konzentriertes Handeln schwer. Ein Funkschema am Kartentisch kann helfen, einen korrekten Funkspruch abzusetzen

Schnell gefunden zu werden kann geradezu überlebenswichtig sein. Rauchtopf, Handfackel und Seenotraketen gehören deshalb auf jede Yacht, außerdem eine starke Taschenlampe, denn "wenn damit das Segel oder der Mast angeleuchtet wird, erleichtert uns das die Suche bei Dunkelheit schon wesentlich", sagt Antke Reemts von den Seenotrettern. "Deutlich besser sind aber natürlich aktives AIS und ein aktiver Radarreflektor, die zur Standardausstattung von Segelyachten gehören sollten."

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