Der routinierte Umgang mit den vielfältigen Leinen an Bord gehört zum seemännischen Grundhandwerk und ist in erster Linie ein Sicherheitsaspekt. Ein Leinenknäuel, Wuhling genannt, kann ärgerlich und seine Entwirrung lästig und zeitraubend sein. Ist jedoch Tauwerk in bestimmten entscheidenden Situationen unklar, können daraus schlimmstenfalls Schäden an Material und Mensch resultieren – wenn etwa ein Gennakerfall nicht gefiert werden kann, weil sich in der Leine endlos Kinken bilden und diese vor der Hebelklemme blockieren. Dann kann man zerren, wie man will; das Ufer rückt unterdessen unerbittlich näher.
Oder bei Hafenmanövern, wenn ein auf Slip gelegter Festmacher eingeholt werden muss. Wenn dieser an einem Ring oder einer Klampe am Steg wegen eines Kinkens stecken bleibt, ist das beste Manöver für die Katz.
Warum diese Kinkenbildung gerade heute mit modernem Tauwerk immer noch passiert, liegt wohl auch – wie in anderen Seemannschaftsbereichen – daran, dass tradiertes Wissen vermittelt wird, das nicht mehr unbedingt zu sich ändernden Gegebenheiten passt. So hat wohl jeder einmal gelernt, dass ein aufgeschossenes Leinenbündel nur dann schön und richtig ist, wenn alle Buchten in Runden und gleichmäßig nebeneinander liegen. Das gilt so für geschlagenes Tauwerk. Schießt man dagegen modernes geflochtenes auf dieselbe Weise auf, dreht mit jeder Bucht das Tauwerk einmal ein, und die gefürchtete Kinkenbildung ist garantiert.
Tipps vorab: Das beschriebene Szenario mit dem Gennakerfall lässt sich entschärfen, wenn das Fall sauber entwirrt ins Heckwasser geworfen wird. Dort dreht es sich aus, eine Kinkengefahr besteht kaum noch. Das Fall aber vor dem Gennakerbergen nicht einholen, sondern aus dem Wasser heraus fieren. Und: Leinen immer von der festen Part aus entwirren, also vom Beschlag aus. So kann sich das Tauwerk ausdrehen, Knoten lassen sich leichter lösen.
Ziel des Aufschießens von Leinen ist es, sie einsatzklar zu halten. Das heißt, sie entweder so wegzustauen, dass sie mit wenigen Handgriffen eingesetzt werden können. Oder aber sie direkt vor einem Einsatz so vorzubereiten, dass dieser reibungslos ablaufen kann.
Die Probleme beim Umgang mit Leinen sind immer dieselben. Entweder handelt es sich bei dem Leinenbündel um eine sogenannte Wuhling, ein wirres Knäuel, im schlechtesten Fall sogar mit Verknotungen, bei dem keine Chance bestünde, es durch einen Beschlag zu ziehen, zu werfen oder überhaupt sinnvoll einzusetzen. Oder aber die Leine sieht zwar ordentlich aufgeschossen aus, dabei wurden jedoch Fehler gemacht, was zu Kinkenbildung führen kann. Die richtige Technik ist dabei auch abhängig von der Art des Tauwerks.
Immer von der festen zur losen Part aufschießen. So hat das Tauwerk die Chance, sich auszudrehen, was die Gefahr von Kinkenbildung verringert.
Geschlagenes Tauwerk ist in einer Richtung gedreht. Beim Aufschießen kann dieser Drehung entgegengewirkt werden.
Diese Methode garantiert ein kinkenfreies Ausrauschen, und es entsteht zudem ein schöner Bund mit gleichmäßigen Buchten. Allerdings bedarf sie etwas Übung. Das Tauwerk wird hierbei wechselseitig mit einer Drehung versehen.
Eine gute Alternative zur oben gezeigten Methode ist bei geflochtenem Tauwerk das wechselseitige Legen von Achten. Es ergibt zwar meist keinen so schönen Bund, da die Längen der Buchten schwerer genau zu treffen sind, dafür ist die Methode kinderleicht zu lernen.
Bei sehr langen Leinen funktioniert das Aufschießen per Hand nicht mehr, der Bund wird zu groß, um ihn noch zu greifen, und zu schwer. Diese hier gezeigte Methode verwendet übrigens auch Boris Herrmann für sein 60-Meter-Großfall, von dem nach dem Setzen 30 Meter bereit sein müssen.
Für sehr lange Leinen oder wenn die Buchten eine akkurate Länge haben sollen, eignet sich eine Winsch sehr gut als Helfer. Sitzend kann auch der eigene Fuß als zweiter „Pfosten“ herhalten.
Aus dem Regattabereich kommt eine ganz andere Philosophie: Tauwerk wegstopfen. Unten drei Möglichkeiten dazu. Grundprinzip ist jeweils, dass mit der losen Part beginnend einfach übereinandergestopft wird. Soll die Leine dann ausrauschen, kommt sie so aus dem Behältnis, wie sie gestaut wurde, von der festen zur losen Part.
Oft ist dieses Stauen schneller erledigt als das Aufschießen, vor allem aber ist das Tauwerk jederzeit einsatzbereit. Es muss nicht erst ein Bund gelöst werden, und es besteht auch kaum die Gefahr von Kinkenbildung. Einen schönen Bund ergibt diese Methode hingegen nicht.
Das Gegenteil des schnellen Stopfens, wie oben gezeigt, ist das Aufschießen und anschließende Sichern des aufgeschossenen Bundes. Auch dafür gibt es eine Vielzahl von Methoden mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen. Diese zeigen wir in einem gesonderten Artikel.